Carlo Weber war einer der glorreichen Fünf, die im Büro Behnisch den Wettbewerbsentwurf für das Münchner Olympiastadion ersannen. Die Stuttgarter Galerie Sonnenberg zeigt nun Zeichnungen des Stuttgarter Architekten.
Zeichnen gehört wie das Schreiben mit der Hand zu den aussterbenden Kulturtechniken. Heute, wo man das Entwerfen von Architektur getrost KI und CAD überlassen kann, fühlen sich die Digital Natives unter den Architekten beim Anblick von Entwurfsskizzen wahrscheinlich an Höhlenzeichnungen erinnert. Schön, aber krass prähistorisch!
Die tollen Visualisierungen, die der Computer per Klick auswirft, täuschen jedoch leicht darüber hinweg, dass die Unfähigkeit zu zeichnen mit einem Mangel an Gestaltkompetenz einhergeht. „Malerei und Mathematik“ zählten für den Renaissancemeister Alberti daher zu den überzeitlichen, unverzichtbaren Künsten seines Jobs.
Carlo Weber, sein wesentlich jüngerer deutscher Berufskollege, sprach von der Erfahrung, dass beim Zeichnen „Gedankenskizzen und Zusammenhänge automatisch optisch gebündelt werden und in ihrer Unfertigkeit Spielraum für die Weiterentwicklung lassen“. Zeichnen ist Denken mit der Hand.
Weber war einer der glorreichen Fünf, die im Büro Behnisch den Wettbewerbsentwurf für das Münchner Olympiastadion ersannen. Ihm, dem gebürtigen Saarländer und 2014 verstorbenen Wahlstuttgarter, widmet die Galerie Sonnenberg im Jahr seines 90. Geburtstags unter dem Titel „Mit Stift und Papier“ eine Ausstellung seiner Zeichnungen.
Mehr hingehaucht als ausgemalt
Was man in den Jubiläumsschauen zum 50. der Olympiabauten schon sehen konnte, wird hier von den Kuratorinnen Elisabeth Spieker und Catherine Rennert jetzt ins Rampenlicht gerückt: der virtuose, elegante Zeichner Carlo Weber. Freihändig, mit traumhaft sicherem Strich fertigt er etwa einen Lageplan der Münchner Sportstätten an, der geradezu plastisch sichtbar macht, wie die Stadien in die künstlich geformte Landschaft des Olympiaparks organisch eingebettet sind, wie alles rund und fließend ist, wie alles Swing tanzt in dieser Architektur. Genauso lässig koloriert er seine Zeichnungen: Rosa, Hellblau, Rot, mehr hingehaucht als ausgemalt.
Seine meisterliche Beherrschung der Aquarelltechnik kommt auch in den Blättern aus den Reisetagebüchern zur Geltung, die den Architekten von seiner privateren Seite zeigen. Aber ob nun beruflich oder zum Vergnügen – ohne Zeichenstift begab er sich eigentlich nie außer Haus. Ein bisschen genauer hinschauen muss man dann aber, um Carlo Webers anekdotische Ader zu entdecken.
Häuser dienen keinem Selbstzweck
In viele Darstellungen zeichnet er winzige Alltagsszenen hinein – wie zwei im Hof der Ingenieurschule in Ulm Tischtennis spielen, wie Turngeräte in einer Sporthalle aus dem Lagerraum geholt werden, wie einer im Foyer des Kurgastzentrums von Bad Salzuflen am Telefon hängt. Häuser dienen keinem Selbstzweck, bezeugen seine Figürchen, in ihnen muss gelebt werden. Nebenbei kann man die Pilzstützen der Kuranlage bestaunen, mit denen sich Weber vor Frank Lloyd Wright verbeugt.
Mit Fritz Auer, seinem Freund seit Studienzeiten und Partner bei Behnisch, gründete er 1980 sein eigenes erfolgreiches Büro. Aus dieser Zeit stammen Zeichnungen zum Ruhrfestspielhaus in Recklinghausen, dem Theater in Hof oder auch dem Amazonienhaus in der Stuttgarter Wilhelma. Den Schlusspunkt im Leben wie in der Ausstellung setzt sein letztes Werk, der Orgelprospekt der Konstantin-Basilika in Trier. Im Büro hätten sie komisch geguckt bei diesem Projekt, berichtete der alte Weggefährte Christian Kandzia, aber der Architekt und Zeichner Carlo Weber wusste natürlich: Musik ist was fürs Auge.
Info zur Schau
Ausstellung
„Carlo Weber | Mit Stift und Papier“ Galerie Sonnenberg, Korinnaweg 50 A in Stuttgart, bis 27. Oktober, Sa/So 14 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung, Telefon: 0711/ 7657694