René Marius Köhler ist einer der erfolgreichsten Internetgründer Deutschlands. Für 50 Millionen Euro hat er einen Großteil seiner Anteile an Internetstores aus Esslingen an die Karstadt-Muttergesellschaft Signa verkauft. Was macht er mit dem ganzen Geld – und was treibt ihn an?

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)

Stuttgart - René Marius Köhler hat im Herbst, von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, seine Anteile am E-Commerce-Anbieter Internetstores, zu der auch der größte deutsche Online-Fahrradhändler fahrrad.de gehört, an die Karstadt-Muttergesellschaft Signa verkauft. In der Stuttgarter Zeitung spricht er erstmals über die Gründe für den Verkauf, die Perspektiven für Internetstores und seine Pläne als Investor in Stuttgart.

 
Herr Köhler, Sie haben im Herbst Ihre Anteile an Ihrem Unternehmen verkauft, das Sie vor 14 Jahren gegründet und seitdem aufgebaut haben. Warum macht man so etwas?
Zur Finanzierung unserer Expansion habe ich schon vorher immer wieder Anteile verkauft. Internetstores brauchte etwa für die Erhöhung des Warenbestands mehr Kapital, als wir verdienen konnten. Ich habe seit der Gründung wenig Geld entnommen und mich mit einem überschaubaren Gehalt begnügt. Jetzt war es an der Zeit, von der stark gestiegenen Bewertung zu profitieren.
Halten Sie noch Aktien?
Ich habe zwar den Löwenanteil meiner Beteiligung verkauft, bin aber weiterhin mit zehn Prozent engagiert.
Das hört sich sehr rational an. Schmerzt die Trennung von Ihrer Firma nicht?
Internetstores kann mit Signa den nächsten Entwicklungsschritt machen. Und Geld war für mich immer auch ein Thema. Mein Vater war extrem sparsam, so dass ich in fast ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen bin. In meiner Kindheit und Jugend muss dieser Hunger nach finanzieller Unabhängigkeit entstanden sein. Ich war damals bereit, für dieses Ziel alles über Bord zu werfen. Ich habe kein Abitur gemacht, kein Studium, bin nicht ins Ausland gegangen. Ich habe mich extrem stark fokussiert auf den Aufbau dieser Firma und habe auf viele Dinge verzichtet, die für junge Leute eigentlich üblich und schön sind. Das kann man nicht wieder zurückbringen.
Sie haben Ihr Leben auf morgen verschoben?
Ich habe es versucht, aber das kann man nicht. Ich habe meine Jahre von 20 bis 30 investiert, um mein Vermögen aufzubauen.
In der Stuttgarter Zeitung stand 2008 über Sie zu lesen, dass Sie sich mit 35 Jahren zur Ruhe setzen wollten.
Eigentlich schon mit 30. Am Ende habe ich vier Jahre länger gebraucht.
Sie bleiben Beiratsvorsitzender. Was wird Ihre Rolle sein?
Ich bin für die strategische Ausrichtung zuständig und helfe bei Akquisitionen. Außerdem bin ich Bindeglied zwischen der Geschäftsführung und Signa. Ich greife aber nicht mehr ins Tagesgeschäft ein.
Wie haben eigentlich ihre Mitarbeiter reagiert? Ein Verkauf des Gründers ist ja kein Zeichen eines unbeschränkten Vertrauens?
In vielen Unternehmen wäre das so. Bei uns wussten aber alle, dass ich irgendwann verkaufe. Für die Mitarbeiter ergibt sich daraus die Möglichkeit, in einem deutlich größeren, immer internationaleren Unternehmen zu arbeiten.
Und Signa bot die besten Perspektiven?
Absolut. Signa hat uns fachlich und menschlich sehr beeindruckt. Das Tempo bei Signa ist noch einmal höher als bei uns. Und René Benko, der Gründer und Eigentümer, ist eine extrem herausragende Persönlichkeit und mit 39 Jahren selfmade-Milliardär. Internetstores kann weiter selbstständig agieren und akquirieren. Die Wertschätzung für Internetstores sieht man auch daran, dass Signa einen sehr hohen Preis bezahlt hat.
Wie viel? Es gab Spekulationen, dass ihr Mitgesellschafter EQT Internetstores insgesamt mit über 210 Millionen Euro bewertet hat, womöglich sogar mehr. So viel wird Benko kaum für die gesamte Karstadt-Gruppe gezahlt haben.
