Sein Platz war die Tür der Boa. Vor dem Eingang der ältesten Diskothek in Stuttgart wachte Michael „Buddy“ Kistner mit Autorität, aber vor allem mit Witz. Am Freitag ist die Legende des Nachtlebens gestorben. Seine Weggefährten würdigen ihn.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Rein optisch sah er nicht so aus, als sei er für den Beruf des Türstehers geboren. Michael Kistner, den alle nur „Buddy“ nannten, hatte bessere Tricks parat, um sich durchzusetzen. Der Partyfotograf Norbert Neon (von ihm stammt das neue Bilderbuch „Wir waren Disco“) erinnert sich genau: „,Buddy’ war nicht gerade groß und einschüchternd, er hat Konflikte an der Tür durch Ruhe und Autorität gelöst, nicht mit körperlicher Gewalt.“

 

„Er hat uns so oft zum Lachen gebracht“

Die 1977 eröffnete Boa an der Tübinger Straße – sie ist heute die älteste Disco der Stadt und nennt sich noch immer nicht Club – war ein Hotspot, kaum, dass der US-Film „Saturday Night Fever“ die Welt in Schwung brachte. Meist wollten viel mehr rein, an „Buddy“ also vorbei, als drinnen Platz war. Vor allem montags bildete sich eine riesige Warteschlange. Der Mann am Eingang musste genau aussortieren. Wer Ärger hätte machen können, den wies er ab.

Bis heute geht die Geschichte rum, dass selbst Frank Nopper, der heutige OB, an der strengen Boa-Tür abgewiesen wurde. In seinem Buch hat Werner „Sloggi“ Find diese Anekdote aufgeschrieben. Selbst im größten Stress, erinnerte sich der Boa-Mitgründer und langjährige Chef der Disco, habe „Buddy“ stets einen coolen Spruch auf Lager gehabt. „Er hat uns so oft zum Lachen gebracht“, sagt „Sloggi“, „es war eine wahre Freude, mit ihm zusammenzuarbeiten.“ Denn auch „herzensgut“ sei er gewesen und stets hilfsbereit.

Der Sänger David Hanselmann ist „sehr traurig“, wie er sagt: „,Buddy’ war ein ganz feiner und lustiger Mensch.“ DJ Jens Herzberg nennt ihn „eine coole Socke“. Mit ihm habe er vor allem an Fasching sehr lustige Partys gefeiert.

DJ Uwe Sontheimer erinnert sich besonders gern an die „Gasse“, um die „Buddy“ immer wieder gebeten hat. „Lasst die Leute durch und bildet eine Gasse“, habe er gerufen – und dann, um seinen Appell zu verstärken, mit dem Buchstabieren begonnen: „G-A-S-E.“ Seine Gasse bestand also nur aus einem S, was bis heute ein Running-Gag der Boa-Fans ist.

Ende der 70er fing er in der Boa an

Beim Militärischen Abschirmdienst hatte Kistner, ein Kind der Fünfziger, gearbeitet, bevor ihn „Sloggi“ an die Boa-Tür geholt hat. Die „richtige Tür“, ein Machtzentrum, ist wichtig für den Erfolg einer Disco oder eines Clubs. Bei der Boa fing er Ende der 70er an und blieb bis in die 90er, um sich danach selbstständig mit einer Firma zu machen, die nichts mit Musik und Disco zu tun hatte. 2017 sah man „Buddy“ mal wieder bei einer Feier in der Boa. Da kam er mit seinem Sohn und berichtete, dass er 65 Jahre alt geworden sei und sein Leben künftig als Rentner genießen werde.

Sein Tod hat sich am Sonntag bei seinen Weggefährten der Disco-Jahre rasch herumgesprochen. Die Trauer ist groß. Alte Geschichten leben auf. Fotograf Norbert Neon erinnert sich zum Beispiel daran, wie einmal ein Schwarzer, stark angetrunken, in die Boa wollte. „Buddy“ habe dies abgelehnt, worauf er als „Rassist“ beschimpft wurde. Der abgewiesene Mann wollte auf den Türsteher wütend einschlagen, ein ebenfalls schwarzer Boa-Stammgast kam zu Hilfe. „Fang mit deinen Fäusten bei mir an“, sagte dieser, „es gibt keinen, der so wenig Rassist ist wie Buddy.“ Die Stammgäste haben stets zu ihm gehalten. Die „Boa“-Familie hat von „Buddy“ viel gelernt – vor allem eines aber: Mit Humor und Ruhe wird alles besser.