Nach 23 Jahren gibt es dank beharrlicher Polizeiarbeit im Mordfall Aichele eine Spur vom Täter, der eine ganze Familie zerstört hat.

Stuttgart - Es gibt noch manches, das an sie erinnert. Bilder an der Wand. Das Poesiealbum. Eine letzte Ruhestätte auf dem Hauptfriedhof in Steinhaldenfeld. "Heimtückisch ermordet", haben ihre Eltern auf den Grabstein schreiben lassen.

Es gibt noch manches, das an sie erinnert. Ihre Schwester. Die Freunde. Eine Mutter. Seit mehr als 23 Jahren quält sich Waltraud Aichele in ihrer Wohnung, die voll ist mit Bildern einer untergegangenen Vergangenheit, mit einer bohrenden Frage. Wer hat ihre Tochter umgebracht, damals in jener bitteren Nacht?

Es gibt noch manches, das an sie erinnert. Kleiderfetzen. Bruchstücke der Monatskarte. Winzige Spuren. Hans-Peter Schühlen kümmert sich darum. "Kellerkommissar", nennen ihn die Kollegen im Stuttgarter Polizeipräsidium. Schühlen ist für die Altfälle zuständig. Ein Zauberer ist er nicht, aber ein beharrlicher Beamter. Jetzt hat er eine habhafte Spur im Fall Aichele aufgetan. Sie nährt die Hoffnung, dass der Mörder doch noch gefasst werden kann.

Anja fährt noch schnell in de Jugendclub


Bad Cannstatt, Muckensturm. 27. März 1987. Es ist ein stürmischer Freitag, kalt und ohne großartige Versprechen. Anja Aichele, 17 Jahre alt und bildhübsch, sitzt zu Hause und klebt Fotos ins Album. Plötzlich fällt ihr ein, dass sie noch in den Konfirmandenclub sollte, weil sie jemand fünf Mark schuldet. Sie hatten eine Woche zuvor Pizza gebacken und die Kosten der Zutaten auf alle in der Gruppe umgelegt. Also macht sie sich auf zur Luthergemeinde unweit des Kursaals. Ihre Eltern wundern sich. Es ist das erste Mal, dass Anja ohne ihre Freundin zum Treffen der Jugendgruppe fährt. Sie will um 21.30 Uhr zurück sein.

Waltraud und Heinrich Aichele bleiben mit ihrer zweiten Tochter Stefanie zu Hause. Das TV-Programm lässt hoffen an diesem tristen Tag. Im Ersten läuft um 20.15 Uhr ein Western mit Henry Fonda. "Höchster Einsatz in Laredo". Im Zweiten klärt "Der Alte" seinen nächsten Mord.