Architektur-Rekord in Wendlingen Das größte Holzparkhaus Deutschlands

Das Holzparkhaus am Wendlinger Bahnhof im Kreis Esslingen wächst rasch in die Höhe. Foto: Ines Rudel/Ines Rudel

Die Stadt Wendlingen wagt sich an Neuland heran: Das neue Parkhaus nahe des Bahnhofs soll aus Holz erbaut und zudem so gestaltet werden, dass es im Zweifel umgenutzt werden könnte.

Architektur/Bauen/Wohnen: Andrea Jenewein (anj)

Stephan Pinkel klopft auf Holz. Nicht aus Aberglauben, sondern von Berufswegen. „Das ist schon was!“, sagt er. Pinkel ist Geschäftsführer der Firma Die Holzbox aus Norddeutschland – und Spezialist für Holzbau. Derzeit ist er auf der Baustelle nahe des Bahnhofs in Wendlingen zugange, dort, wo zuvor die Parkplätze auf dem „BehrAreal lagen. Er erbaut ein neues Parkhaus aus Holz. Und obschon er bereits an vielen Holzbauprojekten beteiligt war, etwa bei größeren Wohnhäusern, beeindruckt ihn die Dimension des Parkhauses, das vom Stuttgarter Büro herrmann+bosch architekten geplant wurde.

 

Stuttgarter Architekten planen das Hochhaus

Dieses Büro hat das Vergabeverfahren der Stadt im September 2020 gewonnen. Zuvor war der Gemeinderat mit der Idee mitgegangen, dass in der Ausschreibung eine besondere Vorgabe steht: das Parkhaus soll aus Holz gebaut werden. „Da gibt es inzwischen auch einen Paradigmenwechsel, ein Bewusstsein dafür, dass es wichtig ist, den CO2-Ausstoß zu mindern – schließlich haben wir in Wendlingen nun auch einen Klimamanager eingestellt“, sagt Axel Girod, Bauamtsleiter der Stadt Wendlingen.

Ein Parkhaus aus Holz also, das wegen des erforderlichen Lärmschutzes auch noch eine Höhe von 18 Metern haben muss: Das war eine Herausforderung für die Architekten des Büros herrmann+bosch architekten. Nur einmal, in den 1980er Jahren, habe man überhaupt eines geplant, und dieses war damals natürlich nicht aus Holz, sondern aus Stahl, erinnert sich Ulrich Hanselmann von herrmann+bosch architekten. Doch man nahm sich der Aufgabe sehr gerne an – und mit Erfolg.

Mit dem Rohbau begann man im November 2022. Dabei entstanden etwa die beiden Treppenhäuser, die die Holzkonstruktion aussteifen. Seit dem 17. Juli dieses Jahres wird nun mit Holz in die Höhe gebaut. Und der Bau, der seitdem entstanden ist, ist schon erstaunlich stattlich: Das Erdgeschoss und das zweite Geschoss stehen, bald ist das dritte von insgesamt fünf Stockwerken fertiggestellt. „Das liegt an dem Stecksystem“, sagt Pinkel.

Die Holzbauteile aus zertifiziertem Fichtenholz aus Europa werden im Werk bei Biberach an der Riß gefertigt und mit einer Steckvorrichtungen versehen, werden dann per LKW nach Wendlingen gebracht und vor Ort zusammengesteckt. „Gut 100 LKW müssen dafür insgesamt hier anrücken“, sagt Pinkel, der zusammen mit seinen Arbeitern in zwei Wochen je ein Geschoss baut.

Abbrandsimulation gefordert

So lässt sich bereits recht gut die ungewöhnliche ovale Form des Parkhauses erkennen. Wie ein riesiges Skelett ragen die Holzträger in die Höhe. Im Inneren werden lediglich die Rampendecken und Treppenhäuser aus statischen und Brandschutzgründen aus Beton hergestellt. „Für den Brandschutz haben wir ein sehr erfahrenes Berliner Büro engagiert“, sagt Hanselmann. „Denn bei einem Parkhaus ist der natürlich noch einmal strenger.“

Das Brandschutzgutachten, das dem Landkreis Esslingen vorgelegt wurde, beinhaltete deshalb auch extra eine Abbrandsimulation. „Dabei zeigte sich, dass das Holz durch seine Massivität nicht abbrennen kann, die verkohlte Holzschicht isoliert vielmehr das Holz darunter“, sagt Girod.

