Das sieht verlockend aus: Annett Horlacher und Samuel Jung servieren Buttermakrele mit Shiso-Eis. Foto: Matthias Ring
Im Zauberlehrling im Stuttgarter Bohnenviertel haben für eine Woche die Azubis das Sagen. Ihr Menü gibt es zum Schnäppchenpreis. Wie gut ist der Nachwuchs und was erwartet die Gäste?
Ja, 150 Euro ist viel Geld für ein Essen. Aber man bekommt auch viel geboten: fünf Gänge, davor drei Apéros und ein Amuse-Bouche, hinten raus Petits Fours, dazu Kaffee, Wasser, eine kleine Weinbegleitung und einen Aperitif. Regulär muss man in einem Sternerestaurant dafür weit über 200 Euro investieren, aber das Schnupperangebot im Stuttgarter Zauberlehrling dient dazu, dass sich bis zum 25. April die Auszubildenden beweisen können: bei Dienstplanung, Wareneinkauf, Küchenleistung und Service.
Für den ersten Abend ist die volle Mannschaft aufgeboten. Neun Azubis aus allen drei Lehrjahren drängen sich in der kleinen Küche, dazu ein Ausgelernter als Begleiter, der aber kaum eingreifen muss. Florian Heinrich, der in drei Wochen seine schriftliche Abschlussprüfung hat und jetzt in die Rolle des Souschefs geschlüpft ist, erklärt, dass man nach einem guten Start das Team in den nächsten Tagen regulieren werde.
Freie Hand für die Azubis
Normalerweise stehen fünf Köche in der Küche des Zauberlehrlings. Die Azubis werden sonst auch im Frühstücksrestaurant Wunderkammer eingesetzt, haben zudem Schule und freie Tage. Für die Menügestaltung hatten sie freie Hand. Schmunzelnd sagt Heinrich, dass man mal ein paar Dinge ausprobiere, die sonst nicht so zum Standard des Hauses gehörten. Die Tomatenbutter zum Beispiel ist mit einer Glasur überzogen und sieht als optischer Gag wirklich wie eine Minitomate aus.
Aber kann man von einem Sternemenü sprechen, wenn „nur“ Azubis am Werk sind? Aus unserer Gastsicht auf jeden Fall. Produkte wie Buttermakrele, Zander und Lammrücken sind hochwertig – ohne Getränke kostet das Fünf-Gänge-Menü faire 105 Euro – und werden aufwendig inszeniert. Die gebeizte Makrele ist, ja, tatsächlich, butterzart in einem spannenden Umfeld mit exotischen Noten von Ananas und dem eher herben Aroma eines Eises aus roter Shisokresse.
Der Chef vertraut seinem Team
Die Azubis zeigen auch Mut etwa mit dem intensiven Kick einer Estragonmayo zum Zander mit dekorativ geschwungenen Streifen vom schwarzen Rettich und mit einer gewissen Schärfe in den Tortellini mit Salsiccia- und Nduja-Wurst-Füllung. Zudem haben die Zauberlehrlinge ein Faible für Säure, die allen Gerichten mehr Schwung und Leichtigkeit gibt, zum Hauptgang mit Lamm und Topinambur-Variationen durch Pflaume. Und ein bisschen verrückt darf es auch mal sein: Das Kaiserschmarrn-Soufflé kommt mit Rosenkohlpulver und kandierten Rosenkohlblättern daher.
Das Kaiserschmarrn-Soufflé. Foto: Matthias Ring
Und was sagt der Chef? Sternekoch Fabian Heldmann hat Urlaub. Er weiß, dass er sich auf seine Mannschaft verlassen kann und mit dieser Aktion „das Teamgefüge gestärkt“ werde. „Es wurde frühzeitig mit der Konzeption der Gerichte begonnen, und einige davon haben wir schon im regulären Betrieb getestet.“ Für das Menü insgesamt sei es ihm wichtig, „dass am Abend zügig geschickt werden kann“ – und dem ist auch so.
Gäste sind begeistert
Was aber sagen die anderen Gäste? Vanessa Hausel und Niklas Hilberg, beide um die 30, sind zum ersten Mal in einem Sternerestaurant und begeistert. Der Zauberlehrling ist ihnen aus dem Bekanntenkreis empfohlen worden, und als sie den Tisch reservierten, wussten sie noch gar nichts von der Azubiwoche. „Alles sehr gut und geschmacklich vielschichtig“, sagt sie, und er ergänzt, dass besonders der Schweinebauch überraschend sei.
Das finden auch Snjezana Prgonet und Martin Hain, obwohl dies ja „nur“ ein Amuse-Bouche ist: zart geschmort und zusätzlich als Salat mit Zitrone darunter, dazu eine Espuma aus geräucherter Schwarzwurzel und Yuzugel, was auch diesem kleinen Gruß etwas Säure und viel Frische mit auf den Weg gibt. Die beiden erfahrenen Besucher von Sternerestaurants sind ebenso angetan von der „liebevollen Zuwendung und der Professionalität im Service“, der zudem alle Details der recht komplexen Gerichte kenne. Auch dieses Paar, das seinen besonderen Tag im Zauberlehrling feiert, wusste bei der Reservierung noch nichts von der Azubiwoche. Das Fazit dieses Abends aber könnte lauten: Gerade deswegen lohnt es sich, dabei zu sein.