Das 177. Cannstatter Volksfest geht zu Ende. Zeit Bilanz zu ziehen. In 17 Tagen kamen rund 4,6 Millionen Menschen, so viele wie noch nie. Und die Zahl der Straftaten sank deutlich.

So ein Volksfest kann hart sein. Für alle Beteiligten. Für die Gäste, denen Alkohol oder Umherwirbeln in Fahrgeschäften ein flaues Gefühl in Magen und Bauch bescheren. Und für Wirte, Schausteller, Organisatoren und Polizei. Die Herren in der Runde am Sonntagmorgen im Hofbräu-Zelt waren angeschlagen, die Augen klein, die Stimmen rau. 17 Tage fordern ihren Tribut. Aber es hat sich gelohnt. Das war die Botschaft, als man zum guten Schluss Bilanz zog.

 

Jeder Besucher wird gezählt

4,6 Millionen Besucher, das ist der beste Besuch, seit man ernsthaft zählt. Im letzten Jahrhundert hat man zwar mit Zahlen von mehr als sechs Millionen Menschen operiert, doch da hatte das Marktamt versucht, mit dem Oktoberfest mitzuhalten, und die Zahlen mit sehr viel Fantasie geschätzt. Nunmehr wird der Platz von Kameras beobachtet. Und jeder Besucher gezählt. 4,6 Millionen Menschen also. Mehr als die 4,3 Millionen aus dem Vorjahr.

Gruß vom Volksfest Foto: dpa/Christoph Schmidt

Und deutlich mehr als man erwartet hatte. „Wir hatten im Vorjahr im Schnitt zehn Grad mehr“, sagt Andreas Kroll, Geschäftsführer der Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart. Doch das Wetter schreckte offenbar die wenigsten ab. Fünfmal schlage man an guten Tagen den Platz um, sagte Abteilungsleiter Marcus Christen von der in.Stuttgart. Das heißt, an einem Samstag etwa wechselt das Publikum alle zwei, drei Stunden durch. 90 000 Menschen passen beim Volksfest maximal auf den Wasen, doch ein steter Zustrom und Abfluss sorgt dafür, dass man an manchen Tagen eine halbe Million Besucher hat. „Und die wenigsten davon gehen ins Festzelt“, räumt Christen mit einer Mär auf. 40 000 Plätze gibt es in den Zelten, an einem Samstag etwa wird da zweimal durchgewechselt, macht also 80 000 Besucher. Der Rest bewegt sich auf dem Platz.

Sehr zur Freude der Schausteller. Denen das Wetter durchaus zu schaffen machte. Montag und Dienstag war tagsüber auf dem Wasen nicht viel mehr los als auf dem Waldfriedhof. „Manche Kollegen waren am Freitag alles andere als glücklich“, sagt Schaustellervertreter Mark Roschmann, „aber das Wochenende war nochmals großartig.“

Auch die Wirte zeigen sich „sehr zufrieden“. Marcel Benz vertrat Werner Klauss als Sprecher, er sagte: „Wir haben eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr, sind aber noch nicht wieder ganz auf Vor-Corona-Niveau angekommen.“ Was ihn und die Kollegen aber sehr gefreut habe, in den Zelten sei es sehr friedlich zugegangen. Das galt auch für das Volksfest insgesamt, bestätigte Jörg Schiebe, Leiter der Wasenwache. Seine Kollegen und er beobachteten einen deutlichen Rückgang der Straftaten. 35 Prozent weniger sogar. Absolute Zahlen wollte er nicht nennen, aber in den Vor-Corona-Jahren bewegte man sich bei 700 bis 800 Straftaten.

Damit wäre man jetzt bei ungefähr 450. Und das bei mehr Besuchern. Die eine Erklärung dafür hat auch Schiebe nicht. Ganz sicher habe die Umstrukturierung des Platzes geholfen, weniger Ecken, breitere Straßen. Damit weniger Gedränge, weniger Aggression, auch 50 Prozent weniger Taschendiebstähle, und eine „besser wahrnehmbare Polizei“. Das Wetter habe für mehr Wechsel gesorgt, Suff und Frust haben sich so nicht angestaut, ein Pfandsystem für Becher reduzierte den Müll auf dem Platz, alles so Mosaikstücke.

Bilanz der Polizei

Eines dieser Mosaikstücke ist auch die Wasenboje. Sie sorgt neben Hilfe für Frauen und Mädchen, dafür, dass Sprüche, Belästigung und Grapschen als das wahrgenommen werden, was sie sind: Eine Straftat. Projektleiter Marc Reinelt erzählte, dass er mittlerweile immer wieder höre, dass jetzt auch Besucher in den Zelten eingreifen, wenn sie dies wahrnehmen. 150 Hilfeleistungen hatten sie, so viele wie im Vorjahr, das ging vom vermissten Kind übers Handy aufladen, verlorenen Handtaschen, Trunkenheit bis zu 50 Fällen von sexualisierter Gewalt.

Die Polizei verzeichnete eine „Handvoll Fälle“ von Upskirting, also das Fotografieren unter den Rock. Einen Besucher aus einem Nachbarland erwischte man dabei, wie er Frauen in den Ausschnitt filmte und die Fotos in einer Whats-App-Gruppe teilte. Ihn erwartet eine Anzeige.

Wie viel Geld wird verdient?

Wasenbürgermeister Thomas Fuhrmann war das Volksfest so wichtig, dass er trotz Erkältung gekommen war und betonte, wie wichtig der Rummel auf dem Wasen sei. „4500 Menschen arbeiten dort“, sagte er, „eine halbe Milliarde Euro beträt die Umwegrentabilität.“ Das ist die Summe, die bei den Menschen ankommt; bei Handwerkern,die die Zelte aufbauen, den Lieferanten, Bierbrauern, Hoteliers, Restaurantbesitzern, Taxifahrern, Supermärkten und Einzelhändlern. Da lohnt sich der Einsatz. Selbst wenn am Ende die Stimme rau ist.