Seit dem 14. Juli harren die Gegner von Stuttgart 21 am Nordflügel des Hauptbahnhofs aus. StZ-Online war einen Tag lang dabei.
27.07.2010 - 08:10 Uhr
Stuttgart - Seit dem 14. Juli harren die Gegner von Stuttgart 21 am Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs aus. Tag und Nacht, bei Hitze und Regen kann man sie gleich neben dem Nordausgang finden. Ihre Mahnwache haben sie "Basislager Nordflügel" getauft. StZ-Online hat sie einen Tag begleitet. Ein Protokoll.
9.15 Uhr
Bereits jetzt sind rund 25 Männer und Frauen aus allen Teilen der Bevölkerung um den Protestpavillon versammelt. Ein älterer Herr fegt den Platz, für Zigarettenkippen stehen Behälter bereit. Die Leute von der Mahnwache, die die Nacht direkt am Bonatz-Bau verbracht haben, strecken sich und reiben sich den Schlaf aus den Augen. Eine ältere Dame bringt Brötchen und frischen Kaffee. Immer wieder bleiben Passanten kurz stehen, nehmen Info-Material mit und solidarisieren sich mit den Leuten von der Mahnwache. Polizei und der private Sicherheitsdienst der Bahn patrouillieren im Halbstundentakt.9.45 Uhr
Die Befürworter des Kopfbahnhofs (K 21) haben sich einiges einfallen lassen. Es gibt kleine Buttons, Aufkleber mit verschiedenen Slogans und zahlreiche Informationsbroschüren. Eine Broschüre zeigt den Schlossgarten als grüne Oase und während der Baustelle als braune Wüste. Finanziert werden die Werbematerialien ausschließlich über Spenden. So mancher Euro wandert in die Spendenbox.Plötzlich füllt sich der Platz mit Jugendlichen. Ein Lehrer besucht mit seiner Schulklasse die Mahnwache und erklärt den Schülern die Bedeutung des Bonatz-Baus und die Auswirkungen von Stuttgart 21. Viele Schüler nehmen sich Aufkleber und Buttons mit, andere äußern sich ganz klar für Stuttgart 21.
10.30 Uhr
Es wird etwas leerer, dennoch sind die Mitglieder der Mahnwache nie alleine. Ungefähr ein Dutzend Unterstützer sind noch da. Eine ältere Dame, die in der Nähe ihren Gemüsegarten hat, kommt vorbei, um einen Schwatz zu halten. Sie ist von Kopf bis Fuß in Grün gekleidet, der Farbe von K 21. Als sich die Sonne zeigt, packen die Initiatoren ihre Solarkollektoren aus und laden ihre Handys auf. Ein junger Mann jongliert. Mitarbeiter einer Reinigungsfirma entfernen Slogans, die die Stuttgart-21-Gegner mit Kreide auf den Boden gemalt haben. Kaum sind die Reinigungskräfte verschwunden, macht sich das Mahnwachen-Team wieder an die Arbeit. Einer berichtet, dass die Botschaften regelmäßig entfernt würden. Eine Hase- und Igel-Spiel.11.45 Uhr
Aktivisten verteilen Flyer an Büroangestellte, die auf dem Weg zur Mittagspause sind. Die Zahl der Menschen an der Mahnwache nähert sich wieder 25. Einige nehmen sich Zeit, hören zu und packen die Flyer ein, Bahnmitarbeiter zeigen ihren Dienstausweis und eilen weiter. Eine Stuttgarterin baut einen Notenständer auf und spielt auf ihrer Geige traurige Melodien. Auch während der hektischen Mittagspause tragen sich Passanten in Unterstützerlisten ein. Jemand bringt Eiscreme - in der Mittagshitze eine willkommene Spende.13.15 Uhr
Ein Sympathisant der Links-Partei schwenkt eine Fahne. Die Leute von der Mahnwache fordern ihn auf, die Fahne wegzupacken. Die Demonstranten wollen sich von keiner Partei instrumentalisieren lassen. Das Bündnis gegen Stuttgart 21 ist vielfältig. Im Laufe des Tages trifft man junge Menschen, die ein freiwilliges ökologisches Jahr absolvieren, Schüler, Zivildienstleistende, aber auch ältere Berufstätige oder Rentner, der sich zum ersten Mal in seinem Leben an einer Demonstration beteiligen. Der Pressesprecher der Initiative, Matthias von Herrmann, hat sich für die Zeit der Mahnwache Urlaub genommen. Immer wieder hört man von Teilnehmern, dass sie bis jetzt überzeugte CDU- oder SPD-Anhänger waren, sich aber durch Stuttgart 21 bei der Landtagswahl 2011 wohl anders entscheiden wollen. Eine ältere Teilnehmerin auf die Frage, ob man Stuttgart 21 überhaupt aufhalten könne: "Es ist nie zu spät, ich würde nicht hier stehen, sondern im Café Schwarzwälder Kirsch-Torte essen, wenn ich nicht an unseren Erfolg glauben würde."Deutlich sichtbar tragen die K-21-Unterstützer ihre Ablehnung von Stuttgart 21 zu Schau. Man findet die Aufkleber oder Buttons auf Mützen, T-Shirts, Taschen, Pullis und Rädern. Eine ältere Dame hat ihren Rollator mit einem Aufkleber ausgestattet. Sie fürchtet massive Verschlechterungen für ältere oder behinderte Menschen durch Stuttgart 21.