Das Volksfest ist auch das Hochamt der Brauereien. Als Marktplatz, aber auch zur Leistungsschau. Warum gibt es ein eigenes Festbier – und wie kommt es eigentlich auf den Wasen?
Es ist ein böses Wort. Wenn man sehen will, wie der Technische Leiter einer Brauerei zusammenzuckt und erkennbar Schmerzen hat, muss man sagen, ein Bier sei süffig. Das mundet Markus Becke so sehr wie schales Bier. Er bevorzuge „hohe Trinkfreude“.
Wir sind bei Hofbräu, tief im Stuttgarter Süden. Heute mitten in der Stadt, einstmals am Rand. Und am Hang. Optimal gelegen fürs Bierbrauen. In Felsenkellern ließ sich Eis lagern. Das brauchten die Braumeister, weil viele Biersorten während des Herstellens gekühlt werden müssen.
Das Wasser kommt bei Stuttgarter Hofbräu aus einem eigenem Brunnen
Auch Brauwasser war im Süden reichlich vorhanden – sowohl im tiefen Untergrund als auch in den Quellen am Hasenberg. Hofbräu hat gar einen eigenen Brunnen, 56 Meter tief. Also das Brauwasser mitten im Betrieb. Das Wasser mit einem hohen Calciumsulfat-Anteil hat mit dem Oberen Gäu die gleiche Quelle wie das Bad Cannstatter Mineralwasser. Es ist aber lange nicht so salzhaltig.
Und sorgt für eine „hohe Trinkfreude“. Was natürlich bedeutet, die Leute sollen es gerne trinken – und viel davon. Besonders viel natürlich beim Volksfest, der Leistungsschau der Stuttgarter Brauereien. Gerade mal einen Kilometer trennen Dinkelacker-Schwabenbräu und Hofbräu. Wenn sie brauen, riechen das nicht nur die Einwohner in der Innenstadt, auch bei der Konkurrenz schwebt die fremde Duftwolke ein. Überall in der Stadt begegnen sich die beiden Platzhirsche: beim Wetteifern um Bars, Kneipen und Lokale – und natürlich beim Volksfest. Dinkelacker-Schwabenbräu beliefert logischerweise mit seinen Marken seine eigenen Zelte und mit Wulle noch das Göckelesmaier-Zelt.
Stuttgarter Hofbräu beliefert vier Zelte auf dem Cannstatter Wasen
Hofbräu ist im eigenen Zelt, beim Wasenwirt, bei Sonja Merz und bei Nina Renoldi. 4:3 könnte man sagen. Gut fürs Prestige, aber nicht übermäßig wichtig für die Bilanz, betonen sie. Ein großes Geschäft sei das Volksfest nicht für die Brauereien. Wie viele Hektoliter Bier beim Volksfest verkauft wird, will man nicht sagen, weil man dies in Stuttgart anders als in München als Betriebsgeheimnis behandelt, ebenso wie viele andere Zahlen. Am jährlichen Ausstoß der Brauereien habe das Volksfest-Bier jedoch keinen großen Anteil, mehrere tausend Hektoliter verkaufe man, ungefähr fünf Prozent des jährlichen Ausstoßes, sagt Martin Alber, Sprecher der Geschäftsführung von Hofbräu.
Dafür betreibt man aber einen besonderen Aufwand. Weil man früher in der kalten Jahreszeit braute und das Bier über den Sommer halten musste, ohne Kühlschrank, war es stärker, also mit mehr Stammwürze und mehr Alkoholgehalt. Aus diesem Märzen wurden die Festbiere. Und jede Brauerei, die was auf sich hält, braut ein Festbier. Schon der „Berufsehre“ wegen. Drei davon haben sie bei Hofbräu im Portfolio. Weihnachtsbier, Frühlingsfestbier – und natürlich das Volksfestbier.
Im Juli wird bei Hofbräu das Volksfestbier gebraut
Im Juli fangen sie damit an. Nach einem „altüberlieferten Rezept“, sagt Becke. Aber anders als beim Backen ändert sich die Zusammensetzung Jahr für Jahr. „Denn die Rohstoffe unterscheiden sich in der Qualität.“ Der Hopfen sei mal stärker oder schwächer, das Malz „mal von der Sonne verwöhnt oder entwöhnt“. Das Karamellmalz ist wohl der größte Unterschied zu anderem Bier. Man gibt 25 Prozent zu statt wie sonst fünf bis 15 Prozent. Das Malz sorge für eine Süße mit „Toffee-Honig-Aromen“.
