„Er hatte Energie für zehn“ – so beschreiben Kollegen den Mann, der jahrzehntelang Stuttgarts Musicalszene prägte. Michael Schüller verunglückte bei Grafenau tödlich mit dem Motorrad.
Er liebte AC/DC, studierte klassische Musik und landete 1994 als Schlagzeuger bei „Miss Saigon“: In Stuttgart fand der 1966 in Darmstadt geborene Michael Schüller seine Leidenschaft dafür, Musicals als Produzent neu zu denken und möglichst viele Menschen damit zu begeistern. Bei Freunden und Kollegen war er wegen seiner Lebensfreude, seiner Fröhlichkeit und seiner Geradlinigkeit beliebt. Für ihn galt: Vollgas oder gar nicht.
Stuttgarts Musicalszene ist geschockt. Fast drei Jahrzehnte lang trommelte Schüller im Orchestergraben für verschiedene Shows und war darüber hinaus auf vielen Gebieten des Musicals tätig. „Micha“, wie ihn alle in der Branche nannten, war ein Mann mit Ecken und Kanten, der immer 100 Prozent gab. Er war ein Kämpfer für Gerechtigkeit, ein lockerer Kollege mit Humor, der mit Sprüchen seine Umgebung zum Lachen brachte. Er war aber auch ein Lösungsfinder, der nach dem Maximum strebte.
Schüllers Mitternachtskonzerte im SI-Centrum wurden zu Kulttreffs
Ende der 1990er Jahre begann Schüller, neue Wege abseits der Theatervorstellungen zu gehen: Seine Mitternachtskonzerte im SI-Centrum, zu denen er nach den Shows einlud, wurden zu Kulttreffs von Publikum und Musikern. Daraus entstand seine Agentur Musicalpeople, die Konzertformate mit Musicalstars in eigener Regie erfolgreich auf die Bühne brachte – von den Musical Nights auf der Insel Mainau bis zu den ausverkauften Weihnachtskonzerten „Musical Goes Christmas“ in Möhringen.
Seit über 40 Jahren gehörte seine Leidenschaft neben der Musik dem Motorrad – die Ausfahrten waren für ihn ein Stück Freiheit. Am vergangenen Sonntag wollte er bei goldenem Herbstwetter nur eine kleine Runde drehen. Auf der Landesstraße 1182 zwischen Grafenau und Weil der Stadt wurde ihm von einem Auto die Vorfahrt genommen. Er hatte keine Chance. Michael Schüller erlitt so schwere Verletzungen, dass er noch an der Unfallstelle starb.
In der Corona-Pandemie verkaufte er im Food Truck die „Heilige Wurst“
Der „Micha“ war Gründer, kreativer Kopf und charismatischer Chef. Er riss Menschen mit, stellte Gewohntes infrage und setzte neue Ideen um. Daniela Chlouba, Pressesprecherin von Musicalpeople, erinnert sich: „Mit ihm zu diskutieren war oft eine Herausforderung, aber seine Begeisterung für neue Ideen war ansteckend.“
In der Corona-Pandemie, als die Theater schließen mussten, startete er in Filderstadt mit einem Truck den Verkauf der „Heiligen Wurst“ aus Schwäbisch-Hällischem Landschwein – aus der Not geboren, baute er so ein zweites berufliches Standbein auf.
Musik als Lebenselixier
Musik war sein Lebenselixier. Bereits mit 16 Jahren begann er sein Studium an der Musikhochschule Darmstadt, später in Karlsruhe, nachdem er schon als Kind Schlagzeug und Klavier gelernt hatte. Inspiriert durch Vater und Onkel, beide Musiker, blieb er diesem Weg mit Hingabe und Perfektion treu.
„Grenzen hat er nicht akzeptiert, sondern für sich neu gesetzt“, sagt sein Stiefsohn. Seine Devise lautete: „Das Leben zu feiern ist das Beste, was man machen kann.“ Gut essen, gut trinken, keine Party auslassen – dies machte ihn glücklich. Am liebsten genossen er die schönen Seiten des Leben mit seinen Lieben um sich herum – nämlich in vollen Zügen. Dort holte er sich Kraft, gegen Ungerechtigkeiten vorzugehen und die Welt ein bisschen besser zu machen.
Stuttgart verliert einen Visionär
Michael Schüller hinterlässt eine Lebensgefährtin, eine Tochter und einen Stiefsohn. Mit ihm verliert Stuttgart nicht nur einen begnadeten Musiker und Unternehmer, sondern auch einen Enthusiasten, der unermüdlich daran glaubte, dass Musik Menschen verbindet. Sein Rhythmus, seine Freude und seine Ideen werden weiterklingen – auf den Bühnen, die er prägte, und in den Herzen all jener, die ihn kannten und liebten.
Am kommenden Montag findet ein Tribute-Konzert mit den Hits von Abba und Udo Jürgens im Apollo-Theater in Stuttgart statt– noch von Michael Schüller organisiert. Es fällt nicht aus. „Sein Kommentar wäre gewesen“, sagt sein Stiefsohn, „the show must go on.“