Herr Minister Hermann, noch sind drei Städte in Baden-Württemberg wegen der Schadstoffbelastung in der Luft von Fahrverboten betroffen: Ludwigsburg, Pforzheim und Stuttgart. Wird sich daran im Jahr 2025 etwas ändern?
Es gibt gute Nachrichten: Die Luft in allen drei Städten hat sich dank der Maßnahmen deutlich verbessert. Wir haben deshalb von der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (kurz LUBW, die Red.) prüfen lassen, welche Werte erreicht werden müssen, damit ohne die ergriffenen Instrumente der Grenzwert auch in Zukunft eingehalten wird. Demnach kann Ludwigsburg im Laufe des Jahres damit rechnen, dass dort die Einschränkungen wegfallen. Auch in Pforzheim ist es prinzipiell möglich. Dort haben wir aber das Problem, dass wegen der Autobahnbaustelle öfter zusätzlicher Verkehr durch die Stadt rollt. Über eine Aufhebung entscheidet das jeweilige Regierungspräsidium. In Stuttgart ist das noch nicht möglich, da hier weitergehende Diesel-Verkehrsverbote gelten. Vor allem die Messwerte an der Talstraße sind problematisch. Dort müssen die Werte noch deutlich sinken.
Aber an allen Stuttgarter Messstellen ist der Grenzwert auch 2024 eingehalten worden?
Ja, aber der Grenzwert ist ja nur eine Sache. Den halten wir ja nur ein, weil es diese Maßnahmen gibt. Die Luft ist besser, weil es Beschränkungen für Diesel gibt. Es wäre zu einfach gedacht: der Grenzwert ist eingehalten, also heben wir die Maßnahmen auf. Die LUBW-Studie zeigt neu, wo Messwerte aktuell liegen müssten, um die Grenzwerte weiter auch ohne die Verkehrsverbote einzuhalten. Das klappt in Ludwigsburg und Pforzheim, es funktioniert aber noch nicht in Stuttgart.
Warum?
In Stuttgart dürfen relativ viele alte Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 5 und schlechter nicht in die sogenannte „Kleine Zone“ aus Innenstadt, Bad Cannstatt, Feuerbach und Zuffenhausen einfahren. In Stuttgart sind aber noch etwa 17 000 Fahrzeuge zugelassen, in der Region sind es sogar rund 140 000 Fahrzeuge. Wenn die alle wieder reinfahren dürften, würden die Grenzwerte wieder nicht mehr eingehalten und wir müssten aufs Neue Verkehrsverbote erlassen.
Während man früher auf die Grenzwerte schaute, haben Sie nun den Begriff der Grenzkonzentration eingeführt. Ist das nicht einfach der Versuch, irgendwie an den Restriktionen festzuhalten?
Die Grenzkonzentration ist der Mindestwert, um sicherzustellen, dass die Grenzwerte auch ohne Verkehrsverbote eingehalten werden können und man nicht bei zusätzlichen Belastungen ohne Maßnahmen wieder über den Grenzwert hinaus schießt. Und den muss man in Stuttgart eben entsprechend tief ansetzen, da die Maßnahmen hier nach wie vor erheblich dazu beitragen, dass wir den Grenzwert überhaupt einhalten können und die Luft so viel besser geworden ist.
Wäre es nicht glaubwürdiger gewesen, mit dieser Untersuchung ein unabhängiges Institut zu beauftragen und nicht ein landeseigenes?
Nein. Die LUBW hat hierzu hohe Kompetenz und mehr Bezug zum Thema als private Institute. Dort arbeiten ausgewiesene Fachleute, die sachlich ihren Job machen. Die LUBW ist eine unabhängige Institution, die auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnis und auf Basis von Recht und Gesetz arbeitet. Die LUBW hat uns klar mitgeteilt, dass wir aus fachlicher Sicht die Verkehrsverbote in Stuttgart nicht aufheben können, ohne erneut Grenzwertüberschreitungen zu riskieren.
Stuttgart kontrolliert allerdings die Einhaltung des Fahrverbots bestenfalls halbherzig. Ist es dann nicht reine Symbolpolitik, an dem Fahrverbot festzuhalten? Jedes Verbot ist nur so gut wie die Möglichkeit, es zu kontrollieren.
Die Grenzwerte sind europäisches und deutsches Recht zum Schutz der Gesundheit, das den Menschen saubere Luft bringen soll. Wir als Land setzen das um – und die Stadt sollte das auch tun. Ich bin schon etwas verwundert, dass man in Stuttgart mit einer gewissen Nachlässigkeit den Eindruck erweckt, dass nicht richtig geprüft wird. Die Stadt muss kontrollieren, ob die Regeln eingehalten werden und gegebenenfalls Fehlverhalten ahnden.
Bereits im vergangenen Frühjahr, als klar war, dass auch schon 2023 die Grenzwerte eingehalten wurden, hat Ihnen OB Frank Nopper in dieser Sache Willkür vorgeworfen.
Für mich wirkte der Wunsch des Oberbürgermeisters, Verkehrsverbote aufzuheben, hemdsärmelig und willkürlich. Ich habe immer gesagt: Wir können die Verbote aufheben, wenn wir auch ohne sie die Grenzwerte sicher einhalten. Das geht aber nur auf Basis einer fundierten, fachlichen Untersuchung. Ich will auch mal darauf hinweisen, dass wir jetzt über Grenzwerte für gesunde Luft reden, die zu Beginn des Jahrhunderts festgesetzt worden sind. Die EU hat aber beschlossen, dass 2030 neue Grenzwerte gelten, die bei Stickstoffdioxid halb so hoch sind wie die aktuellen. Von der Einhaltung dieser neuen Grenzwerte ist Stuttgart weit entfernt. Ich bin sicher, dass auch Stuttgart das schaffen kann, aber nur, wenn wir eine viel schnellere Elektrifizierung des Autoverkehrs hinbekommen und mehr Menschen zu Fuß gehen, Rad fahren oder Stadtbahn und Busse nutzen.
Bleibt es bei dem Zuschnitt der bisherigen Verbotszonen in Stuttgart?
Stand heute werden wir das so belassen, wie es ist. Eine Aufhebung ist dieses Jahr nicht möglich und nächstes Jahr wohl auch nicht.