Am 18. April ist der Tag des Amateurfunks. In Leonberg und Rutesheim ist eine Ortsgruppe auch nach fast 55 Jahren noch aktiv und sendet in alle Welt.

Die Stimme ist abgehackt und verzerrt, das Rauschen stark. Immer wieder gibt sie Kennungen durch, eine englischsprachige Aneinanderreihung von Buchstaben im Nato-Alphabet und Zahlen. Ab und zu garniert mit einem Gruß. „Hello, my friend from Germany“, heißt es etwa. Dirk Eifler ist damit an diesem Tag leider nicht gemeint. Immer wieder spricht der Amateurfunker aus Stuttgart seine eigene Kennung ins Mikrofon, kommt damit aber nicht durch.

 

Der andere Funker sitzt in Israel. „Er hat aber eine besondere Kennung, deswegen suchen alle den Kontakt mit ihm“, erklärt Uli Kretschmer, der neben Eifler steht. Beide leiten die Ortsgruppe Leonberg/Rutesheim des Deutschen Amateur-Radio-Clubs, deren Domizil befindet sich im Keller des Schützenhauses Rutesheim.

Mit dem Nato-Alphabet in die Welt

„Irgendwas stimmt mit der Antenne nicht“, sagt Eifler. Per Regler versucht er eine Neuausrichtung, schließlich geht er nach draußen. Direkt neben dem Schützenhaus, mitten im Wald, steht eine zehn Meter hohe Antenne. Die ist hier gemeinsam mit den Amateurfunkern 2010 eingezogen. Die Ortsgruppe selbst gibt es aber schon seit Oktober 1970, dieses Jahr wird also der 55. Geburtstag begangen.

Dirk Eifler versucht weiter sein Glück. „Delta Kilo One Delta Kilo Echo“, sagt er immer wieder ins Mikro, dreht an den Reglern, um die Verbindung zu verbessern. „Da funken jetzt Hunderte, aber nur die mit der besten Technik kommen durch“, sagt Kretschmer. Warum dieser Kontakt so begehrt ist? Amateurfunker sind auch Sammler. Für jeden bestätigten Funkkontakt wird als Beweis gegenseitig eine Karte zugesandt. Ein Karteikasten in den Clubräumen, in denen die meisten 72 Mitglieder der Ortsgruppe ihre Schätze aufbewahren, zeugt davon.

Auch bei Wettbewerben wird gesammelt, etwa wer innerhalb von 24 Stunden die meisten Kontakte zu anderen Funkern hat. Dann senden Leonberger gemeinsam unter ihrer Kennung „DF 0 LEO“. Kretschmer und Eifler sind begeistert bei der Sache, erklären, wie funken rein technisch überhaupt funktioniert, die verschiedenen Techniken, Grußformeln und Kennungen. Männer sind OM (Old Men), Frauen die YL (Young Ladies), Ehefrauen von Mitgliedern die XYL. Neben den Sammlern gebe es natürlich auch die „Quasselstrippen“, die den Funk zum Unterhalten nutzten.

Funkpeilen ist die sportliche Variante

Eine ganz andere, nämlich eine sportliche Variante, ist das Amateurfunkpeilen. Hier werden bei einer „Fuchsjagd“ Sender im Gelände versteckt, die mit kleinen tragbaren Empfängern angepeilt und dadurch gefunden werden soll. Auch bei solchen Veranstaltungen sind die Leonberger aktiv. „Sonst würden wir ja gar nicht mehr rauskommen“, scherzt Uli Kretschmer.

Diese Kartel, QSL genannt, erhalten die Funker für jeden Kontakt. Foto: Simon Granville

Der 74-Jährige Eltinger ist erst seit drei Jahren Mitglied der Ortsgruppe, „aber das war schon immer mein Traum“. Dirk Eifler dagegen ist seit 1977 begeisterter Funker. „Ich stamme aus der DDR und habe dort wegen Ärger mit den Behörden keine Lizenz bekommen“, berichtet der 61-Jährige. Das heimlich Funken hatte für den Neustrelitzer etwas von Freiheit. 1991 zog es ihn in den Westen und er wurde endlich offiziell Amateurfunker.

