Bei Durchfahrversuchen wird teils auch die Unterführung beschädigt. Foto: 7aktuell/Kevin Lermer
In unserer Serie „Rekordverdächtig“ stellen wir Orte in der Region Stuttgart vor, die auf besondere Weise herausragend sind: Die Weinstädter Bahnunterführung in Beutelsbach hat sich mit einer Rekordzahl an stecken gebliebenen Fahrzeugen Ruhm erworben.
Harald Beck
06.09.2024 - 17:08 Uhr
Der erste medial dokumentierte Unterführungsunfall war Anfang der 1990er-Jahre: Ein israelischer Urlauber, so heißt es im damaligen Zeitungsbericht, sei samt seinem in Remshalden ausgeliehenen Wohnmobil in der Bahnunterführung von Weinstadt-Beutelsbach hängen geblieben. Der Urlauber hatte sich, so erläuterte später der Wohnmobilvermieter, auf dem Rückweg von einer Tour durch ganz Deutschland befunden. Die Beutelsbacher Feuerwehr befreite das Fahrzeug. Die Unterführung selbst wurde nicht beschädigt, der Schaden am Fahrzeug lag bei rund 30 000 Mark – heute wären das etwa 15 000 Euro.
Zwei Meter hohe Bahnunterführung
Die Höhe ist deutlich gekennzeichnet. Foto: 7aktuell/Kevin Lermer
Bis für das Bauwerk unter der Beutelsbacher S-Bahn-Station der Begriff „Transporterfalle“ geprägt wurde, dauerte es allerdings noch zweieinhalb Jahrzehnte. Glaubt man einer Chronik, die vor einigen Jahren die Lokalzeitung erstellt hat, haben die Versuche, die Unterführung mit einem Aufbau von mehr als den hier möglichen zwei Metern Höhe in den 2010er-Jahren rapide zugenommen. Allein 2017 und 2018 sind jeweils mindestens fünf Fahrzeuge in der Beutelsbacher Bahnunterführung stecken geblieben. Die übliche Schlagzeile: „Die Tranporterfalle hat wieder zugeschlagen.“ Im Dezember des vergangenen Jahres geschah das gar zweimal innerhalb einer Woche.
Den Begriff „Transporterfalle“ hören wiederum die Verantwortlichen im Weinstädter Rathaus nicht gerne. Schließlich, so haben über die Jahre schon mehrere Pressesprecher betont, gebe es an der neuralgischen Stelle in Beutelsbach keinerlei aktive Handlungen. Niemand locke hier Ahnungslose in eine Falle, es lägen – so hieß es scherzhaft zur kommunalen Verkehrsmalaise – auch keine Rathausbeamten auf der Lauer, um etwa Fahrer von Kleinlastwagen oder Wohnmobilen auf frischer Tat zu erwischen oder diese gar bewusst einzufangen.
Ohne Aufbau weiter gefahren
Abtransport eines abgefahrenen Aufbaus Foto: 7aktuell/Kevin Lermer
Dennoch bleibt festzustellen, dass die nach wie vor im Volksmund mit eben dieser Bezeichnung versehene „Transporterfalle“ aktuell auch immer wieder zuschlägt. An einem Samstagvormittag im Februar diesen Jahres zum Beispiel, als ein 68-Jähriger mit seinem VW Crafter versuchte, von der Poststraße aus durch die Bahnunterführung zu gelangen. „Da sein Fahrzeug höher als die beschilderte Maximalhöhe von zwei Metern war, blieb er in der Unterführung stecken“, erläuterte ein Polizeisprecher. Nach Beobachtungen von Zeugen fuhr der 68-Jährige offenbar dann ohne seinen Aufbau weiter und stellte letztlich sein Fahrzeug am Straßenrand ab. Sachschaden: etwa 8000 Euro. Die Polizei mit der quasi traditionellen Formulierung zum Ende des weiteren untauglichen Durchfahrversuchs: „Das Fahrzeug musste durch die örtliche Feuerwehr aus der Unterführung befreit werden.“
Allen Beobachtern ist nach inzwischen gut 30 Jahren und diversen Umbauten der Warnanlagen ein absolutes Rätsel, warum an der Verbindung zwischen Cannonstraße und Poststraße immer wieder Fahrzeuge hängen bleiben. Schließlich hat Weinstadt auf beiden Seiten der Bahnunterführung nicht nur Warnschilder aufgestellt und Blinklichter installiert – sondern an der Nordseite zusätzlich auch einen Aufbau mit Kunststoffketten, die akustisch per Schlag gegen zu hohe Aufbauten vor dem nur zwei Meter hohen Durchlass warnen. Was letztlich die Erkenntnis zur angeblichen Transporterfalle bringt: Gegen Unachtsamkeit und fahrerische Ignoranz scheint eben kein Kraut gewachsen.
Alt-OB verteidigt die Art der Unterführung
Kunststoffketten warnen an der nördlichen Zufahrt. /Gottfried Stoppel
Grundlegende bauliche Veränderungen hält man seitens der Stadt angesichts der Gegebenheiten vor Ort nicht für möglich, eine Tieferlegung der Straße etwa. „Das wäre ein Millionenvorhaben, das die Stadt nicht stemmen möchte“, sagte vor zwei Jahren die Pressesprecherin. Schon vor gut vier Jahren hat sich der damalige Weinstädter Oberbürgermeister Jürgen Hofer geäußert. Er stehe zur Entscheidung der Stadt, die Unterführung so zu bauen, wie sie ist. Eine auch für Lastwagen befahrbare Unterführung mit einer Durchfahrhöhe von 4,50 Metern wäre seiner Ansicht nach wegen des vorhandenen Gefälles auf der Poststraßenseite viel zu steil geworden – insbesondere für Lastwagen.
„Wir haben lange an Möglichkeiten getüftelt, wie wir die Situation an der Unterführung in Beutelsbach lösen können und inzwischen viele Warnungen eingebaut“, heißt es aktuell aus dem Weinstädter Rathaus zur „unfallträchtigsten Unterführung der Region“. Trotzdem blieben unaufmerksame Fahrer immer wieder hängen. „Das tut uns sehr leid für jeden Einzelnen.“ OB Michael Scharmann sagt dazu: „Anfangs hat es tatsächlich ein wenig genervt, mit der sogenannten Transporterfalle regelmäßig in der Presse zu stehen. Inzwischen nennen wir die Unterführung teilweise selbst so. Weniger der Begriff nervt als eher die Tatsache, dass tatsächlich Fahrzeuge trotz aller Warnungen in einer gewissen Regelmäßigkeit dort stecken bleiben.“
Neue Maßnahmen und weitere Pläne
Die Feuerwehr ist regelmäßig im Einsatz. Foto: 7aktuell/Kevin Lermer
Als jüngste Maßnahme zur Verbesserung der Situation wurde in diesem Juni eine Vollsperrung der Poststraße, die wegen eines Rohrbruchs notwendig geworden war, genutzt, um den Bewuchs rund um die Eingänge der Unterführung umfangreich zurückzuschneiden, damit die Unterführung sich besser abhebt. Und die rot-weißen Warnschilder direkt über den Eingängen wurden auf die tatsächliche Höhe der Unterführung abgehängt. So ergebe sich bereits beim Heranfahren ein anderes Bild. Außerdem wurden neue Kontaktschleifen hergestellt. Jetzt blinken die Warnleuchten erst, wenn ein Fahrzeug drüber fährt. Weitere Planungen gibt es zudem, die Beleuchtung in der Unterführung soll geändert werden. Ein Konzept dazu wird derzeit erstellt.