Abwehrkampf gegen Unicredit Welche Risiken bei einer Übernahme durch Unicredit drohen
Die Commerzbank will nicht italienisch werden. Chefin Orlopp warnt vor Risiken einer Übernahme durch Unicredit. Bangen müssen vor allem die Beschäftigten.
Die Commerzbank will nicht italienisch werden. Chefin Orlopp warnt vor Risiken einer Übernahme durch Unicredit. Bangen müssen vor allem die Beschäftigten.
Die italienische Großbank Unicredit greift nach dem zweitgrößten privaten deutschen Geldhaus Commerzbank – das wehrt sich nach Kräften gegen eine drohende feindliche Übernahme. Der Betriebsrat kündigt erbitterten Widerstand an, die neue Vorstandsvorsitzende warnt mit düsteren Szenarien vor negativen Folgen einer Fusion. Tatsächlich zeigt die Geschichte der Hypovereinsbank (HVB), die bereits im Jahr 2005 von den Italienern geschluckt wurde, dass sich die Beschäftigten der Commerzbank bei einem Zusammenschluss auf tiefe Einschnitte gefasst machen müssten.
Ende September führten Topvertreter von Commerzbank und Unicredit erste Gespräche. Offiziell hat jedoch niemand die Absicht, eine Übernahme zu verhandeln – zumindest nach Darstellung der Commerzbank. „Es war ein klassisches Investorengespräch“, sagte Bankchefin Orlopp dem „Handelsblatt“. In ihrem ersten Interview, seit sie vor wenigen Wochen an die Unternehmensspitze befördert wurde, spielte Orlopp die Bedeutung des Spitzentreffens herunter. Unicredit sei jetzt ein größerer Aktionär und da gehöre der professionelle Austausch zur geschäftlichen Entwicklung der Commerzbank dazu.
Das klingt nach Pfeifen im Walde. Denn von normaler Investorenpflege kann eigentlich keine Rede sein. Unicredit hat sich innerhalb kürzester Zeit in großem Stil als ungebetener Gast bei der Commerzbank eingenistet. Die Italiener haben sich nach eigenen Angaben Zugriff auf bis zu 21 Prozent der Anteile am deutschen Geldinstitut gesichert und bei der Bankenaufsicht beantragt, ihre Beteiligung auf bis zu 29,9 Prozent weiter zu erhöhen. Damit wären sie nicht – wie Orlopp es formuliert – „ein größerer“, sondern der mit Abstand größte Aktionär vor dem Bund, der aufgrund des Staatseinstiegs im Zuge der großen Finanzkrise 2008 noch immer zwölf Prozent hält.
Unicredit-Chef Andrea Orcel hat aus dem Interesse, das deutsche Geldhaus zu übernehmen, von Anfang an keinen Hehl gemacht. „Eine Zusammenführung beider Banken könnte zu einem erheblichen Mehrwert für alle Stakeholder führen und würde einen deutlich stärkeren Wettbewerber auf dem deutschen Bankenmarkt schaffen“, warb er im September im „Handelsblatt“. Angesichts von energischem Widerstand aus Frankfurt und auch aus der deutschen Regierung, wo Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) höchstpersönlich Bedenken äußerte, betonte Orcel zwar zuletzt, dass bei großen Fusionen Einigkeit beider Seiten nötig sei. Doch so leicht dürfte er kaum klein beigeben.
Da Unicredit schon einen Fuß in der Tür hat und die Bankenaufsicht gegen eine Übernahme keine Einwände haben dürfte, sind die Abwehrmöglichkeiten begrenzt. Commerzbank-Chefin Orlopp versucht, bei Investoren Zweifel am Plan von Unicredit zu schüren, indem sie generelle Probleme von Großbankenfusionen betont. So sei die Commerzbank nach der Übernahme der Dresdner Bank 2008 mehrere Jahre damit beschäftigt gewesen, die Systeme zusammenzuführen. „Einen solchen Stillstand können wir uns in der heutigen Zeit, die von so vielen technologischen Umbrüchen und von einem sehr intensiven Wettbewerb geprägt ist, nicht leisten“, sagte sie dem „Handelsblatt“.
Zudem warnt Orlopp vor Kreditengpässen in Deutschland, wo die Commerzbank als wichtiger Mittelstandsfinanzierer gilt. „Bei den Firmenkunden gibt es zwischen der deutschen Unicredit-Tochter HVB und uns große Überlappungen. Im Falle einer Fusion müssten die Kreditengagements bei einigen Unternehmen reduziert werden, um Klumpenrisiken zu verhindern.“ Außerdem könnte das Kreditrating leiden und so zu höheren Kapitalkosten führen. „Wir würden Kunden verlieren, die bestimmte Ratinganforderungen haben, und nur mit Banken mit sehr guten Bonitätsnoten Geschäfte machen.“ Bei der US-Ratingagentur S&P liegt die Kreditbewertung der Commerzbank mit „A“ derzeit drei Stufen über der von Unicredit.
Die Arbeitnehmerseite schaltet auf Angriff. „Wir werden mit unserem Widerstand ganz Deutschland überraschen. Wir werden so laut sein, dass sich das jeder Investor gut überlegen wird“, sagte der Vizebetriebsratschef Sascha Uebel der „Süddeutschen Zeitung“. „Unicredit wird sich mit uns die nächsten zehn Jahre rumprügeln müssen.“
Aus Sicht der Beschäftigten besteht tatsächlich großer Grund zur Sorge. Das zeigt ein Blick auf die Entwicklung bei der HVB, die Unicredit-Chef Orcel wegen ihrer gesteigerten Eigenkapitalrendite als Blaupause für die vermeintlichen Vorzüge eines Commerzbank-Kaufs anführt. In den knapp zwei Jahrzehnten seit der Übernahme durch Unicredit ist die Mitarbeiterzahl der HVB um mehr als die Hälfte auf 9689 (Stand Ende Juni 2024) gesunken. In den vergangenen Jahren war zwar auch die Commerzbank auf Sparkurs, die HVB übertraf sie aber noch deutlich. Seit Ende 2020 baute die Unicredit-Tochter rund 20 Prozent ihrer Stellen ab, bei der Commerzbank fielen rund 12 Prozent weg.