Affäre um heimliche Intim-Fotos Merz-Schule verteidigt ihr langes Schweigen

Das Internat der Merz-Schule an der Geroksruhe Foto: Andreas Müller

Warum hat die private Merz-Schule nicht offensiver über einen Ex-Betreuer informiert, der heimlich intime Fotos von Schülern gemacht hat? In einem Rundschreiben nennt der Schulleiter jetzt die Gründe.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Nach dem Bekanntwerden von Pornografie-Vorwürfen gegen einen einstigen Internatsbetreuer verteidigt die private Stuttgarter Merz-Schule ihre lange zurückhaltende Informationspolitik. In einem Rundschreiben an aktuelle und ehemalige Internatsschüler sowie deren Eltern begründet der Geschäftsführende Schulleiter Frederik Merz die Entscheidung, über den Verdacht „nicht sofort umfassend die gesamte Schulgemeinschaft zu informieren“. Erst durch einen Bericht unserer Zeitung war breiter bekannt geworden, dass gegen den Ex-Mitarbeiter wegen heimlicher Nacktaufnahmen von Schülern ermittelt wird. Die Staatsanwaltschaft prüft seit gut einem Jahr den Verdacht, der Mann habe sich kinder- und jugendpornografisches Material beschafft und durch versteckte Kameras den „höchstpersönlichen Lebensbereich“ von Schülern verletzt.

 

Laut dem Rundschreiben ging es bei der restriktiven Kommunikation nicht darum, „den guten Ruf der Schule bewahren zu wollen“. Dies war teilweise von Schülern und Eltern vermutet worden. Tatsächlich habe man „größtmögliche Verantwortung und Sorgfalt“ walten lassen wollen. Die von der Schule eingeschalteten Ermittlungsbehörden hätten darum gebeten, „in der sensiblen Phase der Untersuchungen sehr behutsam mit der Weitergabe von Informationen umzugehen“. Dies habe nicht nur der Sicherung von Beweisen gedient, argumentiert Merz, sondern „auch und gerade dem Schutz der betroffenen Jugendlichen sowie der Wahrung ihrer Privatsphäre“. Weil das Internat nur über 30 Plätze verfüge und nur ein Teil der dort wohnenden Schüler betroffen war, hätten sich leicht Rückschlüsse auf die Identität Einzelner ziehen lassen – „was es unbedingt zu vermeiden galt“.

Beschuldigter schweigt zu den Vorwürfen

Die Vorwürfe gegen den Betreuer waren Anfang 2024 durch Hinweise von ehemaligen Schülern bekannt geworden. Der Mann soll nicht nur versteckte Kameras etwa in Duschräumen installiert haben, sondern auch über soziale Medien Kontakt zu männlichen Schülern aufgenommen haben. Er äußert sich bislang nicht zu den Vorwürfen. Nach dem Bekanntwerden der Vorgänge war er von der Merz-Schule fristlos gekündigt worden. Auch der Christliche Verein Junger Menschen (CVJM) in Remshalden-Grunbach, für den er als ehrenamtlicher Betreuer tätig war, trennte sich von ihm. Ob es auch dort zu Vorfällen kam, ist bislang unklar; dem Verein ist davon nichts bekannt.

Nach den Worten von Merz ist der Schule „bewusst, dass solche Vorfälle das Vertrauen in eine Bildungseinrichtung infrage stellen können“. Gerade dank dem Vertrauen und der Mithilfe einstiger Schüler habe man aber den Vorwürfen nachgehen und „gemeinsam Schlimmeres verhindern“ können. „Wir haben aus dieser bitteren Erfahrung in unserem Internat viel gelernt“, betont der Schulleiter. Die Sicherheitsvorkehrungen seien überprüft und verschärft worden, mit den betroffenen Schülern und deren Familien habe man persönlich gesprochen; ihnen sei eine „intensive sozialpädagogische Unterstützung“ angeboten worden. Zudem sei die Schutzkonzeption überarbeitet und seien Fortbildungsmaßnahmen in die Wege geleitet worden. Das Bewusstsein für die Verantwortung der Erwachsenen müsse „immer wieder erneuert und geschärft werden“, betont Merz. „Nachhaltiger Kinderschutz geht in der Praxis immer deutlich über die Vereitelung von Straftaten hinaus.“

Kritik an Berichten der Medien

In einer Begleitmail zu dem Rundschreiben äußert sich Frederik Merz kritisch über die Medienberichte. Diese hätten alle Beteiligten nach den Ereignissen im Vorjahr „erneut hart und unvermittelt getroffen“. Enttäuscht zeigte er sich über die Art und Weise der Berichterstattung, „da sie die Komplexität und Schwere der Gesamtsituation für die betroffenen Jugendlichen und deren Familien nicht widerspiegelt“. Während der SWR Schule und Verein namentlich benannte, schrieb die dpa nur von „einer Privatschule“ und „einem christlichen Jugendverein“.

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