Der Fernbusmarkt ist noch nicht lange liberalisiert, doch die grünen Flix-Busse sind kaum mehr von deutschen Autobahnen wegzudenken. Flixbus-Gründer Jochen Engert erzählt im Interview vom Geschäftsmodell ohne eigene Busse und Fahrer und was andere Anbieter falsch gemacht haben.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin -

 

Flixbus hat mehr als 90 Prozent des deutschen Fernbusmarktes erobert und expandiert auch im europäischen Ausland mit großer Geschwindigkeit. Der Berliner Anbieter dominiert den Markt – Eine Gelegenheit, die Preise anzuheben?

Herr Engert, Flixbus hat in weniger als fünf Jahren 92 Prozent des deutschen Fernbus-Marktes erobert und große Wettbewerber wie die Bahn, Postbus und Megabus abgehängt. Hätten Sie sich das träumen lassen?
Ein so durchschlagender Erfolg stand nicht im Businessplan. Als mein Kompagnon André Schwämmlein und ich sichere Jobs bei einer Unternehmensberatung verließen und ins Busgeschäft einstiegen, hielten uns viele für verrückt. Als wir am 13. Februar 2013 als erster Anbieter unter der neuen liberalisierten Gesetzgebung zwischen München und Nürnberg losgefahren sind, hatten wir schon das klare Ziel, mit Partnern das größte Netz aufzubauen und ein führender Anbieter in Deutschland zu werden. Wir dachten aber nicht, dass Flixbus auch in Europa so schnell so groß wird.
Was hat Sie am Fernbus-Geschäft gereizt?
Neben unseren Beraterjobs hatten wir eine Promotion zu innovativen Verkehrssystemen begonnen. Als durch die Medien ging, dass der Fernbus-Markt liberalisiert werden soll, fanden wir das extrem spannend. Zumal der Wunsch gereift war, was Eigenes zu machen. Unsere Marktanalyse zeigte, dass der deutsche Busmarkt mit 4500 Unternehmen sehr mittelständisch geprägt ist und ein Geschäftsmodell erfolgreich sein kann, das voll auf Digitalisierung setzt, mit starker Marke und zentraler Online-Vertriebsplattform.
Flixbus hat keine eigenen Busse und Fahrer, dafür zahlreiche regionale Buspartner, die als Subunternehmer arbeiten. Wie kamen Sie auf dieses Geschäftsmodell?
In der Busbranche gab es so etwas vor Flixbus nicht. Erst hatten wir uns angeschaut, wie es wäre, eine Fernbus-Linie München-Stuttgart mit eigenen Bussen und Fahrern zu betreiben. Und zum Vergleich eine Fernbus-App zum reinen Onlinevertrieb. Beides fanden wir nicht so spannend. Das eine wäre teuer, das andere nur virtuell. Wir wollten ein echtes und relevantes Produkt, kombiniert mit einem digitalen Ansatz. So kamen wir bald auf unser heutiges Partner-Modell, das sich am Markt durchgesetzt hat.
Die Bahn, die Post und ausländische Konzerne wie Megabus und National Express haben viel größere Erfahrung und Tradition im Busgeschäft. Was haben sie falsch gemacht?
Busunternehmen gibt es schon lange, nicht aber den zentralen und digitalen Marken- und Online-Vertriebsansatz von Flixbus. Man unterschätzt gerne, wie viel Planung und Koordination in unserem Netz stecken. Wir steuern ja auch den gesamten Betrieb zentral und digital, designen jeden einzelnen Fahrplan, optimieren die Betriebskonzepte für unsere Buspartner bis hin zum Fahrerwechsel und übernehmen den gesamten Fahrscheinverkauf und die Kundenbetreuung. Wer das kann, ist klar im Vorteil. Unsere größte Stärke war zudem die Motivation unseres gesamten Teams und unserer Buspartner. Im Gegensatz zur Konkurrenz gab es für uns schlicht keinen Plan B.
Weder die Konkurrenten noch die Bahn können bei ihren oft sehr niedrigen Preisen mithalten. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Wer ein großes Netz, eine digitale Betriebssteuerung und viele regionale Buspartner hat, kann gemeinsam Synergien nutzen. Wir kennen die Reiseströme sehr genau und können Nachfrage und Angebot optimal zusammenbringen. So fahren wir am Freitag, wenn viele Wochenendpendler unterwegs sind, im Schnitt doppelt so viele Busse wie Dienstags. Es war eigentlich fast naturgegeben, dass im Fernbus-Markt ein großer Anbieter entsteht, der dieses Geschäft am besten versteht.
Wie schwer war es, Geldgeber und Buspartner zu finden?
Für unser Startup war es extrem wertvoll, mit Hotel.de-Gründer Heinz Raufer früh einen erfolgreichen Unternehmer als Business Angel zu haben. Zwei erfahrene Bus-Unternehmer kamen dazu, die bis heute auch als Partner erfolgreich Flixbus-Linien betreiben. Als die Medien mehr über Flixbus berichteten, meldeten sich mit Holtzbrinck Ventures und der Mobilitätssparte von Daimler bald die ersten Risikokapitalgeber, die unser Konzept spannend finden und bei innovativen Verkehrsangeboten dabei sein wollen.
Mittlerweile sind große US-Fonds mit an Bord.
Deutsche Risikokapitalgeber stoßen oft an Grenzen, wenn mehr Kapital für die Expansion nötig ist. Mit General Atlantic und Silverlake haben wir weitere Investoren gefunden, die das Busgeschäft sehr gut verstehen, an unser digitales Geschäftsmodell glauben und unser weiteres Wachstum in Europa unterstützen wollen. Das hilft uns natürlich auch auf internationalem Level, Buspartner zu finden, die Flixbus vertrauen.
Es gab Schlagzeilen, dass Buspartner von Flixbus wieder ausgestiegen sind, weil sie als Subunternehmer kaum etwas verdienten . . .
Das sind Einzelfälle. Die allermeisten Partner sind dauerhaft an Bord, sind mit uns erfolgreich gewachsen und haben eigenes Geld in neue Fahrzeuge und Fahrerpools für unsere Linien investiert. Das ist für uns die größte Auszeichnung, denn diese Mittelständler machen das Geschäft oft seit Jahrzehnten und rechnen mit spitzem Bleistift. In unserem Konzept profitieren auch die Buspartner, wenn eine Linie gut läuft. Das erhöht den Anreiz, den Fahrgästen besten Service und Pünktlichkeit zu bieten.
Welche Kundengruppen fahren mit Flixbus?
Ein Drittel unserer Fahrgäste ist zwischen 18 und 25 Jahre alt, zumeist Studenten, Azubis, Berufseinsteiger und junge Familien. Jeder vierte Kunde ist über 50, jeder zehnte sogar über 65 Jahre alt. Auch Geschäftsreisende fahren immer häufiger mit uns, zum Beispiel zwischen München und Zürich. Und gut 60 Prozent der Flixbus-Nutzer sind übrigens Frauen.