Cannstatter Volksfest Ohne Alkohol im Festzelt – nüchtern auf dem Wasen

Das Wasenwirt-Zelt war am Samstagnachmittag sehr gut besucht – vereinzelt sogar mit Gästen, die auf Alkohol verzichtet haben. Foto: Lichtgut/Zophia Ewska

Kein Bier auf dem Volksfest – das ist für viele unvorstellbar. Doch es gibt sie: Menschen, die auf dem Wasen ganz auf Alkohol verzichten. Wie sie die Stimmung wahrnehmen und warum es manchmal einsam um sie wird.

Volontäre: Rouven Spindler (rsp)

Kraftvolle Songs dröhnen durch die Lautsprecher über die Tischreihen hinweg. Hunderte der Gäste im Wasenwirt feiern in der Nähe der Bühne. Der Trubel in einem der Zelte auf dem Cannstatter Volksfest ist riesig, der Freiraum um einen selbst klein. Inmitten des Getümmels sticht ein Platz hervor. Nicht weil er besonders lautstark besetzt ist, sondern weil dort ein Glas mit einem Softdrink anstelle eines Maßkrugs abgestellt ist.

 

Tische, auf denen erkennbar alkoholfreie Getränke stehen, sind an diesem Samstagnachmittag auf dem Cannstatter Volksfest nämlich so selten wie Gänge, auf denen man ohne einen Slalomlauf an Feiernden und Kellnern vorbeikommt. Also praktisch kaum vorhanden.

Nadine Gottstein aus Heidenheim bildet eine der Ausnahmen. Sie zählt zu der Gruppe an Besuchern, die in den Zelten Party- und Schlagersongs sowie quasi überall steigende Alkoholpegel nüchtern mitverfolgt. „Es ist trotzdem witzig, aber man ist schneller genervt von dem, was drumherum passiert“, schildert die 31-Jährige. Sie ist mit Freunden aus England auf dem Wasen ist, fährt selbst und verzichtet daher auf Alkohol.

„Die Stimmung ist bei allen drumherum besser“

Nadine Gottstein war am Samstag Fahrerin und verzichtete daher auf Alkohol. Foto: Lichtgut/Zophia Ewska

„Wenn alle trinken, sind die auch immer weg“, sagt sie. Denn bis gerade eben hat sie noch allein am Tisch gesessen und auf Jacken, Taschen und Wertsachen aufgepasst. Irgendjemand aus der Gruppe sei immer weg. Einer auf dem Klo, ein anderer habe jemanden kennengelernt und der nächste quatsche irgendwo. Vorwurfsvoll klingt sie ihren Freunden gegenüber aber nicht. Die Partysongs singe sie trotzdem mit, „aber man macht es nicht so intensiv, wie wenn man eine Maß vor sich hat“. Sie schließt: „Die Stimmung ist bei allen drumherum besser als bei mir. Ich würde es nicht noch einmal machen, wenn ich eine andere Möglichkeit hätte.“

Ein Spontanbesuch – mit Spaß, ohne Alkohol

Oben auf der Empore geht es etwas ruhiger zu als unten. Und die Meinung zum nüchternen Wasenbesuch ist entsprechend etwas positiver, wenn man Asmita Sinha und ihren Partner Mohit Chachada aus Stuttgart fragt. Die beiden sind spontan auf das Volksfest gekommen. Sie sitzen neben befreundeten Familien.

Mohit Chachada (li.) und Asmita Sinha (re.) besuchten das Volksfest gemeinsam mit Freunden. Foto: Lichtgut /Zophia Ewska

Vor ihnen steht eine Zitronenlimonade, Bier und Co. lassen sie und eine weitere Freundin heute weg. „Es ist für uns nicht notwendig, Alkohol zu trinken, um Spaß zu haben“, sagt der 31-Jährige. „Auch in den Festzelten kann man ohne Alkohol feiern, viele Menschen mögen die Musik dort und das Gemeinschaftsgefühl“, weiß auch Stefanie Hirrle, Sprecherin von Veranstalter in.Stuttgart.

Unten im Zeltschiff war kein Tisch frei, darum sitzt das Paar hier oben. Von der Kulisse und den Betrunkenen fühlt sich die 30-Jährige nicht abgeschreckt, „ich habe das so erwartet“.

Die Sichtweise der Servicekellner

Auch Mika Eichhoff weiß genau, worauf er sich eingelassen hat. Zum siebten Mal kellnert er im Wasenwirt, Jörn Leyens ist zum ersten Mal dabei. Beide kommen aus Namibia und jobben halbjährlich in Deutschland. Nüchterne Gäste sind selten – ebenso wie die Nachfrage nach einer Maß mit alkoholfreiem Bier. „Zwei, drei Maß von Tausenden waren alkoholfrei“, sagt Mika Eichhoff. Die beiden verfolgen den Trubel jeden Tag nüchtern, selbst einen Schluck Alkohol hätte sie gelegentlich höchstens mit einigen Gästen aus Höflichkeit getrunken.

Eine schwere Aufgabe, die Spaß macht: Jörn Leyens und Mika Eichhoff kellnern gemeinsam im Wasenwirt-Zelt. Foto: Lichtgut /Zophia Ewska

Sie seien quasi ständig auf dem Sprung. Manche Leute würden die Kellner auch mal anspucken und mit Alkohol überschütten – daher müsse man „sehr stressresistent sein“, weiß der 25-Jährige. Letztlich mache der Job aber Spaß. „Viele Leute sind freundlich und geben auch gutes Trinkgeld. Das motiviert einen“, sagt er. Jörn Leyens, 21, setzt auf „Ohrstöpsel, durchbeißen, einfach an das Ziel denken“. Irgendwann fühle man sich in all dem „Flow“ selbst wie einer der Gäste.

Zu denen zählt auch Vanessa Klose. Und das, obwohl sie „seit sechs, sieben Jahren“ komplett auf Alkohol verzichte, weil sie diesen als Gift und Droge ansehe. Das Volksfest steht bei ihrer Familie, die aus Hennef in Nordrhein-Westfalen angereist ist, dennoch auf dem Plan. „Wir sind ja trotzdem eine Gemeinschaft. Nur weil ich nicht trinke“, erklärt die 23-Jährige, „kann ich ja trotzdem hier Spaß haben und feiern.“

Vanessa Klose reiste mit ihrer Familie aus Nordrhein-Westfalen an. Sie trinkt seit mehreren Jahren gar keinen Alkohol mehr. Foto: Lichtgut /Zophia Ewska

Blöde Sprüche sind ihr – wie auch den anderen Nüchternen im Wasenwirt – bisher erspart geblieben. Vanessa Kloses fünfköpfige Familie sitzt im Fürstenberg-Zelt auch etwas abseits. „Dadurch, dass ich mit Familie hier bin, die auch nicht so viel trinkt, ist es in Ordnung“, schildert Vanessa Klose, warum sie sich im Festzelt trotzdem wohlfühlt.

Daher kommt sie vermutlich auch nicht zum letzten Mal auf den Wasen, wo sie dann beim Feiern einen Softdrink statt eine Maß bestellt. So ein Gästewunsch stellt dann auch für die Kellner Mika Eichhoff und Jörn Leyens eine willkommene Abwechslung dar.

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