Cramer vergräbt ihren Kopf in den Händen als sie auf das Gerücht angesprochen wird. Der anwesende Pressesprecher ergreift das Wort und gibt der Brauerei-Chefin Zeit, sich zu fassen. Wenig später schaltet sich Cramer wieder ein und sagt: "Das hat uns getroffen." Wie ein Flächenbrand breitete sich das Gerücht aus, Albert Cramer sei Scientology-Mitglied, und die Sekte habe die Mehrheit an der damals größten deutschen Biermarke übernommen.

 

So wie sich die meisten erinnern, in welcher Situation sie vom Terroranschlag auf das World Trade Center erfahren haben, schießt der Juniorchefin sofort in den Kopf, an welchem Ort sie es erstmals gehört hat. Sie war 16 und besuchte die Klosterschule Meschede. "Mein Schuldirektor Pater Michael kam auf mich zu und sagte, es tue ihm leid mit den Gerüchten." Cramer macht eine Pause. "Ich wusste nicht, wovon er spricht." Inzwischen weiß sie es, und sie weiß auch, dass das Thema eine millionen-, wenn nicht sogar eine milliardenschwere Belastung fürs Unternehmen geworden ist. "Noch heute wird unser Außendienst teilweise darauf angesprochen."

Catharinas Vater, der die Geschäfte zu der Zeit alleine verantwortete, hielt das Ganze erst für einen nicht ernst zu nehmenden Lausbubenstreich. "Der Papa sagte am Anfang, ihr spinnt doch alle", erinnert sich die 33-Jährige. Albert Cramer, der Katholik, dem schon jeder Protestant suspekt ist, konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass seine Kunden glauben könnten, er sei Mitglied einer Sekte. Rückblickend hat er sich verschätzt, die ausgeprägte deutsche Boykottmentalität unterschätzt und wohl zu wenig gegengesteuert.

Cramer hatte seine anfängliche Leichtigkeit bald verloren

Das Fatale an Gerüchten ist, dass ihnen schwer beizukommen ist. Man raunzt sie sich am Tresen zu, sie stehen nicht in der Zeitung. Wer sie dennoch öffentlich dementiert, läuft Gefahr ihnen mehr Gewicht zu geben und weiteren Schub zu verleihen.

Die Juniorchefin Cramer versucht das Thema zu umschiffen. Wird sie nach den Gründen des Rückgangs gefragt, findet sie viele Antworten, nur das böse S-Wort kommt ihr erst mal nicht über die Lippen. Sie plaudert über Preissteigerungen, übers Rauchverbot, das Dosenpfand und über eine alternde Gesellschaft; die Einflüsse, die alle Brauer anführen, wenn sie ihre Rückgänge rechtfertigen müssen. Der Warsteiner-Rückgang in Deutschland war aber viel drastischer als der übliche Schrumpfkurs der Branche. Rund vier Millionen Hektoliter weniger als im Spitzenjahr 1994 verkauft Warsteiner heute noch in Deutschland. Zur Einordnung: für die Produktion einer dem Rückgang entsprechenden Menge würde die größte baden-württembergische Brauerei Rothaus alleine fünf Jahre benötigen.

Gerücht hat Warsteiner schwer getroffen

Cramer vergräbt ihren Kopf in den Händen als sie auf das Gerücht angesprochen wird. Der anwesende Pressesprecher ergreift das Wort und gibt der Brauerei-Chefin Zeit, sich zu fassen. Wenig später schaltet sich Cramer wieder ein und sagt: "Das hat uns getroffen." Wie ein Flächenbrand breitete sich das Gerücht aus, Albert Cramer sei Scientology-Mitglied, und die Sekte habe die Mehrheit an der damals größten deutschen Biermarke übernommen.

So wie sich die meisten erinnern, in welcher Situation sie vom Terroranschlag auf das World Trade Center erfahren haben, schießt der Juniorchefin sofort in den Kopf, an welchem Ort sie es erstmals gehört hat. Sie war 16 und besuchte die Klosterschule Meschede. "Mein Schuldirektor Pater Michael kam auf mich zu und sagte, es tue ihm leid mit den Gerüchten." Cramer macht eine Pause. "Ich wusste nicht, wovon er spricht." Inzwischen weiß sie es, und sie weiß auch, dass das Thema eine millionen-, wenn nicht sogar eine milliardenschwere Belastung fürs Unternehmen geworden ist. "Noch heute wird unser Außendienst teilweise darauf angesprochen."

Catharinas Vater, der die Geschäfte zu der Zeit alleine verantwortete, hielt das Ganze erst für einen nicht ernst zu nehmenden Lausbubenstreich. "Der Papa sagte am Anfang, ihr spinnt doch alle", erinnert sich die 33-Jährige. Albert Cramer, der Katholik, dem schon jeder Protestant suspekt ist, konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass seine Kunden glauben könnten, er sei Mitglied einer Sekte. Rückblickend hat er sich verschätzt, die ausgeprägte deutsche Boykottmentalität unterschätzt und wohl zu wenig gegengesteuert.

Cramer hatte seine anfängliche Leichtigkeit bald verloren

Das Fatale an Gerüchten ist, dass ihnen schwer beizukommen ist. Man raunzt sie sich am Tresen zu, sie stehen nicht in der Zeitung. Wer sie dennoch öffentlich dementiert, läuft Gefahr ihnen mehr Gewicht zu geben und weiteren Schub zu verleihen.

