Mit neun Jahren hat ein Mädchen in Mexiko ein Baby zur Welt gebracht. Dieser Fall einer extrem jungen Mutter wirft Fragen auf – etwa, wie früh Pubertät eigentlich einsetzt. Der Berliner Jugendmediziner Dirk Schnabel erklärt im Interview, dass es das häufiger gibt als gedacht: Mädchen, die schwanger werden.

Psychologie und Partnerschaft: Eva-Maria Manz (ema)
Berlin – Der Endokrinologe Dirk Schnabel ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und Pädiatrische Endokrinologie an der Berliner Charité-Klinik. Schon lange beschäftigt er sich mit der geschlechtlichen Entwicklung von Kindern. Im StZ-Interview erklärt er, wie früh die Pubertät bei Kindern einsetzen kann.
Herr Schnabel, können Sie den Eindruck bestätigen, dass Mädchen immer früher in die Pubertät kommen und geschlechtsreif werden?
Nein. Das hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht verändert. Man muss aber unterscheiden: erste Pubertätsmerkmale sind Brustentwicklung oder Schambehaarung. Das setzt im Schnitt mit etwa acht Jahren ein. Das heißt aber noch nicht, dass die Mädchen bereits geschlechtsreif sind. Erst mit dem Einsetzen der Regelblutung werden Mädchen geschlechtsreif, das geschieht im Schnitt im Alter von zwölf oder zwölfeinhalb Jahren.

Fälle wie jener der neunjährigen Mutter aus Mexiko sind also Ausnahmen?
Ja. Die gibt es aber häufiger als man glaubt. Ich sehe etwa fünf bis zehn Kinder im Jahr, die bereits mit drei Jahren in die Pubertät kommen. Manchmal wird das durch einen Tumor ausgelöst. Oft hat es aber gar keine organischen Ursachen. Da diese Kinder ein Leben lang kleinwüchsig bleiben würden und psychosoziale Probleme bekämen, steuert man mit Medikamenten gegen – so lange, bis sie in ein Alter kommen, in dem es normal ist, dass die Pubertät einsetzt.

Woran liegt es, dass viele dennoch den Eindruck haben, Kinder kämen heute früher in die Pubertät?
Das ist wohl auch deshalb so, weil wir immer mehr übergewichtige oder adipöse Kinder haben. Mädchen haben dann manchmal eine fettbedingte Brust. Außerdem können sie früher eine Schambehaarung haben – das liegt allein an der erhöhten Aromatase-Aktivität im Fettgewebe. Durch dieses Enzym werden vermehrt Androgene gebildet, die für die Schambehaarung zuständig sind. Mit dem Einsetzen einer echten Pubertät hat das nichts zu tun.

Man kann nicht sagen, dass übergewichtige Kinder früher geschlechtsreif werden?
Nein. In einer Studie mit etwa 1840 Berliner Schulkindern im Alter zwischen zehn und 15 Jahren haben wir das vor einigen Jahren heraus gefunden. Das sogenannte mittlere Menarchealter lag laut der Studie bei schlanken und übergewichtigen Kindern gleichermaßen bei 12,8 Jahren.

Was raten Sie Eltern, die das Gefühl haben, ihr Kind käme viel zu früh in die Pubertät?
Sie sollten erst einmal überprüfen, ob ihr Kind vielleicht einfach ein wenig übergewichtig ist. Sie sollten das Wachstum ihrer Kinder beobachten, denn eine vorzeitige Pubertätsentwicklung geht auch immer mit einem beschleunigten Wachstum einher. Und sie sollten gegebenenfalls einen pädiatrischen Endokrinologen aufsuchen. Oft fällt ein zu frühes Einsetzen der Pubertät nicht auf, wenn ein Kind vernachlässigt wird oder in einem Heim aufwächst, in dem man sich nicht so sehr um jedes einzelne Kind kümmern kann. Dann kann es zu solch dramatischen Fällen kommen wie der der neunjährigen Mutter aus Mexiko.