Die Baustelle beim früheren Breuninger-Parkhaus in Stuttgart macht Händlern zu schaffen. Die Situation erinnert ein einst selbst betroffenes Ehepaar an das Ende der 1960er-Jahre.
Wenn Christa Walter von der heutigen Situation in der Esslinger Straße hört, fühlt sie sich an das Ende der 1960er-Jahre zurückerinnert. Und wie. Denn auch damals bereitete eine große Baustelle in Stuttgart umliegenden Einzelhändlern Probleme, weiß die einst selbst betroffene Leserin, die mit ihrem Mann noch immer im eigenen Geschäft Uhren-Walter in Mönchfeld tätig ist.
Ende der 1960er-Jahre schritt der unterirdische Stadtbahnbau an der Hauptstätter Straße und der Torstraße voran. Heute dauert die Bautätigkeit auf dem Gelände des zuvor abgerissenen Breuninger-Parkhauses an, gelegen zwischen der Esslinger Straße und der Hauptstätter Straße (B 14). Dort soll zum einen ein sogenannter Mobility Hub entstehen, der laut Breuninger künftig „moderne und komfortable Parkmöglichkeiten, nachhaltige Mobilität und Sharing-Konzepte vereint“. Bis 2029 soll dann das benachbarte Haus für Film und Medien fertig sein.
Einzelhändler sorgten sich schon im Vorjahr um ihre Existenz
2024 haben die Arbeiten neben der Leonhardskirche begonnen. Die B-14-Rampe zum Charlottenplatz ist gesperrt, der Verkehr wird durch die Esslinger Straße umgeleitet. Grau bezogene Zäune umgeben das Gelände. Angrenzende Einzelhändler aus dem Bohnenviertel sorgten sich bereits im vergangenen Jahr wegen Umsatzeinbußen um ihre Existenz.
„Die tun uns so leid. Wir wissen, um was es geht und haben das hinter uns“, sagt Christa Walter, die sich daher an unsere Zeitung gewandt hat. „Die Leute, die vor Ort sind, sollten viel mehr eingebunden werden in die Planung“, findet die 77-Jährige. Damals wie heute kritisiert sie die Stadt für ihr Vorgehen und meint, es hätte sich im Vergleich nichts geändert.
Uhren-Walter ist seit 25 Jahren in Mönchfeld beheimatet – und zog somit einst nach der Baustelle noch lange nicht aus der Innenstadt weg. Dort hatten die Kunden den Laden unten im Tagblatt-Turm in der Torstraße vorgefunden, auch schon Ende der 1960er-Jahre.
Vor dem unterirdischen Stadtbahnbau sei die Situation dort „erstklassig“ gewesen, denn dieser Bereich „war praktisch die Durchgangsstraße“ für all diejenigen, die „vom Bopser oben runter in die Stadt kamen“, erinnert sich Bernd Walter. Auch die Stuttgarter Zeitung hatte damals im Tagblatt-Turm ihren Sitz. Einen Friseur, einen Metzger, ein Lebensmittelgeschäft und mehr gab es in der Nähe, erzählt der 85-jährige Uhrmachermeister, der vor 60 Jahren seinen Meister gemacht hat und noch immer arbeitet.
Die Baustelle habe dann zwei bis zweieinhalb Jahre gedauert, erinnert sich das Ehepaar zurück – und für viel Unmut gegenüber der Stadt gesorgt, die sie in einer Interessengemeinschaft mit weiteren Einzelhändlern für ihre Planung kritisierten.
Gegen die Bauarbeiter habe sich ihr Ärger nicht gerichtet. Die hätten improvisiert, damit Kunden in die Läden kommen konnten. Alle zwei Tage habe es dadurch anders ausgesehen. Auf Fotos sei zu erkennen, dass Kunden „oft nur auf engen, unübersichtlichen Wegen die Geschäfte erreichen können, wenn ihnen nicht gar der Zugang zeitweilig völlig versperrt ist“, stand einst in der Stuttgarter Zeitung.
Christa Walter, die als Mitarbeiterin im Uhrengeschäft tätig ist, und ihr Mann verbinden Erinnerungen mit diesem Artikel. Die Überschrift vom 11. Oktober 1969 lautete: „Der Bagger gräbt den Umsatz ab“.
Die Themen auf dieser Seite: der Lärm, die Geschäftsleute in den Straßen, deren Umsatzrückgänge um durchschnittlich 30 Prozent sowie Kritik am Vorgehen der Stadt. Die „fühle sich nur bei drohender Existenzvernichtung, nicht aber bei Umsatzrückgängen für entschädigungspflichtig“, habe sie dem Zeitungstext zufolge damals wiederholt dargelegt.
Die Stadtverwaltung hat laut Bernd Walter in der damaligen Zeit arrogant auf die Bedenken der Betroffenen reagiert: „Es war ihnen egal, ob ein Geschäft an der Baustelle zugrunde geht – was auch geschah“.
Breuninger-Unterführung seit Mai gesperrt
Das Uhrengeschäft hat diese Zeit aber überstanden – auch ohne Entschädigungen. Und selbst wenn die Torstraße nach der Großbaustelle nicht mehr denselben Stellenwert gehabt habe, sei es im Anschluss „wieder wunderbar“ gelaufen für den Betrieb, blickt der Uhrenexperte zurück.
Darauf hoffen auch die Einzelhändler im Bohnenviertel – die zwar nicht wie die Geschäfte damals die Baufahrzeuge und Arbeiter quasi direkt vor dem Eingang haben, aber wohl trotzdem noch eine schwierige Zeit überstehen müssen. Nicht zuletzt deswegen, weil seit Mitte Mai und wohl bis 2029 die Breuninger-Unterführung baustellenbedingt gesperrt ist. Fußgänger können also von der Rathaus-Seite nur oberirdisch über die B-14-Ampelübergänge in das Bohnenviertel gelangen.