Die Decken erhalten einen langlebigen Belag aus Gussasphalt. Das Park + Ride-Parkhaus soll neben 349 Stellplätzen auch zahlreiche E-Ladestationen für Autos und E-Bikes im Erdgeschoss sowie gesicherte Abstellmöglichkeiten für 150 Fahrräder bieten.

Durch die Leichtbauweise und den minimalen Einsatz der CO2-intensiven Materialien Stahl und Beton können große Mengen CO2 eingespart werden. „Wir können 2600 Tonnen CO2 im Vergleich zum Stahlbau einsparen“, sagt Hanselmann. Es werden keine Verbundmaterialien verwendet und nahezu alle Verbindungen verschraubt. So werden ein einfacher Rückbau, eine sortenreine Trennung und damit die Wiederverwendbarkeit der Materialien ermöglicht.

Auch die Umnutzbarkeit des Gebäudes ist gewährleistet, da die Geschosshöhen mit einer lichten Höhe von 2,35 Metern und zwischen den Trägern mit einer Höhe von 3,40 Metern geplant werden und nicht wie ein konventionelles Parkhaus mit einer lichten Höhe von 2,10 Metern. Höhe und Stützenfreiheit ermöglichen somit einen einfachen Umbau des Parkhauses in eine Wohn- oder Arbeitswelt mit schönem, natürlich belichteten Innenhof anstelle der mittig angesiedelten Fahrrampen.

Die Nordseite des Gebäudes erhält über alle Ebenen eine Schallschutzfassade aus transluzentem Profilglas. Dadurch wird die geplante Wohnbebauung des angrenzenden, sich derzeit im Entstehend befindenden Otto-Quartiers, das einst IBA-Projekt war, nun aber aufgrund eines Investorwechsels nicht mehr ist, vom Lärm des Parkhauses, der Bahntrasse und der Straßenbrücke abgeschirmt.

Auf der Südseite ist die Fassade offen – und dadurch attraktiver, allein schon durch die Sichtbarkeit der Holzkonstruktion sowie die Fassadenbegrünung des Gebäudes. Auch das Dach wird begrünt und eine Fotovoltaikanlage soll für erneuerbaren Strom sorgen. Zudem wirkt ein starkregenresilientes und klimagerechtes Regenwasserkonzept sich auf die vorhandene Vegetation aus, bietet verbesserten Überflutungsschutz und beeinflusst das Mikroklima vor Ort positiv.

Kosten höher als geplant

Die Kosten des Projekts haben sich hingegen weniger positiv entwickelt: „Eigentlich ist Holz günstiger als Stahl, aber wegen des Krieges in der Ukraine haben die Preise dauernd geschwankt“, sagt Girod. Generell hätte es eine Baukostensteigerung von über 20 Prozent gegeben. Dahingegen hätten sich die Fördergelder freilich nicht erhöht. Letztendlich werden sich die Kosten auf über zehn Millionen Euro belaufen – angetreten war man mit der Vorstellung, knappe acht Millionen ausgeben zu müssen.

Nach dann etwa eineinhalb Jahren Bauzeit soll das Projekt im April oder Mai 2024 fertiggestellt werden. Gesucht werden muss noch ein Betreiber und ein Leitsystem muss dann auch noch installiert werden.

Bis dahin können sich Interessierte selbst ein Bild vom Fortschritt machen. Eine Kamera zeichnet die Arbeiten auf der Baustelle auf, zu sehen ist das Ganze auf der Internetseite der Stadt Wendlingen. So schnell, wie der Bau vonstatten geht, braucht man gar keinen Zeitraffer.

Was ist mit dem Brandschutz?

Herausforderung
Das neue Holzparkhaus stellt die Wendlinger Feuerwehr aufgrund des gewählten Materials nicht zwingend vor besondere Herausforderungen. „Im Gegenteil – wenn Holz brennt, kann man vorher hören, wenn ein Balken demnächst nachgibt“, bestätigt Wendlingens Feuerwehrkommandant Michael Gau. Bei Stahlträgern sei das zum Beispiel nicht der Fall, so Gau weiter: „Ein Stahlträger kann völlig geräuschlos nachgeben.“

Bauweise
Auch die offene Bauweise spielt den Feuerwehrleuten im Falle eines Brandes in die Hände. „Hitze und Rauch können problemlos entweichen. Es sind keine Stauungen möglich“, erklärt Gau. Wie beiden allen in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden Gebäuden, wird sich die Wendlinger Feuerwehr das Parkhaus nach seiner Fertigstellung genau anschauen und Rettungspläne erstellen. (kd)

Weitere Themen

Weitere Artikel zu Wendlingen Rekord Architektur