Dramatische Hochwasserlage So wirkte sich das Hochwasser im Kreis Esslingen aus
Glück und Können wehrten im Kreis Esslingen das Schlimmste ab. Aber nicht überall ging es glimpflich aus.
Glück und Können wehrten im Kreis Esslingen das Schlimmste ab. Aber nicht überall ging es glimpflich aus.
Das Jahrhunderthochwasser im Süden Deutschlands ging auch am Kreis Esslingen nicht vorbei. Auch wenn die Auswirkungen in vielen anderen Landkreises Baden-Württembergs und Bayerns noch gravierender waren, so ist der Schaden an den betroffenen Städten und Gemeinden im Landkreis dennoch hoch. Die Stadt Esslingen konnte eine Überschwemmung in der Innenstadt durch den Bau eines Damms verhindern.
1600 Tonnen Sand und Stein aus einem Kalksandsteinwerk wurden herangeschafft, teilweise mit Unterstützung von Landwirten aus der Umgebung. 75 Lkw fuhren das Material aus dem Steinbruch, der zwischen Esslingen und Stetten liegt, an das Esslinger Wasserhaus. Hier fließt ein Seitenarm des Neckars ab, der die Esslinger Kanäle mit Wasser versorgt. Der Damm ist rund 30 Meter breit und kann, sobald die Flut vorbei ist, in wenigen Stunden wieder zurückgebaut werden, wie Jörg Bayer von der den Damm bauenden Firma Bayer Baustoffwerke versicherte. Oberbürgermeister Matthias Klopfer sagte: „Wir hatten Glück im Unglück, dass die Ferien vorbei sind und genug Leute da waren, die die 1600 Tonnen herbeischafften und den Damm bauten.“ 2013 wurde an derselben Stelle schon einmal ein Damm gebaut. Der damalige Bau beim Hochwasser 2013 diente als Blaupause für den jetzigen.
Der Zugang zum nahe gelegene Landratsamt in den Pulverwiesen wurde wegen des Hochwassers am Montagmorgen gesperrt. Publikumsverkehr war dort nicht mehr möglich. Im Tierpark Nymphaea, der in Esslingen auf einer der Neckarinseln liegt, sind bislang alle Tiere im Trockenen geblieben. Das Team des Aquarien- und Terrarienvereins ist guter Dinge, dass das auch weiterhin so bleibt. „Aktuell ist es entspannt“, berichtet Mitglied Alexa Schlotterbeck. Am Montag sei der Grundwasserstand wieder etwas zurückgegangen. „Wenn wir merken, dass Gefahr besteht und Gehege volllaufen, können wir aber evakuieren“, sagt Schlotterbeck. Ähnlich handhabt es das Esslinger Tierheim, dessen Räume ebenfalls trocken geblieben waren. Sabine Försterling, für Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich, lobt die Anteilnahme, die der Einrichtung entgegengebracht wurde. Viele hätten Hilfe angeboten, etwa über Social Media.
Im gesamten Landkreis wurden am Wochenende mehr als 1000 Einsätze der Rettungs- und Hilfskräfte gezählt. Das Landratsamt ruft die Bevölkerung auf, gesperrte Gebiete zu meiden. „Wir beobachten fallende Pegel an den Flüssen und Bächen im Landkreis, warnen aber weiterhin dringend davor, abgesperrte Bereiche zu betreten, dort besteht Lebensgefahr“, betonte Landrat Heinz Eininger.
Die Einsatzschwerpunkte lagen entlang von Flüssen und Bächen sowie im Lenni-nger und im Neuffener Tal. In Nürtingen wurde die B 313 am Sonntagnachmittag gesperrt, nachdem der Neckar über die Ufer getreten war und sich Wasser auf der Fahrbahn ansammelte. Zudem wurde die Bundesstraße bis Montag als Parkmöglichkeit für die Schausteller genutzt, die den Oberensinger Festplatz wegen Hochwassergefahr kurzfristig räumen mussten. „Wir beobachten die Situation weiterhin engmaschig und haben dazu unseren Koordinierungsstab einberufen“, sagt die Erste Landesbeamtin, Marion Leuze-Mohr.
Der Nürtinger Maientag, der am Freitag, 7. Juni auf dem Festplatz in Oberensingen beginnt, soll aber in jedem Fall stattfinden, teilt die städtische Verwaltung mit. Anders sieht die Lage weiter östlich im Kreis, in Hochdorf aus. Dort musste der örtliche Musikverein sein traditionelles Musikfest auf dem Hochdorfer Breitwiesenparkplatz nach zwei Tagen vorzeitig beenden. Der Montag fiel sozusagen ins Wasser. Grund dafür war der über die Ufer getretene Talbach in der Hochdorfer Ortsmitte. Am Sonntagabend hatte das Wasser das dort aufgebaute 40 Meter lange Festzelt auf einem Drittel geflutet. „Wir sind regelrecht abgesoffen“, erklärte Rudi Krämer vom Musikverein.
In Plochingen und in Reichenbach fielen am Montagmittag die Pegel von Neckar und Fils, nachdem sie in der Nacht zuvor nochmals heftig angestiegen waren. Die Fußgängerbrücke am Plochinger Bruckenwasen blieb dennoch vorsorglich gesperrt, was Schaulustige – selbst mit Rollatoren – allerdings nicht davon abhielt, den Übergang zu benutzen. Auch auf der Neckarbrücke tummelten sich Selfie-Macher, um sich vor dem überströmenden Zusammenfluss von Fils und Neckar zu verewigen. In Reichenbach waren die Wassermassen, etwa am Filswehr, ebenfalls nicht mehr ganz so gewaltig wie in der Nacht. Gleichwohl waren dort Arbeiter der Stadt damit beschäftigt, dem angeschwemmten Treibholz Herr zu werden. Etwas weiter östlich, am Ortsausgang Richtung Ebersbach, hatte das ansteigende Grundwasser sowie ein ansonsten kleines Bächlein für Unheil gesorgt. Aus einem Gartengrundstück und den angrenzenden Feldern war eine Seenlandschaft geworden.
Aufräumarbeiten
Überall dort, wo das Hochwasser am Montag wieder zurückgegangen war, begannen auch sogleich die Aufräumarbeiten. Das Ausmaß der Schäden trat damit erst zu Tage. Wie hoch diese im Landkreis Esslingen insgesamt ausgefallen sind, dazu gab es noch nicht einmal grobe Schätzungen.
Überflutung
Schlimm erwischt hat es die Felder und Gewächshäuser des Bioland-Gärnerhofs Schickinger bei Reichenbach. Kartoffeln, Tomaten, Salat und etliches weiteres angebautes Gemüse standen unter Wasser. Insgesamt rund die Hälfte der Flächen, so schätzt Betreiber Felix Schickinger, dürften überflutet gewesen sein. „Speziell in der hinteren Reihe der Gewächshäuser ist wohl nichts mehr zu retten“, vermutet er. Vor allem das schnell ansteigende Grundwasser sei für die Überschwemmung verantwortlich, fügt er hinzu. Den entstandenen Schaden kann Schickinger noch nicht beziffern. „Das sehen wir, wenn’s abgelaufen ist.“