Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)
Mit der AfD ist der Union eine neue konservative Konkurrenz erwachsen. Wie können Sie verhindern, dass die Ihnen traditionsverbundene Wähler abspenstig macht?
Die AfD ist nicht überwiegend ein Problem der Union. Alle Umfragen zeigen: deren Wählerpotenzial kommt nicht vorrangig aus unserem Bestand. Sie speist sich aus allen Parteien. Die AfD ist ein Sammelsurium unterschiedlicher Positionen, darunter viele Protestwähler. Die Uneinigkeit zeigt sich ja auch am permanenten innerparteilichen Streit. Es würde mich nicht wundern, wenn diese ständigen Konflikte die AfD zerreißen.
Die Maut ist jetzt auf dem Weg, das wichtigste Anliegen der CSU. Wie weit reicht Ihre Geduld mit der skeptischen EU-Kommission?
Ich bin da sehr zuversichtlich. Wir haben ein Rechtsgutachten, das eindeutig belegt: Die Maut ist mit EU-Recht vereinbar. Das entscheidet im Übrigen nicht die Europäische Kommission, sondern der Europäische Gerichtshof. Das Projekt wird nicht scheitern.
Es gibt Milliardenbedarf für Investitionen in die Infrastruktur. Die Maut bringt da im Vergleich nur bescheidene Summen, wenn überhaupt. Ist Alexander Dobrindt zu kurz gesprungen?
Alexander Dobrindt ist der erste Verkehrsminister, dem es gelingen wird, alle an der Finanzierung der Straßen zu beteiligen, die sie nutzen. Das schafft mehr Gerechtigkeit. Sein Konzept wird allen Vorgaben gerecht: keine Mehrbelastung für deutsche Autofahrer, europarechtskonform, mehr Geld für die Straßen. Die Maut bringt in jeder Wahlperiode zwei Milliarden Euro ein – zweckgebunden für Verkehrsinvestitionen. Das ist eine beachtliche Größenordnung.
Bei der kalten Progression scheint die CSU mehr Ehrgeiz zu haben als ihre Schwesterpartei. Wie groß ist Ihr Einfluss als Antreiber der großen Koalition?
Wir haben schon in der vergangenen Wahlperiode gezeigt, dass wir Impulsgeber der Regierung sind. Sonst gäbe es das Betreuungsgeld oder die Mütterrente bis heute nicht. Bei der kalten Progression haben wir jetzt einen festen Termin für Entlastungen gesetzt: den 1. Januar 2017. Ohne   die CSU gäbe es diesen Termin nicht. Wir werden die Bürger an dieser Stelle noch in dieser Legislaturperiode entlasten.
„Wir dürfen nie satt werden, sondern hungrig bleiben“, sagt Seehofer. Wo will die CSU-Landesgruppe im neuen Jahr Akzente setzen?
Wir sind der Garant dafür, dass die schwarze Null eingehalten wird. Das gilt auch für das Versprechen, dass es keine Steuererhöhungen geben wird. Diese beiden Eckpfeiler müssen wir immer wieder aufs Neue verteidigen. Das kostet viel Kraft. Aber wir werden nicht wackeln. Zudem müssen wir in einem schwierigen ökonomischen Umfeld die Wirtschaft wettbewerbsfähig halten. Wir stehen dafür ein, dass es keine zusätzlichen Belastungen für Unternehmen geben wird. Die CSU ist das wirtschaftspolitische Korrektiv dieser Koalition.
Vor einem Jahr kam von der CSU aus Kreuth die Ansage: „Wer betrügt, fliegt!“ Auf welche Weckrufe müssen wir uns Anfang Januar einstellen?
Wenn wir im Januar 2014 nicht so ein klares Signal gesetzt hätten, wäre es nicht so rasch gelungen, den Sozialmissbrauch mit klaren Regeln zu begrenzen. Die wesentlichen Forderungen von damals sind heute Gesetz. Dieses Jahr legen wir Schwerpunkte auf die innere Sicherheit, die Sicherheits- und Verteidigungspolitik und die Wirtschaft.
Wie erreicht die CSU in Berlin mehr – indem sich der bayerische Löwe als Schmusekatze aufführt oder als Nebenkanzler?
Mit konkreten Vorschlägen, guten Argumenten und klarer Kante. Manchmal kann es notwendig sein, die Dinge zuzuspitzen, um auf einen Missstand oder ein dringendes Problem aufmerksam zu machen. Dabei belassen wir es aber nicht, wie unser Kampf gegen den Sozialmissbrauch gezeigt hat. Am Ende wurden konkrete Paragrafen daraus.