Er ist einer der erfolgreichsten Schauspieler dieser Tage, nebenher auch ein gefragter DJ – und er fotografiert auch für sein Leben gern. In Düsseldorf zeigt eine bunte Schau Eidingers Schaffen mit der Kamera. Ist das so gut wie seine Kunst vor der Kamera?
Gibt es eigentlich irgendetwas, was er nicht kann? Seit Jahren steht Lars Eidinger als Schauspieler auf der Bühne, ob in Berlin oder bei den Salzburger Festspielen. Er hat selbstverständlich auch schon inszeniert, im „Tatort“ gemordet und für seine Kino-Rollen allerhand Preise abgeräumt. Sogar als Talkmaster hat Lars Eidinger sich versucht bei einer eigenen Doku-Talkshow. Andere würden da in dem bisschen Freizeit, das da noch bleibt, vielleicht mal die Füße hochlegen – Lars Eidinger dagegen ist nächstens noch als DJ unterwegs, womit er inzwischen angeblich mehr Geld verdient als am Theater.
Als wäre all das nicht schon bei weitem genug, streift Lars Eidinger auch gern durch die Straßen und fotografiert mit dem Smartphone. Das Museum K 21 in Düsseldorf widmet ihm jetzt sogar eine große Ausstellung – „O Mensch“. Und schon zur Eröffnung strömten die Menschen in Massen. Lars Eidinger scheint beliebt zu sein – auch wenn er sich bei der Vernissage bei manchem unbeliebt machte. Die Presse stöhnte in jedem Fall über seine Eröffnungsrede, einen Dauermonolog, bei dem Eidinger frank und frei einräumte: „Sie merken, ich habe mir nichts überlegt.“
Aber Erfolg verführt dazu, die Gunst des Publikums für gesetzt zu halten – worauf vermutlich auch das Museum K 21 setzt. Denn Lars Eidinger ist kein schlechter Fotograf, aber hätte er sich mit seinen Smartphone-Fotos als Unbekannter bei der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen beworben, hätte man ihm sicher nicht ein Stockwerk freigeräumt.
Kuriositäten und Störfaktoren
Lars Eidinger spürt als Fotograf Kuriositäten im Alltag auf – beiläufige Momente, Zufälle, die aus dem Üblichen ausbrechen, Störmomente und Irritationen, die schmunzeln lassen. Da hat einer den Boden gefliest, aber eine Platte schräg eingefügt. Starkes Wurzelwerk hat das Pflaster in eine Wellenlandschaft verwandelt. Hier zwei Schaufensterpuppen, die sich in den Armen liegen. Dort ein Mann, der auf einem Grab Gymnastik macht.
Lars Eidinger kommt durch die Welt. Er war schon in Peking und Holzkirchen, in Cleveland und in Bukarest, in Sydney und Hongkong und während seiner Streifzüge durch die Straßen sind viele, viele Fotos und Videos entstanden, die er viele Jahre auf seinem Instagram-Account veröffentlichte – wo sie genau richtig waren. Allerdings habe das Medium einen „toxischen Einfluss“, stellte Eidinger fest, es habe ihn krank gemacht. Deshalb hat er den Account schließlich wieder gelöscht.
Ob die Fotos tatsächlich museale Qualität besitzen, sei dahingestellt. Aber es macht Spaß, auf die Suche nach den Aha-Momenten zu gehen und die Pointen zu entdecken, die Lars Eidinger auf sympathische und unprätentiöse Weise einfängt: Lustig ist die Frau, die im Blumenkleid im Blumenladen steht oder der junge Mann, der in der Ersten Klasse Kopf über auf dem Flugzeugsessel hängt. Mal ist auf der Hochhausfassade nur ein einziges Fenster geöffnet, dann wieder trägt ein Mann vor einem goldenen Hauseingang eine goldene Jacke.
Menschen sind hier nur Statisten
Es sind die Streifen, Muster und Raster, die Lars Eidingers Blick anziehen, aber auch Gestalten, die quasi als menschliche Störfaktoren aus dem kommerziellen Großstadtleben herausstechen: Bettler und Obdachlose, Männer, die als lebendige Werbeträger ein paar lausige Kröten verdienen. Eidinger zeige „die soziale Tristesse“, meint denn auch die K 21-Direktorin Susanne Gaensheimer – aber letztlich ist sein Blick oberflächlich
Er interessiert sich nicht wirklich für die Individuen, die er fotografiert, nicht für die alte Frau, die einsam auf dem Rollator am Straßenrand sitzt, und auch nicht für den Jungen, der kniend auf dem Boden kauert und bettelt. Menschen sind für Eidinger nicht mehr als Statisten in der Großstadt, gleich bedeutend mit den krumm gewachsenen Bäumen oder absurd verlaufenden Geländern.
Um die existenzielle Dimension zu betonen, die hier nur behauptet und nicht ernsthaft verhandelt wird, hat die Lyrikerin Yoko Tawada Haikus zu den Fotografien verfasst wie „Verblasst sind ferne Jahre. – da hast du getanzt ohne Zuschauer“ oder zum Bild eines älteren Zwillingspaares im Partnerlook: „Schweigend unterwegs – ich und mein Doppelgänger – wir haben nur uns.“
Das klingt recht bedeutsam und tiefschürfend, am Ende zeigt „O Mensch“ aber doch nur Momente, die jeder entdecken kann, der mit offenen Augen durch die Welt geht.
O Mensch. Bis 26.1., K 21 in Düsseldorf, geöffnet Di bis So von 11 bis 18 Uhr