Aus Kostengründen EnBW baut eigene IT-Firma in Portugal auf

Nicht nur bei Urlaubern beliebt: Portugals Hauptstadt Lissabon Foto: dpa/Jan Woitas

Bis zu 600 Jobs will die EnBW in Lissabon schaffen, wegen Kostenvorteilen. Eine Verlagerung aus Deutschland soll es nicht geben – Sorgen kursieren gleichwohl.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Im Meer der schlechten Nachrichten aus der Wirtschaft wirkt die EnBW wie ein Leuchtturm der Zuversicht. Während die heimischen Automobilhersteller und -zulieferer Tausende von Jobs streichen oder ins Ausland verlagern, schafft der landeseigene Energiekonzern im Südwesten neue. Mehrere tausend Mitarbeitende will er in den nächsten Jahren einstellen, um das geplante Investitionsprogramm von bis zu 50 Milliarden Euro zu stemmen.

 

Doch auch die EnBW zieht es nun aus Kostengründen ins Ausland – und zwar nach Portugal. Dort, in der Hauptstadt Lissabon, entsteht gerade eine neue, aufstrebende Tochterfirma: die EnBW IT Solutions, ein Dienstleister für die auch in der Energiebranche immer wichtiger werdende Informationstechnologie. Bis zu 600 Expertinnen und Experten sollen dort in den nächsten drei Jahren beschäftigt werden, um Software-Lösungen für den Mutterkonzern in Deutschland zu entwickeln. An den Standorten in Baden-Württemberg, wo etwa 1000 Menschen im IT-Bereich arbeiten, wird das mit gemischten Gefühlen gesehen.

Portugal bietet eine Reihe von Vorzügen

Der vom Land und oberschwäbischen Landkreisen getragene Konzern folgt damit einem zunehmenden Trend. Portugal hat sich in den vergangenen Jahren zu einem beliebten Ziel für die Auslagerung von IT-Dienstleistungen entwickelt. Das kleine Land kann gleich mit einer Reihe von Vorteilen aufwarten, vorneweg gut ausgebildeten, meist mehrsprachigen Fachkräften und vergleichsweise günstigen Arbeitskosten. In dem EU-Land gelten die europäischen Datenschutzbestimmungen, das Rechtssystem gilt als verlässlich. Zudem erleichtert die hohe Lebensqualität gerade in Lissabon das Anwerben auch von externen Beschäftigten. Zahlreiche internationale Unternehmen sind dort schon präsent, darunter auch Mercedes-Benz.

Der Aufbau der EnBW-Tochterfirma scheint in vollem Gang, es gibt bereits ein Gebäude, eine Struktur und eine Geschäftsführung. In den Stellenausschreibungen lockt die EnBW-Tochterfirma unter anderem mit interkultureller Zusammenarbeit und Homeoffice-Möglichkeiten. Gesucht werden Mitarbeiter mit sehr guten Englisch-Kenntnissen, die zudem deutsch oder portugiesisch sprechen sollten. Bis zum Jahr 2028, heißt es intern, solle die Belegschaft auf 580 Köpfe wachsen; die Pläne seien aber flexibel.

EnBW: ausschließlich neu geschaffene Stellen

Offiziell äußert sich der Mutterkonzern nur knapp zu der IT-Gesellschaft, einer hundertprozentigen Tochter. Die Gründung sei „ein konsequenter Schritt, um die EnBW kostenseitig zukunftsfähig aufzustellen“, betont ein Sprecher. Damit integriere man IT-Dienstleistungen, die bisher extern vergeben worden seien, in den Konzern. „Bei den Stellen handelt es sich ausschließlich um neu geschaffene Stellen“, wird betont. Man verlagere keine Stellen nach Lissabon. Der IT-Bereich der EnBW in Deutschland ist in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden und entsprechend gewachsen. Geführt wird er seit einigen Monaten von René Deist, der vom krisengeplagten Autozulieferer ZF kam. Zuvor hatte der bisherige IT-Chef das Unternehmen verlassen. Im Vorstand verantwortlich ist der Vorsitzende Georg Stamatelopoulos.

Laut dem EnBW-Sprecher ist der Betriebsrat „in den Vorgang engstens eingebunden und nimmt am Lenkungsausschuss des Projekts teil“. Die Belegschaft werde über das Thema „regelmäßig und bei diversen Veranstaltungen informiert“. Über die Reaktionen darauf gibt es unterschiedliche Darstellungen: teils heißt es, die Pläne seien „kein Aufreger“, teils wird von erheblichen Sorgen berichtet, dass weitere Auslagerungen folgen könnten. Auch junge Beschäftigte, die nach Abschluss von Ausbildung oder dualem Studium auf Übernahme hoffen, sehen die Pläne teilweise kritisch. Zudem wird darauf verwiesen, dass vor einigen Jahren schon einmal eine IT-Auslagerung – damals nach Tschechien – gescheitert sei.

Betriebsrat und Gewerkschaft eingebunden

Die Vertreter der Großaktionäre im Aufsichtsrat sollen den Plänen positiv gegenüber stehen. Land und Landkreise haben der EnBW erst unlängst eine Kapitalspritze von drei Milliarden Euro bewilligt. Somit dürften sie an einem möglichst effizienten Einsatz der Mittel interessiert sein. Vom Betriebsrat gab es auf Anfrage keine Stellungnahme. Auch die Gewerkschaft Verdi wollte „zum jetzigen Zeitpunkt keine abschließende öffentliche Einschätzung und Bewertung“ abgeben. Man befinde sich im Austausch und in enger Abstimmung mit den EnBW-Betriebsräte, so der zuständige Verdi-Mann Stefan Hamm.

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