Acht von 581 – das ist ein strenges Auswahlverfahren für den Hugo Häring Landespreis Baden-Württemberg, dem die eingereichten Bauwerke sich zu unterziehen hatten. Die Jury des Bundes deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) Baden-Württemberg hat nun acht Wohnhäuser und öffentliche Bauten aus Baden-Württemberg für den „Großen Hugo“ gekürt, von denen mehr als die Hälfte von Stuttgarter Architekturbüros geplant wurden.
581 Bauwerke aus Baden-Württemberg wurden eingereicht
Das Verfahren ist zweistufig. 581 Bauwerke wurden eingereicht, von denen 114 eine Hugo-Häring-Auszeichnung der Landesgruppen erhielten. Aus diesen Gewinnern wählte die Jury im Juni acht Bauten für den Hugo-Häring-Landespreis aus. In Stuttgart waren dies neun Gebäude, von denen zwei – die Fuchshofschule und die Kita im Park – einen „Großen Hugo“ erhalten.
Um diese Gebäude zumindest von außen zu besichtigen, müssen sich Architektur-afficionados allerdings mindestens in die S-Bahn setzen oder gar den Zug nehmen. Kein Gebäude in Stuttgart hat die Jury dergestalt begeistert, dass sie einen „Großen Hugo“ in die Landeshauptstadt vergeben hätte.
Gleichwohl sind die prämierten Gebäude von hoher baulicher Qualität und lehren schon die Jugend, was gut geplante Gebäude leisten können. Gewonnen haben die Stuttgarter VON M Architekten mit der Fuchshofschule in Ludwigsburg, einem modularen Holzhybridbau.
Siegreich war auch die inmitten alten Baumbestands entstandene Kindertagesstätte in Böblingen von dem Stuttgarter Büro Franke Seiffert Architekten. Die Jury: „Robust, volumetrisch kompakt und lichtdurchflutet präsentiert sich die Architektur des Hauses und lässt damit eine Vorstellung von Festigkeit entstehen, die den Kindern und uns ein zweites vertrautes Zuhause geben kann.“
Wie zeitgemäß alte Gemäuer – in dem Fall müsste es heißen Ruinen – architektonisch um- und aufgebaut werden können, erleben die Schüler der Musikschule in Aalen, seit die Stuttgarter a+r Architekten den abgebrannten alten Reparaturbahnhof sorgsam saniert und zu neuem Leben erweckt haben und dafür kürzlich den Staatspreis Baukultur des Landes erhielten. „Der Kulturbahnhof Aalen (KUBAA) vereint Aalener Industriegeschichte und moderne Architektur, indem historische Gebäudefragmente geschickt in die zeitgenössische Architektur integriert wurden“, lobt die Jury.
Große Freude dürfte auch in dem Stuttgarter Büro Steimle herrschen. Schon 2021 hatte das Büro mit der Bücherei in Kressbronn einen „Großen Hugo“ erhalten. Die von ihnen entworfene Mehrzweckhalle Markolfhalle Markelfingen in Radolfzell hat die Jury auch überzeugt, da der zeitgemäße Holzbau „traditionelle Bauweise mit modernen Elementen“ verbinde, befand die Jury.
Besondere Schönheit strahlt ein Bauwerk in Karlsruhe aus, das im Untergrund entstanden ist. Gemeint ist der Neubau von sieben U-Bahn-Haltestellen vom Münchner Architekturbüro allmannwappner, die bei der Lichtplanung mit dem renommierten Designer Ingo Maurer gearbeitet hatten.
Anders als beim „Großen Hugo“ 2021 ist die Gewichtung Wohnbau. War es damals nur ein Mehrfamilienhaus, sind 2024 mehr als ein Drittel Wohnprojekte. Etwa das „Rennwegdreieck – Das Quartier im Haus“ in Freiburg im Breisgau vom Schweizer Architekturbüro Bachelard Wagner Architekten. Ein gutes Beispiel für Nachverdichtung: „Eine Verkehrsinsel zwischen drei Straßen als urbane Baulandreserve zu erschließen, ist ein eminent zukunftsweisendes Thema“, heißt es von der Jury.
