Er hat nur wenige Minuten angedauert, doch der verheerende Hagel am 12. Juli hat eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Die Versicherer bitten zurzeit etliche Kunden zu groß angelegten Begutachtungen – wie im Weissacher Tal.
Michael Bösche hat es durchaus kommen sehen – aber nicht verhindern können. Der Allmersbacher war auf einer Betriebsfeier seiner Firma in Backnang gewesen, als sich die dunklen Gewitterwolken bedrohlich über ihm zusammenbrauten und in Richtung Weissacher Tal zogen. Er griff zum Handy, um seine Frau zu warnen und sie zu bitten, das Familienauto umzuparken und nur sieben Meter entfernt in der Garage in Sicherheit zu bringen. Doch das Telefon tutete ins Leere.
Heftiges Gewitter am 12. Juli
Er hat seine Frau nicht erreichen können, und das Auto bekam die volle Ladung ab. Ein heftiges Gewitter mit zum Teil walnussgroßen Hagelkörnern entlud sich an jenem 12. Juli nicht nur bei den Bösches in Allmersbach im Tal, sondern auch im Großraum von Backnang sowie Teilen der Landkreise Ludwigsburg und Schwäbisch Hall. Den Versicherern hat das viel Arbeit beschert, die aktuell nun sukzessive abgearbeitet wird.
Allein bei der Württembergischen, bei der für den Tag laut eigenen Angaben fast 10 000 Schadensmeldungen eingegangen sind, laufen zurzeit zwölf sogenannte Hagelaktionen – Massenbegutachtungen, bei denen die Schäden nach vorheriger Terminvereinbarung routiniert wie am Fließband in Augenschein genommen werden und die am Ende direkt in ein Regulierungsangebot münden.
Scanner erkennt 1150 Dellen
Auch Michael Bösches VW Caddy wird in einer von der Versicherung angemieteten Halle in Unterweissach unter einer Art beleuchteten Torbogen hindurch gerollt. Mit Licht und Kameratechnik erfasst ein Scanner jeden Millimeter der Karosserie eines hagelgeschädigten Fahrzeugs und kann dabei auch kleinste Unebenheiten erkennen.
Im Fall von Bösches Wagen spuckt ein an das Gerät angeschlossener Computer ein ernüchterndes Ergebnis aus: Das Fahrzeug, keine zwei Jahre alt, weist die stolze Zahl von 1150 Dellen aus. Nur die rechte Seite ist halbwegs verschont geblieben. Ansonsten sieht der bestens gepflegte Wagen bei genauerem Hinsehen durchgehend aus wie ein Minigolfplatz.
Doch das ist manchmal nur die halbe Wahrheit. Erfahrene Kfz-Sachverständige wie Bernd Kübler kennen zum einen beliebte Winkel, in welche die Maschine nicht hineinblickt, zum anderen müssen sie bewerten, wo eine Lackierung nötig ist oder ganze Bauteile ersetzt werden müssen.
Ein erfahrener „Drücker“ kommt meist ohne Lackieren aus
Denn während in früheren Zeiten bei der Reparatur bevorzugt mit Hammer und Spachtelmasse gearbeitet wurde, kommen heute geschickte „Drücker“ zum Einsatz. Der Großteil der Unebenheiten kann durch geschicktes Drücken und Ziehen der Blechteile ausgeglichen werden, ohne den Lack dabei zu beschädigen.
Bernd Kübler, der bereits seit 37 Jahren in Diensten der Württembergischen Versicherung tätig ist, rät allerdings dazu, das von mit dieser Technik vertrauten Firmen machen zu lassen. Sein Arbeitgeber etwa arbeitet – wie auch bei der Hagelaktion in Weissach im Tal, mit einem Unternehmen zusammen, das sich fast ausschließlich auf die Reparatur solcher Schäden spezialisiert hat, dem Hagelschaden-Zentrum Ulm. Dieses hat im Nachbarort Auenwald eigens eine Halle angemietet, wo nicht ganz so aufwendige Schäden gleich vor Ort behoben werden können.
Die Reparatur wird teuer
Michael Bösches Caddy wird nach Einschätzung der Experten hingegen nicht mit Drücken und Ziehen allein auskommen. Zumindest die Motorhaube wird wohl besser komplett ersetzt werden müssen. Auf mehr als 10 000 Euro wird sich die Reparatur insgesamt summieren.
Der Kunde hat nun die Möglichkeit, sich die Summe auszahlen oder die Reparatur über die Versicherung begleichen zu lassen. Michael Bösche wird sich wohl für Letzteres entscheiden. Schließlich ist der Wagen ansonsten bestens in Schuss. Etwas geschockt über das Ausmaß und genervt ob des Aufwands, den die Schadensregulierung mit sich bringt, ist er schon, doch das Wichtigste sei, dass er sich darüber längst mit seiner Frau ausgesprochen habe. Nicht, dass wegen der missglückten Rettungsaktion unterschwellige Vorwürfe oder Schuldgefühle hängenblieben. „Natürlich ist das ärgerlich“, sagt er, „aber es ist auch nur ein materieller Schaden, den man ersetzen kann.“
Hagelereignisse nehmen zu
Schäden
Allein bei der Württembergischen Versicherung sind nach dem Hagel am 12. Juli Schadensmeldungen von rund 9700 Versicherten eingegangen. Der überwiegende Teil der Schäden waren jene an Kfz, nämlich rund 7600.
Sammelbegutachtung
Sie kommen bei der Württembergischen Versicherung zwar nicht nach jedem Unwetter vor, aber laut einer Sprecherin doch zumindest „des Öfteren“. Sicher lasse sich in jedem Fall sagen, dass Hagelereignisse insgesamt zugenommen hätten.
Anspruch
Bei einem Hagelschadensfall an einem Kraftfahrzeug greift die Teilkaskoversicherung. Für Schäden am Gebäude ist eine Wohngebäudeversicherung und für Schäden an beweglichen Dingen eine Hausratversicherung nötig.
Prävention
Der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) rät, eine gewisse Vorsorge zu treffen, damit das Auto von Unwetterkapriolen verschont bleibt. So könnten Warn-Apps auf dem Handy unter Umständen dazu beitragen, dass das Heilix Blechle rechtzeitig in einer Garage oder unter einem Carport Unterschlupf findet.