Albert Cramer hatte seine anfängliche Leichtigkeit bald verloren. Als sich das Thema nach einigen Wochen in den Geschäftsbüchern niederschlug, reagierte Cramer und schaltete noch im Frühjahr 1994 ganzseitige Zeitungsanzeigen unter dem Titel "Rufmörder gesucht". Darin hieß es: "Ausdrücklich dementiert die Warsteiner-Brauerei jede Art von Verbindung zu Scientology. Warsteiner auch nur in die Nähe einer verbrecherischen Geldwäscheorganisation, die unter dem Deckmantel der Religion ihre verblendete Ideologie weltweit verbreiten will und dabei vor nichts zurückschreckt, zu rücken ist so absurd wie haltlos." Niemand in Warstein ahnte zum damaligen Zeitpunkt, wie extrem der Absatz trotz des Dementis auf lange Sicht zurückgehen würde.

Der Ursprung der Rufmordkampagne wird branchenweit übrigens inzwischen in Norddeutschland, dort wo einige direkte Konkurrenten sitzen, angesiedelt. "Mein Vater sagt immer, er kann sich denken, wer das Gerücht gestreut hat." Als Jugendliche und junge Frau hat Catharina Cramer erlebt, wie es ist, wenn das Familienunternehmen sich im Abwärtsstrudel bewegt, wie es ist, vom Gipfel durchgereicht zu werden, während die Konkurrenten den Thron erklimmen. "Das zu sehen hat mir im Herzen wehgetan." Vor knapp zehn Jahren sah sich ihr Vater gar gezwungen, örtliche Mitarbeiter zu entlassen. "So etwas möchte ich nicht machen müssen", sagt die Juniorchefin. Die meisten Menschen in Warstein sprechen sie nach wie vor mit ihrem Vornamen an.

Warsteiner will international wachsen

Seit vier Jahren arbeitet die Absolventin der European Business School in London inzwischen an der Seite ihres Vaters in der Geschäftsführung der Brauerei. Auch sie konnte den Abwärtstrend nicht gleich stoppen und musste in dieser Zeit miterleben, wie Warsteiner nochmals eine halbe Million Hektoliter in Deutschland an Absatz verlor. Heute verkauft Warsteiner jedoch immer noch mehr Bier als 1980 am Start des Hypes. Wäre es also nicht klug, sich mit dem jetzigen Stand zufriedenzugeben, den einmaligen Ausflug in die höchsten Ausstoßsphären als glückliche Modeerscheinung zu verbuchen und in Ruhe weiterzuarbeiten? Cramer schrickt hoch und ruft erschrocken: "Nein, dazu bin ich viel zu ehrgeizig, wir wollen international wachsen."

Dass auch andere Erfolgsmarken wie Beck's zuletzt fast zehn Prozent weniger verkaufen konnten, könnte Beleg sein, dass alle großen Brauer früher oder später vom Thron gestoßen werden, die Karawane zieht immer weiter, zu immer neuen Bieren. "Wir konzentrieren uns nur auf uns", sagt Cramer. Sie ist zu gut erzogen, um über die Konkurrenz zu sprechen. Das Büro des Vaters ist wenige Meter entfernt.

Es wurde vergessen, den neuen Zeitgeist einzufangen

Wer die Verwaltungszentrale besucht, erkennt, dass bei allem Kampf gegen Rufmord womöglich vergessen wurde, den neuen Zeitgeist einzufangen. Die geschlossene Rezeptionstheke, die schweren Teppichböden, die goldenen Treppengeländer: alles versprüht den Charme der 80er und 90er Jahre. Ist Warsteiner vielleicht auch aus der Mode gekommen, weil die Marke im Gesamtauftritt zu feudal daherkommt? Cramer, die ihr Büro mit modernen weißlackierten Möbeln ausstatten und den Teppichboden entfernen ließ, widerspricht. Sie weiß aber auch: "Die Verpackung ist sehr wichtig."

Besonders bei Männern. Das merkt sie als Chefin am häufigsten bei Autobestellungen. "Der Typ des Dienstwagens ist Frauen nicht so wichtig", sagt sie amüsiert. "Ich sage meinen Männern immer, Jungs, das Wichtigste ist doch, dass ihr von A nach B kommt!" Gibt es denn auch Dinge, die Männer im Geschäftsleben besser können als Frauen? Cramer muss nicht lange überlegen, hält sich dann den Mund zu und traut sich doch noch: "Den Ego-Trip fahren können Männer eindeutig besser." Sie lacht.

Catharina Cramer sieht Frauen im Vorteil

Konzern: Auch die Marken Herforder, Paderborner, Weissenburg und die Hälfte von König Ludwig Weissbier gehören zur Warsteiner-Gruppe. 2010 setzte die Hauptmarke im Inland 2,15 Millionen Hektoliter ab, zusätzlich 550.000 Hektoliter im Ausland. 2010 betrug der Konzernumsatz (bei rund 4,5 Millionen Hektoliter) 563 Millionen Euro, zum Ertrag gibt es keine Angaben.

Leitung: Catharina Cramer wurde 1978 als jüngste Tochter von Albert und Marianne Cramer geboren. Ihre zwei Schwestern wollten die Braugruppe nicht leiten. Erste Berufserfahrung hat Cramer bei Pernod Ricard als Produktmanagerin für die Likörmarken Ramazotti und Becherovka gesammelt. Cramer lebt in Warstein, ihr Freund andernorts.

Frauenquote: Aus Sicht einer Unternehmenslenkerin würde Catharina Cramer eine Frauenquote keinesfalls begrüßen. "Wenn ich vorgeschrieben bekomme, wen ich einstellen muss, finde ich das blöd." Dennoch preist sie die Vorzüge der weiblichen Führung und spricht Frauen mehr Einfühlungsvermögen zu.