Kaum ein Gericht treibt den Schwaben so um wie der Zwiebelrostbraten. Immer wieder hört man die Frage: Wo gibt’s den besten? Wir stellen drei besonders gute vor – und reichen die Frage an die Leser weiter.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Schwäbische Spezialitäten gibt es viele, doch nicht einmal die Maultasche genießt die kultische Verehrung jenes Leibgerichts, das sich im alten Spruch niedergeschlagen hat: Ein schwäbisches Fünfgangmenü besteht aus einem Rostbraten und vier Viertele. Die Bedeutung dieses Festmahls, zudem natürlich auch Spätzle mit Soß, mit viel Soß gehören, muss tief in den schwäbischen Genen stecken, die bis weit ins 19. Jahrhundert hinein durch Verzicht geprägt wurden. Fleisch war früher etwas Besonderes – etwas Heiliges ist der Rostbraten bei allem Überfluss bis heute.

 

Werner Klein, der verstorbene Wirt des Träubles in Remshalden-Geradstetten, hat dereinst sogar die zehn Gebote des Rostbratens aufgestellt mit zum Beispiel: „Du sollst nicht Schuhsohlen produzieren, das heißt nicht durchbraten, sondern dem Fleisch seinen rosa Kern lassen.“ Oder: „Du sollst nicht des Rostbratens Ruhezeit stören und ihn nicht sofort anschneiden, denn sonst geht sein Saft flöten.“

Kein schwäbisches Lokal kann es sich leisten, ohne ihn auszukommen, sowie man sich als Testesser fast gezwungen sieht, in Weinstuben und Wirtshäusern einer der am meisten gestellten Fragen nachzugehen: „Wo gibt’s den besten Rostbraten?“ Aus dieser Verpflichtung heraus haben wir uns auf die Suche begeben, in dem Wissen, dass es keinen besten gibt, denn irgendwo tief im Remstal oder hoch droben auf der Schwäbischen Alb gibt es bestimmt einen noch viel besseren.

Weinstube Muz, Endersbach:klassisch für 19,80 Euro

Die Traditionsadresse in Weinstadt-Endersbach, in der auch Vincent Klink schon öfters gesehen wurde, besteht seit 1877. Neben urschwäbischen Spezialitäten gibt es auch immer wieder solche aus Südafrika, weil Thomas Muz, 34, der die Weinstube 2008 von seinen weiterhin präsenten Eltern übernommen hat, auf seinen gastronomischen Wanderjahren dort Kontakte geknüpft hat. Am Herd steht seit 13 Jahren Küchenmeister Markus Bezler, 47, der sagt: „Der Rostbraten ist der Maßstab.“ Wer den anständig hinbekomme, dem traue man auch alles Weitere zu.

Das Wichtigste: zuerst das Fleisch. In der Weinstube Muz kommt es aus Südamerika, weil es flexibel verfügbar sei. Auch wenn der schwäbische Rostbraten somit wie vielerorts streng genommen ein argentinischer Rostbraten ist: Man achte auf hohe Qualität, sagt Thomas Muz, weshalb die Portion 19,80 Euro kostet. Schließlich ist der Rostbraten meist ein Rumpsteak, für das viele bereit sind, einen höheren Preis zu zahlen.

Der Fettrand am Fleisch verschwindet zusehends

Bezler brät das Fleisch von beiden Seiten an und lässt es dann unter einer Wärmelampe ruhen. Die Spätzle sind selbstverständlich handgeschabt und kommen noch kurz in eine Butterpfanne. Die Soße entsteht aus angerösteten Kalbsknochen und Gemüse, mit Rotwein abgelöscht und reduziert, dann noch „ganz leicht anbinden“, weil andicken – das mache man längst nicht mehr. Auch der Fettrand am Fleisch, der eigentlich Geschmacksträger ist, verschwindet zusehends in den schwäbischen Küchen. „Wegen der Durchesser“, sagt Bezler, für die das Fett nicht so leicht vom durchgebratenen Fleisch zu trennen wäre. Obendrauf kommt eine Schmelze aus Zwiebeln – bloß keine gerösteten oder frittierten! Das Ergebnis: ein Rostbraten wie aus dem schwäbischen Lehrbuch, zart, leicht mürbe, innen rosé und saftig.

