Der frühere Unternehmer und Arbeitgeberpräsident hofft auf eine zweite Chance für seine einstige Firma Allgaier in Uhingen. Er appelliert an „einen gewissen Goodwill“ aufseiten der langjährigen Kunden wie Mercedes, BMW und Porsche.
Dieter Hundt ist 86 Jahre, von einem unbelasteten Ruhestand aber kann keine Rede sein. Das drohende Aus für seine frühere Firma Allgaier in Uhingen (Kreis Göppingen) treibt ihn massiv um. Der ehemalige Arbeitgeberpräsident hofft, dass die 700 Arbeitsplätze des Autozulieferers gerettet werden können, aber es bleibt nicht mehr viel Zeit. „In den nächsten vier bis sechs Wochen sollte eine Lösung da sein“, sagt er.
Herr Hundt, wird es die Firma Allgaier in zwei Jahren noch geben?
Das hoffe ich von ganzem Herzen. Aber im Moment sind die Voraussetzungen leider nicht günstig. Mich belastet die Situation extrem. Die Firma ist mein Lebenswerk, auch wenn ich keine Anteile mehr habe. Als ich 1975 bei Allgaier angefangen habe, war es ein handwerklicher Betrieb mit circa zwölf Millionen Euro Umsatz im Jahr. Beim Verkauf an einen Investor im Jahr 2022 lagen wir bei 600 bis 700 Millionen. Nicht einmal ein Jahr später kam die Hiobsbotschaft von der Insolvenz. Unter dieser Entwicklung leide ich enorm.
Der chinesische Eigentümer Westron, an den Sie die Unternehmensgruppe verkauft haben, soll in Preisverhandlungen mit den Autoherstellern mit einem Produktionsstopp gedroht haben. Wurde damals auf entscheidende Weise das Vertrauen in die Firma verspielt?
So etwas hat es in den 40 Jahren davor nie gegeben. Wir haben auch manchmal gestritten, aber immer partnerschaftliche, einvernehmliche Lösungen mit unseren Kunden gefunden. Das Vorgehen nach dem Motto „Ihr bezahlt einen höheren Preis, sonst könnt Ihr zum nächsten Ersten die Werkzeuge abholen“ war meines Erachtens einer der entscheidenden Fehler, die zur Insolvenz geführt haben.
Gerade gab es eine weitere schlechte Nachricht: Ein neuer potenzieller Investor hat sich zurückgezogen. Ihm fehlt eine Zusage der Hersteller wie Mercedes, BMW, VW, Audi und Porsche, Allgaier auch über 2025 hinaus Aufträge zu erteilen.
Ich habe die Hoffnung, dass dies noch nicht das letzte Wort ist. Der Investor steht weiterhin bereit, falls er die entsprechenden Signale bekommt. Es handelt sich um eine seriöse deutsche, familienbasierte Firma mit Erfahrung im Automobilsektor. Sie wäre bereit, einen zweistelligen Millionenbetrag in Allgaier zu investieren. Alle Anforderungen der Hersteller nach einer vertrauensvollen Unternehmensführung wären erfüllt. Und der laufende Betrieb unter dem Insolvenzverwalter Michael Pluta zeigt, dass Allgaier mit seinen engagierten Mitarbeitern nach wie vor höchste Qualität liefern kann. Ich hoffe sehr, dass die Kunden das honorieren und Allgaier eine zweite Chance geben.
Die Hersteller stecken selbst in der Krise und sparen, wo sie können. Ist es da realistisch, langfristige Zusagen zu erwarten?
Niemand erwartet, dass Allgaier etwas geschenkt bekommt. Jeder muss sich dem Wettbewerb stellen, so war es immer. Aber es geht darum, ob Allgaier weiter am Spiel teilnehmen darf – und überhaupt an Vergabeverfahren für neue Aufträge beteiligt wird. Die mehr als 40 Jahre, in denen das Unternehmen immer ein zuverlässiger und geschätzter Partner war, sollten doch entscheidender sein als die kurze, leidvolle Zeit unter Westron. Ich kann nichts fordern, sondern nur an den partnerschaftlichen Willen und einen gewissen Goodwill gegenüber dem neuen Investor appellieren, um dieses Unternehmen und die Arbeitsplätze in der Region zu erhalten.
Die Fortführung des Betriebs aufgrund bestehender Aufträge ist nur noch bis Ende 2025 gesichert. Mit welchen Argumenten werben Sie für Allgaier?
In Uhingen gibt es 700 engagierte und qualifizierte Mitarbeiter, darunter alle Führungskräfte in der Produktion. Sie stellen nach wie vor technisch sehr anspruchsvolle Karosserieteile mit höchsten Qualitätsstandards her. Wir wären weiterhin ein äußerst zuverlässiger Partner.
Wie viel Zeit bleibt noch für eine Rettung? Schließlich werden viele Mitarbeiter nicht bis zum letzten Tag bei Allgaier ausharren, sondern sich auch selbst nach neuen Jobs umschauen.
Die Zeit ist sehr, sehr knapp. Wenn die Beschäftigten nicht bald eine längerfristige Perspektive bekommen, werden wir viele von ihnen verlieren. In den nächsten vier bis sechs Wochen sollte eine Lösung da sein.
Glauben Sie, es gibt in der Autoindustrie noch so etwas wie Standortpatriotismus? Gehen die Investitionen nicht zwangsläufig dorthin, wo günstiger produziert werden kann und es höhere Subventionen gibt – wie in den USA oder in China?
Trotz aller Probleme, um die sich die nächste Bundesregierung kümmern muss – ich nenne nur hohe Energiepreise, hohe Steuern und viel zu viel Bürokratie – bin ich überzeugt, dass wir in Deutschland auch in Zukunft eine funktionierende Automobilindustrie haben werden. Und dafür ist der Standort Uhingen mit seiner Nähe zu den Werken in Sindelfingen, Stuttgart, Neckarsulm, München und Dingolfing weiter sehr interessant.
Firma als Lebenswerk
Unternehmer
Der gebürtige Esslinger Dieter Hundt (86) war von 1975 bis 2008 Geschäftsführender Gesellschafter, dann bis 2022 Aufsichtsratschef der Allgaier Werke in Uhingen. Er verkaufte seine Anteile 2022 an den chinesischen Investor Westron, der nicht einmal ein Jahr später pleite war. Seither führt der Insolvenzverwalter Michael Pluta das Kerngeschäft fort. Die Prozesstechniksparte des Unternehmens wurde erfolgreich verkauft.
Funktionär
Als Präsident der Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände BDA (1996 bis 2013) fand er bundesweit Anerkennung, er saß zudem dem Aufsichtsrat des VfB Stuttgart vor (2002 bis 2013).