Schwanger und Brustkrebs: Hinter Julia liegt eine Zeit voller Ängste und Sorgen, aber auch voller Hoffnung. Am zertifizierten Brustzentrum im Klinikum Stuttgart erhielt sie bereits während der Schwangerschaft eine maßgeschneiderte Brustkrebstherapie.
Lösungen für komplexe Situationen evaluieren und neue Wege des Denkens und Handelns aufzeigen: Der Berufsalltag von Julia als selbstständige Organisationsberaterin und Netzwerkexpertin ist alles andere als Standard. Die promovierte Organisationsentwicklerin ist es gewohnt, Situationen schnell zu analysieren und Ordnung ins Chaos zu bringen. Ein berufliches Talent, das ihr vor zwei Jahren auch privat Halt gibt. Wie bei knapp 15 Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter ist es auch bei ihr eine Endometriose, welche den Kinderwunsch erschwert. Nach einer erfolgreichen Behandlung in der Frauenklinik am Klinikum Stuttgart klappt, was schon lange der Wunsch ist: eine Schwangerschaft.
Von der frohen Botschaft zur lebensbedrohenden Diagnose
Das Glück bleibt 2023 aber nur von kurzer Dauer ungetrübt. Nahezu nahtlos ist der Übergang zur Diagnose Brustkrebs. „Das war ein richtiger Schlag ins Gesicht“, sagt die Stuttgarterin rückblickend. Zwischen der frohen Botschaft und der Sorge um das ungeborene Kind standen gefühlt nur Augenblicke – „es war einfach das Schlimmste, was passieren konnte“, erinnert sie sich. Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Jährlich erkranken rund 70.000 Frauen und etwa 700 Männer. Statistisch ist jede achte Frau im Laufe ihres Lebens betroffen. Erfolgt die Diagnose frühzeitig, sind die Heilungschancen heute besser denn je. Für die junge Mutter steht deshalb auch fest: „Der Kleine hat mein Leben gerettet – denn ohne ihn wäre der Tumor vielleicht länger unentdeckt geblieben.“
Die Entfernung der Wächterlymphknoten als wichtiger Baustein
Ihre Form des Brustkrebses, HER2 positiver Brustkrebs, bei welchem ein Protein auf der Zelloberfläche, das eine zentrale Rolle bei der Steuerung von Zellwachstum und Zellteilung spielt, Wachstumssignale empfängt und so den Vermehrungsprozess von Krebszellen beschleunigt, gilt als entsprechend aggressive Form der Brustkrebserkrankung. In der 15. Schwangerschaftswoche erfolgte deshalb bereits eine Operation. Eine tumoradaptierte Reduktionsplastik mit Entfernung von Wächterlymphknoten. „Die Entfernung und Untersuchung der Wächterlymphknoten ist ein wichtiger Baustein um das Stadium des Krebses genau zu bestimmen und die weitere Therapie optimal zu planen“, so der Leiter des zertifizierten Brustkrebszentrums, Dr. Jürgen Schuster.
Herr Schuster ist nicht nur ein ausgewiesener Experte und anerkannter Chirurg, sondern steht auch im direkten und unmittelbaren Austausch mit Professor Ulrich Karck (Ärztlicher Direktor Frauenklinik, Schwerpunkt Geburtshilfe und Gynäkologie). Ebendieser hatte zuvor die Endometriose erfolgreich bei Julia behandelt und begleitete fortan die Vorsorge während der Schwangerschaft. Durch diese enge interdisziplinäre Zusammenarbeit war es möglich, die Behandlungs- und Therapiepläne an die herausfordernde Situation optimal anzupassen und Mutter und Kind bestmöglich zu betreuen.