Wie wichtig bei Neubauten eine flexible Nutzbarkeit ist, die das Gebäude langlebiger macht, weil es leicht umbaubar ist. Ein Beispiel dafür ist „TINA“ in Breisach am Rhein von STUDIO SOZIA, Lisa Häberle & Valerio Calavetta. Die Jury: „Durch bereits in der Planungsphase vorgehaltene Kapazitäten können die Büroräume in eine variable Anzahl von Wohnungen umgenutzt werden.“
Ferienhaus im Schwarzwald
Lässig und farblich spektakulär sind die Räume eines vermutlich nie in ein Büro umgebauten Hauses im Schwarzwald, geplant vom Stuttgarter Büro AMUNT. Das für einen privaten Bauherren entworfene Ferienwohnhaus im Schwarzwald ist ein auf einer Betonplatte aufgeständertes Gebäude. Es versiegelt wenig Boden und wird von der Jury als „eine zukunftsweisende Weiterentwicklung des Schwarzwaldtypus interpretiert“.
Dass die Jury sich wenig dogmatisch sogar für zukunftsfähige Einfamilienhäuser entschieden hat, dürfte ein Ansporn auch für private Bauherren sein – und erst recht für städtische Bauträger –, wenn schon, dann mit guten Architekten das Wagnis Wohnbau einzugehen.
Der nachwachsende Rohstoff Holz ist in mehreren Gewinnerprojekten das Material der Wahl, herausragende Umbauten indes, von der Architektenschaft und der Politik gefördert, finden sich kaum. Dass das Thema Umbau und Sanierung bei der Auswahl verhältnismäßig klein gehalten wurden, mag eventuell der Qualität der Projekte geschuldet sein. Ein Wermutstropfen, wenn auch nur ein ganz kleiner.
Hugo Häring Preis
Der Preis
Der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA Baden-Württemberg verleiht seit 1969 im Abstand von drei Jahren den Hugo-Häring-Preis für vorbildliche Bauwerke in Baden-Württemberg an Bauherrinnen und Bauherren sowie Architektinnen und Architekten für ihr gemeinsames Werk. Mit dem Namen Hugo Häring bekennt sich der BDA zur Tradition des „neuen Bauens“ und der „modernen Architektur“ und ehrt den 1882 in Biberach geborenen Architekten.
Das Fest
Die Preise werden am 22. November 2024 in Karlsruhe im Rahmen der feierlichen Preisverleihung überreicht. Zur Preisverleihung erscheint Band 14 der Reihe „Architektur in Baden-Württemberg“, in dem alle ausgezeichneten Bauten dokumentiert sind.
Die Jury
Über den Landespreis entschied eine fünfköpfige Jury unter dem Vorsitz von Birgit Rudacs, Architektin BDA aus München. Weitere Jurymitglieder waren Kyung-Ae Kim-Nalleweg, Architektin BDA, Berlin, Fabian A. Wagner, Architekt BDA, München, Çagla Ilk, Direktorin der Staatlichen Kunsthalle, Baden-Baden sowie Peter Richter, Publizist und Kulturredakteur, Berlin.
Das Verfahren
Das Auszeichnungsverfahren ist zweistufig. In der ersten Stufe werden die Hugo-Häring-Auszeichnungen auf regionaler Ebene in den fünfzehn Kreisgruppen des BDA Baden-Württemberg vergeben. In der zweiten Stufe die Hugo-Häring-Landespreise. Dabei nehmen die ausgezeichneten Bauten im Folgejahr auf Landesebene am Auswahlverfahren zum Hugo-Häring-Landespreis 2024 teil. Die Landespreise wiederum nehmen dann an dem Preisverfahren des BDA-Architekturpreises Nike teil. Zum Auszeichnungsverfahren 2023/2024 wurden 518 Bauwerke eingereicht, von denen 114 eine Hugo-Häring-Auszeichnung erhielten. Aus diesen wählte die Jury im Juni acht Bauten für den Hugo-Häring Landespreis aus.