Für ein offizielles Namensschild hatte es am Sonntag in der Kürze der Zeit nicht mehr gereicht. Also saß Lars Masell quasi inkognito in der Pressekonferenz nach dem Spiel. Weil Chefcoach John Patrick krankheitsbedingt kurzfristig ausgefallen war, musste der 44-jährige Co-Trainer des Basketball-Bundesligisten MHP Riesen Ludwigsburg gegen Ratiopharm Ulm einspringen. Wie diese Saison schon in Bonn und Berlin. Und beim 92:71-Sieg erneut mit Erfolg. Aller guten Dinge sind eben drei.
Doch auf sein Erfolgsrezept angesprochen, gab sich der Mann mit dem markanten Rauschebart bescheiden. „Ich musste gar nicht viel tun, ein Derby gegen den Tabellenzweiten ist schon Motivation genug für die Mannschaft“, sagte Masell. Seine Erfolgsbilanz kann sich sehen lassen. Alles halb so wild, meinte der Mister 100 Prozent selbst, der es als Spieler nur bis in die dritte Liga schaffte und selbst schon zugab: „Für mehr war ich zu schlecht.“
Aber nicht nur Insider meinen, Masell stelle sein Licht unter den Scheffel. Denn die besiegten Gegner waren eben auch alles andere als Laufkundschaft, während die Riesen in dieser Saison bei weitaus schwächeren Teams schon enttäuscht hatten. Alles nur Zufall? Offensichtlich jedenfalls ist, dass die Ludwigsburger Mannschaft in den genannten Begegnungen befreiter aufspielte, aus welchem Grund auch immer. Vielleicht weil sie etwas mehr Freiheiten genoss, vielleicht weil sie sich auch mal einen Fehler erlauben konnte. Denn Chefcoach John Patrick zögert im Zweifel nicht lange, um einen Spieler auf die Bank zu setzen.
Der Sieg gegen den bisherigen Tabellenzweiten aus Ulm stand jedenfalls nie in Frage. Masell: „Wir sind mit der richtigen Energie ins Spiel gegangen, und wollten auch für John Patrick kämpfen.“ Der hat sich via Handy gleich nach dem Spiel gemeldet und gratuliert. Schließlich hatte er zumindest den Matchplan ja noch ausgetüftelt gehabt. Sein Fehlen bahnte sich erst am Sonntagnachmittag an, Spielbeginn war um 18 Uhr. „Die zeitlichen Abstände werden immer geringer“, erzählte Masell, „beim ersten Mal waren es noch fünf Tage, beim zweiten Mal ein Tag und jetzt zwei Stunden. Ich hoffe es wird nicht noch kürzer.“ Vor seinem Chefcoachdebüt bei den Riesen in Bonn räumte er noch ein, dass der Puls hochgegangen ist, jetzt blieb gar nicht mehr viel Zeit zur Nervosität.
Masell kennt den Verein zudem schon aus der Saison 2021/22 als Co-Trainer, dann ging er zum Ligakonkurrenten nach Bayreuth als Chef, wo er allerdings als Tabellenletzter vorzeitig entlassen wurde. Jetzt ist er zurück und sagt: „Wir sind Glückskinder.“ Denn er war ja nicht allein auf weiter Flur. Ihm zur Seite stand der zweite Assistent, Kenji Sato, ein erfahrener Japaner, der in Ludwigsburg gewissermaßen hospitiert und den Patrick aus seiner vorigen Station bei den Chiba Jets kennt: „Wir funktionieren als Team“, betonte Masell, „und Kenji ist ein absoluter Ruhepol.“
Vielleicht liegt ja in der Ruhe die Kraft, jedenfalls wirkt es von außen oftmals so. Die Spieler trauen sich was, haben gegen Ulm ihre Offensivschwäche einfach abgelegt und mit 92 erzielten Punkten ihren Saisonbestwert in der Liga eingestellt. Und den starken Gegner trotzdem bei 70 Punkten gehalten. Was das aussagt? „Dass Lars Masell einen guten Job gemacht hat“, meinte der Riesen-Vorsitzende Alexander Reil, dem der Erfolg zumindest beim Reha-Prozess nach seiner Hüft-Operation helfen dürfte. Geben ihm die drei Siege in drei Spielen nicht zu denken? Antwort Reil: „Manchmal ist es besser, nicht zu viel nachzudenken.“ Über diese Aussage wiederum kann sich jeder seine eigenen Gedanken machen.
Zumindest bis zu diesem Dienstagabend. Dann steht um 19.30 Uhr die Partie im Europe Cup gegen Spirou BC Charleroi aus Belgien auf dem Programm. Fragt sich nur noch: Wer steht als Coach an der Seitenlinie?