Zwischen Therapie und Schwangerschaftsvorsorge
Im Anschluss an die Operation wurde eine kombinierte Chemotherapie durchgeführt. Für Julia ein großer Spagat zwischen Hoffen und Bangen: „Während meine Haare ausfielen, wuchs mein Bauch. Ich habe mich zwischen den Stockwerken, zwischen Schwangerschaftsvorsorge, regelmäßigen Ultraschalluntersuchungen, Chemotherapie und Nebenwirkungen hin und her bewegt. Mit jedem Stockwerkwechsel war auch ein Wechselbad der Emotionen verbunden. Aber ich wusste auch ganz genau – ich muss jetzt stark für zwei sein.“
Eine besondere Herausforderung während der Chemotherapie in der onkologischen Tagesklinik: Während andere Patientinnen und Patienten ihre Nebenwirkungen medikamentös unterbinden oder reduzieren konnten, musste Julia auf diese Form der Therapiebegleitung verzichten. Zu groß die Gefahr, das ungeborene Kind zu gefährden. Der Schlüssel zu ihrer Widerstandskraft waren mehrere Bausteine. Familiärer Halt, aber auch der Austausch mit der Psychoonkologie, das Team der onkologischen Tagesklinik und das Angebot des Stuttgart Cancer Center – Tumorzentrum Eva Mayr-Stihl im Bereich Qigong halfen ihr dabei.
Die regelmäßigen Ultraschalluntersuchungen der Schwangerschaft waren ein fester Bestandteil ihres Alltags, um sicherzustellen, dass es dem Baby während der Krebstherapie jederzeit gut ging. Die junge Mutter sagt mit einem Lächeln: „Wahrscheinlich ist mein Kleiner das meist – per Ultraschall – fotografierte ungeborene Baby Stuttgarts.“
Ihr Sohn erblickte schließlich in der 36. Schwangerschaftswoche per Kaiserschnitt das Licht der Welt. Gleichzeitig war dies auch der Beginn einer weiteren medizinischen Herausforderung mit multiplen Therapien: Nach der Entbindung stand für Julia eine Antikörpertherapie verbunden mit einer Strahlentherapie an, auf die eine Antihormontherapie folgte.
Derzeit erhält sie eine erweiterte Anschlussbehandlung mit einem gezielt wirkenden Medikament sowie eine Antihormontherapie. Diese Kombination soll das Rückfallrisiko bei hormonabhängigem, HER2-positivem Brustkrebs weiter senken.
Julia 2.0: Ein neuer Alltag, ein neues Leben
Zwei Jahre nach der Diagnosestellung und zahlreichen Therapien hat sich ihr Leben um 180 Grad gewandelt. „Ich habe mein neues Ich angenommen – eine Julia 2.0.“ Die langen Haare sind einer blonden Kurzhaarfrisur gewichen. „Ich mache daraus einen Look“ sagt sie, lacht und führt aus: „Jeder, der mich neu kennenlernt, findet, dass mein Stil sehr tough wirkt und bringt es natürlich nicht mit dem Hintergrund einer Erkrankung in Verbindung – das finde ich gut, richtig gut.“ Sie hat sich von der Vorstellung verabschiedet, wieder die „alte“ Julia sein zu können. Stattdessen hat sie sich eine neue Version von sich selbst erschaffen: stärker, cooler und gelassener fühlt sie sich. Sie hat für sich aus der Erkrankung mitgenommen, dass der Alltag mehr ist als der „Run“ zum nächsten Projekt – auch wenn das für sie als selbständige Unternehmerin viele Challenges birgt.
Ihr Sohn ist inzwischen knapp zwei Jahre alt und entwickelt sich bestens. Sport und Bewegung sind ein fester Bestandteil ihres Lebens geworden. „Ich werde nicht mehr die gleiche sein – aber ich würde fast behaupten: Die Version Zwei ist sogar besser als Version Eins.“ Julia gilt heute als gesund. In regelmäßigen Intervallen ist sie im Klinikum Stuttgart zur aktuellen Therapiekontrolle und Nachsorge vorstellig.
Weitere Informationen zum Zertifizierten Brustzentrum und zur Endometriose finden Interessierte auf der Homepage des Klinikums Stuttgart.


