DRK-Landesschule in Not Die Retter-Schule muss selbst gerettet werden
Seit Jahren kriselt es an der Landesschule des Roten Kreuzes. Nun spitzt sich die Lage zu: der neue Chef ist schon wieder weg, die zwei obersten DRK-Manager übernehmen.
Seit Jahren kriselt es an der Landesschule des Roten Kreuzes. Nun spitzt sich die Lage zu: der neue Chef ist schon wieder weg, die zwei obersten DRK-Manager übernehmen.
Noch im September schien die Welt an der Landesschule des Deutschen Roten Kreuzes in bester Ordnung. Da feierte die größte DRK-Bildungseinrichtung in Deutschland ein rundes Jubiläum: Seit 70 Jahren werden in der Zentrale in Pfalzgrafenweiler (Kreis Freudenstadt) und an inzwischen zehn Standorten im Südwesten haupt- und ehrenamtliche Helfer ausgebildet. Das sei nicht nur ein Anlass zum Rückblick, „sondern vor allem Grund zur Freude auf das, was kommt“, wurde der Schul-Geschäftsführer Marco Schlump zitiert. „Wir sehen die Zukunft der DRK-Landesschule voller Möglichkeiten und Chancen.“
Fünf Wochen später war die Zukunft von Schlump (58), den das DRK erst ein halbes Jahr zuvor von außen geholt hatte, schon wieder vorbei. Im Zuge einer Neuaufstellung scheide er aus der Geschäftsführung aus, teilte die Schule mit, ebenso wie seine Kollegin Nadine Kraus (38). Beiden, hieß es knapp, danke man „für ihr Engagement in der vergangenen Zeit“.
Ein Grund wurde erst auf Nachfrage genannt: „unterschiedliche Vorstellungen über die geeignete Ausrichtung und die erforderlichen Entscheidungen, um die Landesschule zukunftsfest zu machen“. Ob die Trennungen einvernehmlich erfolgten und mit Geld abgefedert wurden – dazu gab es keine Auskunft. Neue Chefs werden zwei Rotkreuz-Manager, die mit ihrer Haupttätigkeit eigentlich schon gut ausgelastet sind: die Geschäftsführer der beiden Trägerverbände DRK Baden-Württemberg (Stuttgart) und DRK Baden (Freiburg), Marc Groß und Leonard von Hammerstein. „Übergangsweise“ rücken sie an die Spitze, um „die Landesschule konsequent voranzubringen und in zentralen Bereichen zu konsolidieren“. Damit werde die weitere Entwicklung zur „Chefsache“, betont ein DRK-Sprecher.
Das scheint dringend nötig zu sein. Der Führungswechsel trägt alle Züge einer Notoperation. Seit Jahren kommt die Schule, an der die überall dringend benötigten Notfall- und Rettungssanitäter ausgebildet werden, nicht aus den Schlagzeilen. Erst scheiterte das Rote Kreuz mit dem Versuch, private Bildungsinstitute als Konkurrenz auszuschalten: Alle Kreisverbände wurden aufgefordert, ihre Auszubildenden nur noch an die DRK-Schule zu schicken. Doch der unzulässige Boykottaufruf wurde in mehreren Instanzen von Gerichten kassiert.
Dann folgten schwere personelle Turbulenzen. Im Herbst 2023 wurde der seit zwölf Jahren amtierende Gesamtschulleiter Rico Kuhnke „mit sofortiger Wirkung“ freigestellt. Man trenne sich „in gegenseitigem Einvernehmen“, hieß es, wegen „unterschiedlicher Vorstellungen über die künftige Ausrichtung“ der Schule. Tatsächlich soll es schon länger Differenzen zwischen Kuhnke und dem langjährigen Geschäftsführer Alfred Schulz gegeben haben.
Der Aufsichtsrat unter Leitung der DRK-Landeschefin Barbara Bosch soll sich letztlich auf die Seite von Schulz gestellt haben. Im Sommer 2024 verabschiedete sich dann auch der Geschäftsführer, offiziell auf eigenen Wunsch: nach einer längeren Auszeit werde er nicht mehr in den Dienst zurückkehren. Intern galt Schulz zuletzt als überfordert, zugleich habe er ohne allzu viel Kontrolle schalten und walten können. Anders als der frühere Stuttgarter DRK-Landesgeschäftsführer Hans Heinz habe dessen Nachfolger Marc Groß die Schule nicht mehr so eng im Blick gehabt, wegen anderer Prioritäten.
In Marco Schlump installierte das Rote Kreuz im Frühjahr 2025 einen externen Nachfolger, der die Probleme in den Griff bekommen sollte. Im Kern resultieren diese aus dem stark gewachsenen Bedarf an Ausbildungsplätzen, als Folge einer Gesetzesänderung vor einigen Jahren mit neuen Berufsbildern. Von den Dozenten wird seither eine doppelte Qualifikation verlangt: nebst der Ausbildung als Notfallsanitäter ein abgeschlossenes pädagogisches Studium. Doch solche Kräfte sind bis heute knapp und begehrt, weshalb sie besser bezahlt werden müssen. Hinzu kam das starke Wachstum der Schule, mit immer mehr Standorten, etwa in Bad Säckingen, Ellwangen oder Ravensburg – und entsprechend höheren Kosten.
Noch vor wenigen Jahren wies die gemeinnützige GmbH einen Überschuss von mehreren Millionen Euro aus. Inzwischen hat sich die wirtschaftliche Situation der Schule offenbar dramatisch verschlechtert. „Aktuell“ sei sie „nicht insolvenzgefährdet“, betont ein DRK-Sprecher, der Betrieb laufe ohne Einschränkungen weiter. Doch die wirtschaftliche Entwicklung im Land gehe an der Schule nicht spurlos vorüber: „Wir müssen angemessen auf einen erhöhten Kostendruck reagieren, der sich unter anderem durch Inflation, Tarifsteigerungen und veränderte Rahmenbedingungen ergibt.“ Grundsätzlich sei die Schule „gut aufgestellt“: Mit etwa 250 Mitarbeitenden mache sie ein attraktives Angebot, „das in vielen Bereichen sehr stark nachgefragt und teilweise sogar überbucht ist“.
Krankt die Schule an einem ungesunden Wachstum, wie Insider meinen? Man sei „in den vergangenen zehn Jahren schnell gewachsen“, sagt der DRK-Sprecher. Nun gelte es, Strukturen anzupassen und den Betrieb wirtschaftlich zukunftsfest zu machen. Dazu werde man „den begonnenen Prozess der Konsolidierung beschleunigen und zu einem Abschluss bringen“. Unterstützt wird das Rote Kreuz dabei von einem einschlägig erfahrenen Beratungsunternehmen. Man wolle eine „unabhängige Bestandsaufnahme“, heißt es. Alles stehe auf dem Prüfstand, die personelle Struktur ebenso wie die Infrastruktur. Unterstützende Beiträge von den DRK-Kreisverbänden zu erheben sei aber nicht geplant.
Die beiden Rotkreuz-Geschäftsführer sind als Interimschefs offenbar stark gefordert. Sie würden auf die Teams in den Zentralen in Stuttgart und Freiburg zurückgreifen und Aufgaben umschichten, heißt es. Wie lange ihre Sondermission dauert, sei „momentan nicht zu sagen“. Nach Abschluss der Übergangsphase wolle man jedenfalls „die Geschäftsführung in neue Hände übergeben“. Ob es dem oder der Neuen wohl gelingt, die Schule nach stürmischen Zeiten wieder in ruhigeres Fahrwasser zu steuern?