Cannstatter Volksfest Schausteller klagen nach Auseinandersetzung über Polizeigewalt

Fühlen sich zu Unrecht als Schläger dargestellt: Dominikus Zaulig, Patricia und Michael Zimmermann (von links) Foto: fr

Nach einem Polizeieinsatz in einem Festzelt melden sich die betroffenen Schausteller zu Wort. Sie fühlen sich als Schläger verunglimpft und sagen, die Polizei sei brutal vorgegangen.

Michael Zimmermann war 52 Jahre lang auf keiner Polizeiwache. Binnen fünf Tagen allerdings gleich zweimal. Einmal als Held, einmal als Schurke. Erst half er den Wohnwagen eines Kollegen zu löschen, dann wurde er in Handschellen als angeblicher Schläger vorgeführt.

 

In Handschellen zur Wasenwache

Ortstermin in der Kabine seines Fahrgeschäfts auf dem Wasen. Zimmermann ist da, seine Frau Patricia und Kollege Dominikus Zaulig, 61, Betreiber eines Kinderfahrgeschäftes. Alle drei sind Montagnacht in der Bar eines Festzeltes festgenommen und in Handschellen zur Wasenwache gebracht worden.

Was war passiert? Im Polizeibericht las sich das so: „Ersten Erkenntnissen zufolge gerieten Angehörige von Schaustellerbetrieben gegen 23.45 Uhr aus bislang unbekannter Ursache in einen Streit. Als Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes eingriffen und Hausverbote aussprachen, richteten sich die Gewalttaten gegen diese, weshalb Einsatzkräfte der Polizei hinzukamen. Offenbar sollen sich die beteiligten Personen zunehmend gegen die Polizisten und Sicherheitsmitarbeiter solidarisiert und diese angegriffen haben, sodass die Beamten Pfefferspray einsetzen mussten. Insgesamt acht Polizeibeamte und vier Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes erlitten leichte Verletzungen.“

Es gibt Ärger um einen Einsatz der Polizei. Foto: Andreas Rosar

So weit die Version der Polizei. Ganz anders empfunden haben die Situation das Ehepaar Zimmermann und Dominikus Zaulig. Tatsache sei, dass sich 50, 60 Schausteller für diesen Abend in der Bar verabredet hatten. Man habe einen Alleinunterhalter gebucht, der Reggae und Soul spielte. Montags sei nicht so viel los auf dem Platz, sagt Zimmermann, da habe man sich einen schönen Abend machen wollen. Einen ruhigen, betont er. Er selbst war um 19.30 Uhr dort, Kollege Zaulig kam um 23 Uhr dazu, „nachdem ich mein Geschäft abgestellt hatte“.

Verschiedene Versionen zu dem Vorfall auf dem Wasen

Was dann passierte, dazu gibt es verschiedene Erzählungen und es kursieren diverse Videos. Zimmermann sagt, was er mitbekommen habe, sei, dass sich zwei Frauen vor den Toiletten geschubst hätten, eine sei daraufhin die Treppe herunter gerannt. Kurze Zeit später sei dann die „Polizei dieselbe Treppe hoch gestürmt. „Aber bis dahin haben wir getanzt und uns unterhalten.“ Ob der Grund für den Einsatz der Streit der Frauen war, oder, ob wie kolportiert, die Security die Polizei rief wegen einer Schlägerei im Eingangsbereich des Zeltes, kann auch die Polizei nicht sagen. Es sei zu früh ins Detail zu gehen, sagt die Pressestelle der Polizei.

Ins Detail gehen wollen hingegen die Schausteller. Sie fühlen sich ungerecht behandelt. Zimmermann: „Ich weiß nicht, warum mir Handschellen angelegt wurden, ich habe nichts getan!“ Nun ist dies keine originelle Aussage, Zimmermann weiß dies selbst. Aber er glaubt, sie belegen zu können. Er zeigt verschiedene Videos von dem Abend. Nun vermitteln auch Bilder nur punktuelle Eindrücke, aber man sieht ihn deutlich inmitten einer Menge stehen. Man sieht keine Randale, keine Schlägerei, Zimmermann steht einfach da, als die Polizei kommt. „Als die Polizei mich dann rausgepickt hat und mir Handschellen angelegt hat, ist es unübersichtlich geworden.“

Beim Volksfest Pfefferspray ins Gesicht gesprüht

Zaulig erzählt sichtlich aufgebracht davon, dass seine Tochter einen Schlagstock in den Rücken bekommen habe. „Sie wollte einfach nur weggehen.“ Als er das gesehen habe, sei er ausgeflippt. Welchem Vater würde es nicht so gehen? fragt er. Daraufhin hätten Polizisten ihn zu Boden gerungen, drei Polizisten hätten ihn festgehalten, ihm die Knie in den Rücken gerammt. Er habe gerufen: „Ich bekomme keine Luft! Ich bekomme keine Luft!“ Daraufhin habe ihm ein Polizist noch Pfefferspray ins Gesicht gesprüht.

Patricia Zimmermann sagt, eine Polizistin habe sie von hinten am Hals gepackt und gewürgt. „Ich hatte vor fünf Wochen eine OP an der Schilddrüse.“ Das habe die Polizistin natürlich nicht wissen können, aber auf der Wasenwache habe sie von ihrer Tumorerkrankung und der OP erzählt. Dennoch habe sie wie alle anderen, zweieinhalb Stunden angekettet an eine Stange auf der Bank auf der Wasenwache sitzen müssen.

Nach Vorfall auf dem Wasen Anfeindungen im Netz

„Polizist ist ein schwieriger Beruf“, sagt Zimmermann, „aber darf man so mit uns umgehen?“ Besonders entsetzt ihn und die Kollegen, wie schnell Schausteller nun wieder das „fahrende Volk“ und „die Zigeuner“ sind. In den sozialen Netzwerken sind solcherlei Kommentare haufenweise zu lesen, „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“ ist da noch einer der harmloseren. Und dass Angestellte der Bar ein Video veröffentlichten und vertonten mit der Musik „Lasst die Affen aus dem Zoo“, kann man auch geschmacklos finden, ohne zu wissen, dass Zimmermanns Uropa ein schwarzer Amerikaner aus New York war.

Angst vor Ausschluss vom Volksfest

Zaulig wird sich im Krankenhaus untersuchen und seine Verletzungen dokumentieren lassen. Einen Anwalt werden sie suchen und ihrerseits Klage einreichen. Es drohen ja nicht nur Strafen wegen Landfriedensbruch und Widerstand, sondern auch berufliche Konsequenzen. „Es gab ja schon erste Stimmen, die einen Ausschluss vom Fest fordern“, sagt Zimmermann und fürchtet Konsequenzen für künftige Bewerbungen. Deshalb werde er natürlich um sein Recht kämpfen.

Und was sagt die Polizei zu den Vorwürfen? „Über die Meldung hinaus können wir noch nicht mehr sagen“, heißt es. Zum Vorwurf der übermäßigen Gewaltanwendung will man sich nicht explizit äußern. Man werte die Beweismittel aus, durch die vielen beteiligten Personen werde dies allerdings einige Zeit in Anspruch nehmen.

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