Einmal die Woche treffen sich die Funker auf der Welle, einmal im Monat in Person. Regelmäßig gibt es seit 1985 zudem Kontakt zu Funkern in der Leonberger Partnerstadt Belfort.

Back-up im Katastrophenfall

Doch ist das Hobby angesichts von Internet und sozialen Medien, die blitzschnelle Kommunikation nicht nur in Wort sondern auch in Bild ermöglichen, nicht ein wenig aus der Zeit gefallen? Beide lachen. Das mag schon sein. „Aber wer weiß denn, wie diese Technik tatsächlich funktioniert? Und kann ich sie im Notfall selbst zusammenbauen?“, lauten die Gegenfragen. „Der Gag am Amateurfunken ist, dass man mit einfachster Technik und einem kleinen Gerät in die ganze Welt funken kann“, sagt Dirk Eifler. Dafür reichten schon fünf Watt Leistung, die Geräte kann man auch mit einer Autobatterie versorgen.

Mit dieser Kennung funkt die Ortsgruppe bei Wettbewerben. Foto: Simon Granville

Das kann tatsächlich überlebensnotwendig werden. So hatten die Amateurfunker während des Elbe-Hochwassers 2013 ein Notfunknetz aufgebaut und darüber Informationen zwischen verschiedenen Hilfseinrichtungen übermittelt. Ein anderes prominentes Beispiel ist das Münchner Oktoberfest, bei dem ein Notfunknetz als Back-up bei der Überlastung der regulären Netze bereitsteht.

Aber auch bei den Amateurfunkern hat die digitale Technik Einzug gehalten. „FT8 ist gerade der Hype“, sagt Eifler. Etwa eine Million der 2,8 Millionen Amateurfunker nutzen mittlerweile diese Technik, die ohne Sprachkommunikation auskommt. Ob es hilft, auch mehr jüngere Mitglieder zu gewinnen? Dirk Eifler ist wenig optimistisch. „Wir haben schon viel versucht. Ferienprogramme, wir waren an Schulen, sogar im Physikunterricht. Aber da kam wenig Resonanz“, erzählt er. Vielleicht seien die Jüngeren heutzutage technisch einfach völlig überreizt.

Dann meldet sich ein Amateurfunker von den Virgin Islands, der Kontakt sucht. Bevor Dirk Eifler und Uli Kretschmer, die das Antennenproblem mittlerweile gelöst haben, sich wieder ihrem Hobby zuwenden, verabschieden sie sich mit dem typischen Funkergruß: 73 – herzliche Grüße.

Funk und Frequenzen

Amateurfunk
Weltweit gibt es derzeit etwa 2,8 Millionen Amateurfunker. Der Funk ist international geregelt und muss unverschlüsselt sein. Auf nationaler Ebene benötigt man Lizenzen, die es in verschiedenen Stufen gibt. Staatlich geprüfte Funkamateure dürfen in Deutschland zum Teil selbst gebauten Sende- und Empfangsgeräten nutzen. Möglich sind Kontakte als Telefonie (Sprechfunk), Telegrafie (Morsen) und Funkfernschreiben.

Frequenzen
Dem Amateurfunkdienst sind international diverse Frequenzbereiche zugewiesen, innerhalb derer die Sende und Empfangsfrequenzen frei gewählt werden dürfen. Kurzwelle: neun Bänder zwischen 1,8 und 30 MHz. Mittelwelle: 472 bis 479 kHz.

CB-Funk
Dem CB-Funk (Citizen Band Radio) sind Frequenzen am oberen Ende der Kurzwelle zugeteilt (26,565 bis 27,405 MHz), die Reichweite ist aber begrenzt auf den sogenannten Radiohorizont, je nach Antenne zwischen 30 und 80 Meter möglich. CB-Funk wurde häufig in Lkw oder Taxis eingesetzt.

BOS-Funk
Auch Behördenfunk genannt, da er von Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst und Bundeswehr verwendet wird. Die Kommunikation ist verschlüsselt und mittlerweile digital.