Zur Weinsteige, Stuttgart-Mitte:dry-aged für 28 Euro

Bei 28 Euro für einen Rostbraten mag der Schwabe heftigst zusammenzucken, sollte aber im Restaurant Zur Weinsteige im Hotel Wörtz Folgendes bedenken. Erstens: das Fleisch stammt vom schwäbischen Jungrind und ist dry-aged, also nicht abgepackt im eigenen Saft gereift, sondern trocken am Knochen und intensiver im Geschmack. Zweitens: zu den handgeschabten Spätzle gibt es nicht nur Fildersauerkraut, sondern noch eine fluffige Maultasche sowie Spinatschupfnudeln. Und drittens: laut Bewertung aller relevanter Gourmetführer isst man hier in Stuttgarts bestem Restaurant ohne Stern.

Der Küchenchef Jörg Scherle, 45, der den Familienbetrieb mit seinem Bruder Andreas erfolgreich ins 60. Jahr führt, hat nach all der Gänseleber selbst hin und wieder Lust auf ein ordentliches Stück Fleisch und sagt: „Ich würde den Rostbraten nie von der Karte nehmen.“ 50 bis 80 Portionen verkaufe er pro Woche, unter den Gästen seien viele Geschäftsreisende, auch Amerikaner, Russen und Araber, die so vielleicht ein bisschen schwäbische Kultur in die Welt tragen. Und nicht die Schlechteste, denn die Weinsteige-Variante ist nur schwer zu toppen. Hier wird die Soße anderthalb bis zwei Tage reduziert und sei „eigentlich aufwändiger als die Beilagen“, obwohl so eine Maultasche auch nicht gerade schnell herzustellen ist. Scherle lässt das Fleisch nach dem krossen Anbraten in der Pfanne ruhen, das Ergebnis ist purer Genuss, der jeden Cent wert ist.

Meister Lampe, Weilimdorf:sous-vide für 24,90 Euro

Auch bei Meister Lampe geht man mit 24,90 Euro lässig über die schwäbische Schmerzgrenze, gibt es doch woanders Rostbraten für 16 oder gar 14 Euro. Aber Daniel Stübler, 37, der im Frühjahr 2012 den ehemaligen Hasen in Weil-imdorf übernommen hat, sagt: „Ein Dacia ist ein Auto mit vier Rädern dran – und ein Mercedes auch.“ Bei seinem Fleisch handelt es sich um eine S-Klasse, die allerdings aus Irland kommt. Das dry-aged Roastbeef wird „geschnitten wie gewachsen“, der Fettrand traditionell mitserviert. Für manchen Schwaben wohl eher neumodisches Glump ist die Zubereitungsmethode. Das gute Stück kommt für bis zu zwei Wochen mit Thymian in einen Vakuumbeutel und wird sous-vide, also 20 Minuten bei 53 Grad niedriggegart. Anschließend wird es noch „rundgebraten“, wie Stübler sagt.

Der Effekt: das Fleisch behält sein volles Aroma und ist butterzart, vergleichbar mit Rinderleber. Darauf wird eine leicht süßliche Zwiebelschmelze gepackt, so dick wie der Rostbraten selbst. Keine Frage, dass Filderkraut und Lembergerjus besonders fein abgestimmt sind, schließlich kann der Meister auf Sterneniveau kochen. Die Spätzle macht Stübler so, wie er es von seiner Großmutter gelernt hat: auf einem Küchentuch abtropfen lassen, danach mit Butter so lange in einer Pfanne schwenken, bis sie leichte Röstaromen und Grip entwickeln. Was für eine Spezialität!

Apropos: Die Wiener wollen mit ihrem Rostbraten ja auch von sich reden machen. „Aber der ist doch geschmort“, sagt Stübler. „Also da gibt’s überhaupt keine Diskussion!“ – erspart uns der Schwabe die Recherche nach dem besten Österreicher. . .