Damit es nicht zu süß schmeckt, zu schnell satt macht, gibt man Aromahopfen zu mit Kräuteraromen. Für die „hohe Trinkfreude“. Denn es soll ja viel getrunken werden. Am Vorabend der Eröffnung wird dann traditionell mit dem Festwirt im Hofbräu-Zelt getestet, wie das Festbier schmeckt.
Hofbräu liefert die ganze Nacht lang aufs Volksfest
Gebraut ist es also. Doch wie kommt es auf den Wasen? „Dafür sind bis zum Zapfhahn wir verantwortlich“, sagt Becke, „wir geben da nichts aus der Hand.“ Am Dienstag haben sie angefangen mit den Tanklastern auf den Wasen zu fahren. An den Zelten stehen Tanks, der größte fasst 100 Hektoliter. Der fasst also 10.000 Maß Bier. Insgesamt beträgt die Kapazität an allen Zelten, die Hofbräu beliefert 2200 Hektoliter, es ist also Bier für 220.000 Maß in den Tanks.
Aus geht es dennoch mal. Während des Betriebs darf das aber nicht passieren. „Mein Albtraum schlechthin“, sagt Martin Alber. Dass er nicht wahr wird, daran arbeiten drei Teams mit jeweils drei Leuten. Von 21 Uhr abends bis 11 Uhr morgens ist ihr Job, auf die Tanks zu achten. Es werden Proben genommen, per Steigleiter am Tank prüfen sie, wie viel Bier noch da ist, es gibt eine Meldekette, damit das Bier nie ausgeht. Es gibt Durchlaufkühler, damit das Bier die gewünschte Temperatur von sieben, maximal acht Grad hält. So kalt wird es gezapft, wärmer wird es im Zelt dann automatisch. Für Vertriebsmitarbeiter gehört ein Thermometer übrigens zur Standardausrüstung. Damit messen sie in Kneipen, wie ihr Hofbräu serviert wird. Denn wenn die Sensorik nicht stimmt, das Bier nicht schmeckt, weil es zu warm ist, dann geht das mit der Brauerei heim. Also achten sie mit Argusaugen darauf.
Es gibt auch Fässer auf dem Cannstatter Wasen
Doch zurück zum Volksfest. Dort liefert ja Hofbräu nicht nur an die genannten drei großen Festzelte. Die Imbisse bekommen ihr Bier in 50-Liter-Fässern geliefert. Ein Sonderfall ist die Almhütte von Nina Renoldi. Die Wirtin aus Bremen serviert das Bier nicht in Maßkrügen, sondern im Zehn-Liter-Fass auf den Tisch. Das macht sie auf dem Bremer Freimarkt schon seit Jahren. Als sie dies auch in Bad Cannstatt tun wollte, musste man bei Hofbräu erst mal austüfteln, wie das funktionieren könne. Eine Delegation um Alber machte sich auf zum Ortstermin nach Bremen, befand die Idee für gut. Und sie ließ sich auch umsetzen, denn 2024 habe man eine neue Fassabfüllung eingebaut, sagt Becke, mit der sich auch Zehn-Liter-Fässer abfüllen lassen.
In den Fässern ist selbstverständlich auch Festbier. Das es übrigens auch in Flaschen gibt. Seit einem Jahr im Retro-Look. Die Kellnerin und das Riesenrad gingen in Ruhestand, statt ihrer auf dem Etikett finden sich ein springendes Pferd, die Grabkapelle und die Stiftskirche. Die Älteren werden sich erinnern, das gab es in den 50er Jahren schon mal. Das Etikett ist alt, das Bier selbstverständlich frisch. Und süffig. Pardon, es glänzt mit „hoher Trinkfreude“.
Cannstatter Volksfest
Das 178. Volksfest
Der diesjährige Wasenrummel wird um 16 Uhr im Dinkelacker-Zelt eröffnet. Bis zum Sonntag, 12. Oktober, wird das Volksfest gefeiert.
Öffnungszeiten
Geöffnet haben die 300 Betriebe von Montag bis Donnerstag von 12 bis 23 Uhr Uhr, freitags und am Donnerstag, 2. Oktober, von 12 bis 24 Uhr, samstags und am Freitag, 3. Oktober, von 11 bis 24 Uhr, sonntags von 11 bis 23 Uhr.