In Benningen am Neckar ist ein Haus auf den Markt gekommen, das geschichtlich eng mit einer Dynastie von Rathauschefs verbunden ist. Allerdings hat der Zahn der Zeit an dem prägnanten Gebäude genagt.
Christian Kempf
04.10.2024 - 11:57 Uhr
Für Immobilien wie die Villa an der Benninger Merkurstraße haben Makler vermutlich die Bezeichnung vom „Haus mit Charakter“ erfunden. Um die Substanz ist es bei solchen Fällen in der Regel nicht zum Besten bestellt, die Käufer müssen viel Geld für eine Modernisierungskur in die Hand nehmen. Dafür bestechen solche Gebäude meist mit ihrer imposanten Architektur und einer ausgezeichneten Lage. Außerdem lässt sich der Glanz früherer Jahre leicht erahnen. Bei der Villa in Benningen, die nun zum Verkauf steht, kommt zu all dem aber noch eine spezielle geschichtliche Note hinzu.
Errichten ließ sie nämlich im Jahr 1911 der frühere Benninger Schultheiß Ernst Zanker, der von 1903 bis 1915 in der Kommune am Ruder war. Das Baugesuch hatte er schwungvoll mit seinem Titel nebst Nachnamen unterzeichnet. Zugleich handelt es sich um das Elternhaus des späteren Marbacher Rathauschefs Hermann Zanker, der 1907 in Benningen als Sohn des Ernst Zanker zur Welt gekommen sei, wie Albrecht Gühring, Archivar der Schillerstadt, berichtet. Hermann Zanker war eine der prägenden Figuren der Nachkriegszeit in Marbach, gab dort den kommunalpolitischen Takt von 1948 bis 1973 vor. 1990 ist er gestorben.
Im Gewölbekeller könnte man Wein oder Kartoffeln lagern. Foto: Avanti/Ralf Poller
Sein Sohn Hans trat zwar beruflich nicht in seine Fußstapfen, gehört aber zu einer Erbengemeinschaft, die sich inzwischen darauf verständigt hat, einen Anwalt mit der Vermarktung der Villa zu mandatieren. Ansprechpartner vor Ort ist für Interessenten der ehemalige Marbacher Notar Hartmut Braun. Angepriesen wurde das Objekt per Annonce in Zeitungen, aber auch via Internet. Zudem wurden öffentliche Besichtigungstermine anberaumt. Bei der ersten Gelegenheit am vergangenen Samstag standen potenzielle Käufer zwar nicht unbedingt Schlange, sagt Braun. Es hätten sich aber durchaus ernsthafte Interessenten eingefunden. „Auch telefonisch gibt es Anfragen“, erklärt er. Konkrete Angebote hätten, Stand Mittwochmittag, noch nicht vorgelegen.
Hartmut Braun verhehlt nicht, dass man viel Geld in das Gebäude stecken muss, um es in Schuss zu bringen. In der Annonce werden „Modernisierungs- und Instandhaltungsrückstände sowie erhebliche Mängel im Energiehaushalt und Ausstattung“ ebenfalls unverblümt angesprochen. Andererseits dürften viele bei einem Rundgang durch die Villa denselben Gedanken haben: da könnte man was draus machen. „Es ist architektonisch schön und ein Liebhaberobjekt“, sagt Hartmut Braun. „Es ist beinahe alles noch original“, konstatiert Hans Zanker.
Die feingliedrigen Fenster und die Holzvertäfelungen gehören zu den reizvollen Details des Hauses. Foto: Avanti/Ralf Poller
Das Gebäude steht seit mehreren Jahren leer, war zuletzt unterteilt in zwei Wohnungen, eine im Erdgeschoss, eine in der ersten Etage. Die Böden sind größtenteils aus Holz, wenn auch nicht durchgehend stilistisch aus einem Guss. Die Fenster haben Charme, sind mit ihrer kleinteiligen Machart im Prinzip topmodern, jedoch energetisch weit weg von aktuellen Standards. Holzvertäfelungen an den Wänden gehören ebenfalls zu den Details, die den Reiz der Villa ausmachen. Das gilt ebenso für den schmucken Kachelofen im Wohnzimmer des Erdgeschosses. Dafür müsste man heute wahrscheinlich ein kleines Vermögen investieren.
Das Dachgeschoss ist nicht voll ausgebaut, beheimatet aber einen bezaubernden Erkerraum mit rustikalen Dielen und kleinem, bogenförmigem Ausguck. Von der bunt gekachelten Küche aus kann man direkt in den großen, üppig bewachsenen Garten spazieren. Nicht zu vergessen der geräumige Gewölbekeller, den man gedanklich schnell bestückt hat: hier wäre ein Weinregal denkbar, da eine Kiste mit Äpfeln, und in der Ecke könnte man vielleicht Kartoffeln lagern oder Einmachgläser stapeln. All das in Szene gesetzt von einem schummrigen Licht. Zurück in die Realität holen einen jedoch unter anderem die punktuell bröckelnde Fassade, eine Tapete, die sich von der Wand geschält hat, und vor allem der Umstand, dass die Villa keine Heizung hat. „Es gab mal eine Ölheizung, aber jetzt nicht mehr“, sagt Hans Zanker, Sohn des früheren Marbacher Bürgermeisters. Zudem sei das Haus nicht isoliert. „Eine zeitgemäße und funktionsgerechte Wohnnutzung ist im derzeitigen Zustand nicht möglich“, heißt es im Exposé.
Man müsse die Immobilie also entweder von Grund auf renovieren – oder abreißen lassen und dann neu bauen auf dem mehr als 800 Quadratmeter großen Areal in der Nähe des Bahnhofs, erklärt Hans Zanker. Unter Denkmalschutz stehe das Gebäude nicht, ergänzt Hartmut Braun.
Angesichts dieser Gemengelage nennt der Notar außer Dienst auch keinen fixen Kaufpreis für die Villa. Man warte auf Gebote, dann sehe man weiter, sagt Braun. Es ist also unklar, was mit dem Haus geschieht, in dem einst gleich zwei lokalgeschichtlich bedeutende Persönlichkeiten ein und aus gegangen sind.