Im Rahmen einer sechsteiligen Serie bieten wir einen Blick hinter die Kulissen des Amtsgerichts. Heute stellen wir Familienrichterin Ann Luipold vor.

Bad Cannstatt - Im Rahmen einer sechsteiligen Serie werfen wir einen Blick hinter die Kulissen des Amtsgerichts Bad Cannstatt, das für den Stadtbezirk sowie für Untertürkheim, Obertürkheim, Feuerbach, Münster, Mühlhausen, Stammheim, Weilimdorf und Zuffenhausen zuständig ist. Heute stellen wir Familienrichterin Ann Luipold vor.

 

Was, wenn Eltern sich im Laufe ihrer Beziehung spinnefeind werden, sich trennen und es Streit wegen des Sorgerechts für die Kinder gibt? Was, wenn es im Fall einer Scheidung Streit über die Verteilung des gemeinsamen Hab und Gut gibt? Was, wenn die Vaterschaft angezweifelt wird? Mit solchen Problemen beschäftigt sich am Amtsgericht Bad Cannstatt seit mehr als zehn Jahren Familienrichterin Ann Luipold. An zwei Verhandlungstagen urteilt die 52-Jährige in etwa zehn Fällen pro Woche – den Rest der Zeit nutzt sie zur Vorbereitung. Denn viele Fälle brauchen entsprechenden Vorlauf: Vor einer Scheidung sind das auch mal mehrere Monate. Diese Zeit wird benötigt, um zum Beispiel Informationen zu Rentenansprüchen einzuholen. Denn Rentenansprüche, die Eheleute während der Ehe erworben haben, müssen verteilt werden. Anschließend ist oft schnell eine Entscheidung gefällt: „Wenn es zu einer einvernehmlichen Scheidung kommt, kann die Verhandlung schon nach einer Viertelstunde vorbei sein.“ In Ausnahmefällen, bei größeren Uneinigkeiten zwischen den Partnern, dauert ein Verfahren auch mehrere Jahre.

Lebendigkeit begeistert

Komplizierter wird es im Verhandlungssaal auch dann, wenn die Parteien im Clinch liegen und die Gemüter erhitzt sind oder wenn wegen Sprachschwierigkeiten ein Dolmetscher benötigt wird. Dann muss die Familienrichterin während der Verhandlung moderieren, „sodass jeder zu Wort kommt“ und gleichzeitig Protokoll führen. Denn bei Zivil- und Familiensachen wird – im Gegensatz zum Strafrecht – kein Protokollführer im Gerichtssaal eingesetzt. Um dieser Belastung gewachsen zu sein und sich rechtlich auf dem aktuellen Stand zu halten, nimmt die Familienrichterin regelmäßig an Fortbildungen teil. Aber „die Lebendigkeit“ ist es auch, die sie an ihrer Aufgabe begeistert. Manchmal sei es zwar anstrengend, weil kurzfristig eine Lösung gefunden werden müsse, aber insgesamt schätze sie die Abwechslung, die ihr Beruf mit sich bringt. Familienrecht ist für Luipold spannend, weil in vielen Verfahren einvernehmliche Lösungen gefunden werden und diese Kompromisse mehr Flexibilität zulassen, etwa wenn der Umgang mit den Kindern geregelt werden muss.

Entscheidung ohne mündliche Verhandlung

Zu den Aufgaben der Familienrichterin gehören auch sogenannte Eilverfahren. Das sind Anträge, über die schnellstmöglich entschieden werden muss: Etwa wenn ein Partner gewalttätigen Übergriffen in der Beziehung ausgesetzt ist oder bei Sorgerechtsverfahren mit Kindeswohlgefährdung. In diesen eiligen Fällen muss häufig vorläufig ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.

Das Familienrecht umfasst nur drei Viertel der Arbeitsstelle von Ann Luipold. Zu 25 Prozent ist sie Betreuungsrichterin. Das bedeutet, sie entscheidet bei Fragen der Unterbringung. Wenn es um die Unterbringung in Psychiatrien oder die Fixierung von Patienten geht. Auch ob ein Pflegepatient, der permanent aus seinem Rollstuhl fällt und sich verletzt, mit einem Gurt gesichert werden kann oder nicht, entscheidet die 52-Jährige. Um urteilen zu können, macht sie sich vor Ort ein Bild von der Situation. „Da ist man viel unterwegs“, sagt sie.

Vor ihrer jetzigen Tätigkeit war Luipold in der Rauschgiftabteilung der Staatsanwaltschaft Stuttgart, einer Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart sowie in ihren Anfangsjahren am Amtsgericht Bad Cannstatt tätig. Weil sie sich fachlich verändern wollte, hat es die Richterin vor mehr als zehn Jahren wieder nach Bad Cannstatt verschlagen.