Von Wildtierkamera bis Webrahmen: Die neue Bibliothek der Dinge in Stuttgart verleiht 120 verschiedene Gegenstände. Besonders gefragt: Das Zubehör für einen Internettrend.
Mitten in der Stuttgarter Innenstadt verbirgt sich neuerdings eine Schatzkammer. Wer hinter die betongraue Fassade des unscheinbaren, kastenförmigen Gebäudes in der Rathauspassage 2 blickt, entdeckt eine schmale Stube, ausstaffiert mit einer milchig weißen Raufasertapete und silbrigen Blechregalen.
Heimplanetarium bis Hula-Hoop-Ring
Hier lockt zwar nicht das Bernsteinzimmer – dafür aber die „Bibliothek der Dinge“ mit einem ungeahnten Reichtum an Möglichkeiten: Von Beamer bis Badmintonschläger, Heimplanetarium bis Hula-Hoop-Ring und Wildtierkamera bis Webrahmen sammeln sich an diesem Ort etwa 120 Gegenstände zum Ausprobieren.
Ein Mikroskop kaufen, das statt Schmetterlingsflügel nur den Gerätehaufen im Schuppen vergrößert? Hunderte Euros für ein Feuchtigkeitsmessgerät ausgeben, das später verstaubt? Dieses Zuviel an Leichen im Keller verschwendet nicht nur Geld, sondern auch Unmengen an Ressourcen.
für den Geldbeutel – und die Umwelt
Die Bibliothek der Dinge will Überkonsum als maßgeblichen Treiber des Klimawandels eindämmen. „Wir verleihen Gegenstände, die man nur selten braucht oder testen will“, erklärt Katinka Emminger, Direktorin der Stadtbibliothek Stuttgart.
Auf Initiative der Puls-Fraktion hat ihr die Stadt Anfang 2024 ein Budget von 20 000 Euro überreicht – samt dem Auftrag, die neue Bibliothek der Dinge aufzubauen. Keine leichte Aufgabe: Was finden Kinder, Jugendliche, deren Eltern oder Großeltern nützlich? Was inspiriert sie, neue Hobbys zu lernen? Wie verpackt man die zehn Kilogramm schwere Töpferscheibe, damit sie auch ohne Auto nach Hause transportieren werden kann?
Gefragte Gegenstände: Über die Hälfte verliehen
Ein Jahr lang haben Katinka Emminger und ihr Team mit Hirnschmalz und Herzblut an der Auswahl gefeilt, Anleitungen selbst geschrieben und einen Online-Katalog erstellt. Um die Früchte ihrer Arbeit zu präsentieren, greift die Bibliotheksleiterin immer wieder stolz ins Regal – meist allerdings ins Leere. „Wir haben aktuell 70 der 120 Gegenstände verliehen.“
Seit der Eröffnung am 10. April erlebe die Bibliothek der Dinge eine enorme Nachfrage, berichtet Emminger: „Selbst Kuriositäten wie das Heimplanetarium oder die Wildtierkamera waren nach wenigen Tagen weg.“
Abgesehen von ausgefallenen Freizeitaktivitäten fördert die Ding-Bibliothek vdie soziale Teilhabe. Dank ihres Angebotes können auch Kinder aus Familien mit weniger Geld den interaktiven Toniebox-Märchen lauschen oder Roboter programmieren – und das acht Wochen am Stück. So lange können sich Interessierte die Gegenstände ihrer Wahl borgen. Sie benötigen lediglich einen Bibliotheksausweis (20 Euro im Jahr) und 2,50 Euro pro Gegenstand als Versicherungsgebühr. Zudem gilt für teure Geräte ab 300 Euro ein Mindest-Leihalter von 14 Jahren.
Türöffner für neue Erfahrungen
Wir halten die Voraussetzungen so gering wie möglich“, betont Emminger. „Schließlich möchten wir einen niedrigschwelligen Zugang zu neuen Erfahrungen bieten.“ Neben Türöffnern zu originellen Erlebnissen verleiht das Bibliotheksteam in der Rathauspassage auch vorbestellte Bücher und ein offenes Ohr.
„Hier ist der Austausch enger als in unserer riesigen Zentrale am Mailänder Platz“, erzählt Emminger. Neulich habe sich jemand zum Beispiel einen Diascanner gewünscht. „Solche Anregungen helfen uns bei der Auswahl neuer Utensilien.“
„Mehr Töpferscheiben“
Um die Sammlung zu erweitern, hat der Gemeinderat für 2025 weitere 10 000 Euro genehmigt. Ganz oben auf der Einkaufsliste? „Definitiv mehr Töpferscheiben“, sagt Katinka Emminger. Das hat auch mit Internettrends zu tun. In den sozialen Medien gewinnt Töpfern als meditatives Hobby seit einigen Jahren immer mehr Fans. Die Massenbegeisterung gibt auch in der Bibliothek der Dinge den Ton an: „Die Leute reißen uns die Töpferscheiben förmlich aus den Händen. Trotz der zehn Kilogramm Gewicht.“ geöffnet ist die Bibliothek der Dinge montags bis freitags jeweils von 11 bis 13 Uhr und von 14 bis 17 Uhr.