Die Summen sind nicht völlig aus der Luft gegriffen. Zu den konkreten Zahlen müssen Sie aber Herrn Benko selbst fragen.
Was sind denn die Perspektiven für Internetstores ?
Es gibt die riesige Chance für die Signa Sports Group, Marktführer im deutschen Sporthandel zu werden. Die größten Anbieter wie Sport Scheck oder Karstadt Sport setzen zwischen 250 Millionen und 350 Millionen Euro um. Zudem sind viele auf stationären Handel konzentriert; reine Online-Händler wie wir sind deutlich kleiner. Einen Anbieter, der Multi-Channel, also stationär und online anbieten kann, gibt es nicht. Das ist die einmalige Chance für die Signa Sports Group mit Internetstores zusammen. Und nach Deutschland kann man Europa ins Visier nehmen. Die Gruppe, die heute schon über 500 Millionen Euro umsetzt, ist auf dem Weg zur Umsatzmilliarde .
Das heißt: Internetstores wächst aus dem Online-Bereich in den klassischen Handel. Kann man Ihre Räder dann beispielsweise bei Karstadt oder Karstadt Sport kaufen?
Es wäre töricht, nicht auch an solche Möglichkeiten zu denken. Außerdem könnten wir dann auch bestimmte Fahrrad-Marken anbieten, die uns bisher als reinem Online-Händler verwehrt geblieben sind.
Sie erschließen neue Käuferschichten?
Auf jeden Fall. Natürlich hat auch der reine Online-Handel seine Berechtigung. Aber ich habe meine Meinung in den letzten Jahren geändert, auch mit Blick auf die E-Bikes. Die Verkäufe boomen, aber das ging an fahrrad.de zu guten Teilen vorbei, weil diese Räder für den Online-Handel zu teuer sind und weil die Käufer oft älter sind als unsere bisherigen Kunden.
Schauen wir noch mal auf Sie. Wie viel haben Sie bei dem jetzigen Verkauf eingenommen?
Etwa 50 Millionen Euro.
Wenn man bedenkt, dass Sie vorher auch schon Anteile versilbert haben, sind Sie einer der erfolgreichsten deutschen Internetgründer. Was machen Sie jetzt mit 34 Jahren mit dem ganzen Geld?
Meine große Leidenschaft ist es, Dinge zu finden, die morgen mehr wert sind als heute. Das hat mir immer den meisten Spaß gemacht. Ich will Werte schaffen. Das suche ich, seit ich klein war. Zum Fahrrad hatte ich durch das Geschäft meines Vaters eine besondere Beziehung. Das geht aber auch mit anderen Produkten.
Zum Beispiel?
Mein Drang, unternehmerisch etwas zu tun, ist stärker denn je. Ich habe deshalb die Koehler Group gegründet, die am Marktplatz in Stuttgart im ehemaligen Haufler-Gebäude ihren Sitz hat. Wir haben dort alle Büroflächen gemietet. Es gibt zwei Tochtergesellschaften: Die eine ist die Koehler Capital Partners, ein klassischer Private-Equity-Fonds mit eigenem Geld, der in Unternehmen in allen Phasen investiert, gerne auch in Firmen aus der Region.
In welchen Größenordnungen wollen Sie da aktiv werden?
Für eine einzelne Investition liegt die Grenze bei zehn Millionen Euro. Aber man kann sich ja auch mit anderen Investoren zusammentun, und ich habe ein sehr großes Netzwerk. Größere zweistellige Millionenbeträge kann ich gemeinsam mit Co- Investoren darstellen.
Sind Sie schon aktiv?
Wir haben vor Weihnachten schon zwei Transaktionen durchgeführt: Wir haben uns mit nennenswerten Beträgen an Prosenio beteiligt, einem Anbieter von Produkten für Senioren wie zum Beispiel Hörgeräten. Weil diese Altersgruppe im Netz noch nicht sonderlich aktiv ist, gilt das als unsexy und große Investoren sind noch nicht engagiert. Aber das wird sich schnell ändern. Außerdem habe ich mich gemeinsam mit EQT an kfzteile24 beteiligt und dort auch ein Beiratsmandat übernommen.
Und die andere Tochtergesellschaft?
Ist Koehler Real Estate, die Immobiliengeschäfte in der Region betreibt.
Das hört sich nicht nach Ruhestand an.
Schon. Aber ich bin jetzt mein eigener Herr.
Wie bitte? Vorher nicht?
Es war für mich schon ein Problem, einen so großen Tanker mit irrsinnig langem Bremsweg zu steuern. Ich bin lieber der Sportbootfahrer, der mal schnell rechts oder links abbiegt. Man wird ja Unternehmer, weil man selbst entscheiden will.