Auf der Enz bei Bietigheim-Bissingen ist zu viel los. Das Landratsamt Ludwigsburg geht nun gegen das Stand-up-Paddling vor. Das Paddeln auf den Boards ist bald nur noch in zwei stadtnahen Zonen möglich.

Ludwigsburg: Oliver von Schaewen (ole)

Die Enz gilt als Hotspot für Stand-up-Paddling. Das wird sich aber bald ändern, denn das SUP wird auf der Enz vom 1.  März bis 30. September in weiten Teilen verboten. Das hat das Landratsamt Ludwigsburg am Mittwoch in einer Presseerklärung bekannt gegeben. Die Verordnung tritt schon am 30. August in Kraft. Das Verbot stößt nicht überall auf Zuspruch.

 

Die fahrbaren Bretter kamen während der Coronapandemie in Mode. Viele kauften sich ein SUP-Board und erholten sich von Lockdowns und Maskenpflicht auf den heimischen Flüssen. Der Freizeitsport liegt weiter im Trend, vor allem im Sommer verspricht er Naturnähe und Entspannung. Im Verhalten der vielen SUP-Paddler an der stark naturgeschützten Enz sieht das Landratsamt allerdings das Problem. „Die Board-Nutzer halten sich größtenteils nicht an die Vorgaben der bisherigen Enz-Verordnung“, heißt es im Pressetext.

Stehende Paddler lösten Fluchtreflexe der Vögel aus

Was genau machen die Paddler falsch? Laut Landratsamt steigen sie nicht an den vorgegebenen Stellen ein und aus. Sinke der Flusspegel unter 65 Zentimeter und sei zu niedrig, führen sie trotzdem. Und nicht zuletzt: „Durch das Stehen auf dem Board werden bei den Vögeln erhöhte Fluchtreaktionen ausgelöst“, teilt die Behörde am Mittwoch in einem Pressetext mit und verweist auf Nachfrage auf eine Studie aus dem Jahr 2018, die eine solche These belege.

Bettina Gerstner wohnt an der Enz und paddelt gerne – das geht nur noch begrenzt. Foto: privat

Erhebliche Zweifel an dem Vorgehen hat Bettina Gerstner. Die 35-jährige Personalleiterin ist passionierte Stand-up-Paddlerin und wohnt in Bietigheim unweit der Zone, auf der das Stand-up-Paddling wegen der Stadtnähe noch weiter erlaubt sein wird. „Es ist für mich völlig sinnentfremdend, wenn man das Fahren nur für SUP verbietet.“ Generell sei viel los, gerade am Viadukt – die SUP-Paddler hielten sich am ehesten noch an die Vorgaben, „und die wenigsten fahren bis zur Rommelmühle durch“. Sie steige fast täglich abends auf das SUP und sehe in der Woche meistens nur eine Handvoll Paddler. Bettina Gerstner wünscht sich statt eines starren Verbots mehr Spielräume: „Man könnte auch nur an Wochenenden sperren.“

Der Vaihinger Kanu-Club darf mit Jugendlichen weiter trainieren

Zu strikt gehe das Landratsamt vor, findet auch Oliver Gorgs, Vorsitzender des Kanuclubs in Vaihingen an der Enz. „In der Infositzung wurde nur gesagt, was gemacht werden soll – es gab es keinen Freiraum, eigene Ideen einzubringen.“ Er hätte sich gewünscht, dass die Behörde zunächst ein solches Verbot drei bis fünf Jahre lang teste, bevor es endgültig werde – „das ist in anderen europäischen Ländern durchaus üblich“. Im Vergleich zu Bietigheim-Bissingen seien in Vaihingen viel weniger SUP-Fahrer unterwegs. „Es könnte zu Verlagerungen kommen, wenn sie zu uns hin ausweichen.“ Froh ist Oliver Gorgs hingegen darüber, dass seinem Verein eine Ausnahmegenehmigung für das Kanu-Training von Kindern und Jugendlichen zugesagt worden sei. „Die Natur muss gerade für Kinder erlebbar bleiben.“

Zu Konflikten von Enz-Nutzern mit der Umwelt scheint es aber doch zu kommen. Oliver Gorgs berichtet davon, dass es am Ufer der Enz in Oberriexingen zu Parkplatzproblemen gekommen sei. Dort würden Autos auf landwirtschaftlichen Flächen abgestellt: „Darin sehe ich ein großes Problem – man müsste es mit Parkplätzen lösen.“

Angler berichtet von einem „ganz extremen“ Andrang

Ob die SUP-Paddler insgesamt zahlreicher auf der Enz vertreten sind als Kanu- oder Schlauchbootfahrer, scheint nicht eindeutig feststellbar. Einen starken Andrang auf dem Parkplatz unter dem Bietigheimer Viadukt beobachtet Manfred Peter, Vorsitzender des Angelsportvereins Bietigheim. „Die Autos fahren an sonnigen Tagen am Wochenende im Minutentakt vor.“ Peter spricht von einem „ganz extremen“ Andrang und geht davon aus, dass die vielen Menschen auf dem Fluss die Tier- und Pflanzenwelt erheblich schädigten. „Die Fische brauchen die Laichplätze am Ufer, auch die Vögel halten sich dort auf – es ist unvermeidlich, dass die Leute sich dem Ufer nähern.“

Weil der Andrang so groß ist, wünscht sich Manfred Peter noch stärkere Einschränkungen, auch für andere Nutzergruppen. „Ein Thema ist auch der Müll – wir Angler müssen unglaublich viel wegräumen.“

Auf die neue Lage einstellen muss sich auch Anna Bröll, Geschäftsführerin des Kanu-Verleihers Zugvögel mit Sitz in Bietigheim-Bissingen. „Wir stehen für einen sehr naturverträglichen Tourismus in der Heimatregion, ohne Flugreisen“, sagt die Chefin von etwa 80 Mitarbeitern, die auf 37 Standorten vor allem in der Region Stuttgart verteilt sind. „Das Verbot mit den beiden Zonen ist eine sehr drastische Maßnahme“, findet sie und hätte sich Gespräche darüber gewünscht, dass geführte Touren in Form einer „Zwischenlösung“ oder einer „Quotenregelung“ weiter möglich seien, das sei aber vom Landratsamt klar abgelehnt worden. „Dabei sind wir es, die unsere Teilnehmer darüber aufklären, wie sie sich in der Natur verhalten sollen.“ Möglicherweise fehlten vielen privaten SUP-Fahrern diese Informationen von Behördenseite. Der Wille dieser Zielgruppe, sich korrekt zu verhalten, sei sicherlich vorhanden und sollte geweckt werden.

SUP-Fahren für Kinder in Besigheim nicht mehr möglich

Immerhin dürfen die Zugvögel ihr Trainingsgebiet am Bietigheimer Viadukt weiter nutzen. Das weiß Anna Bröll zu schätzen. „Die Zone ist groß genug, damit wir Technikkurse anbieten können.“ Enttäuscht ist die Geschäftsführerin aber darüber, dass sie künftig wohl das SUP-Fahren für Kinder und Jugendliche im Besigheimer Kinderferienprogramm nicht mehr anbieten könne.

Was ändert sich genau in der Enzverordnung?

Bisherige Regelung
 Die etwa 105 Kilometer lange Enz durchfließt den Landkreis Ludwigsburg von Roßwag bis Besigheim. Die sensiblen Teile gehören zu einem Natura-2000-Gebiet mit dem FFH- und Vogelschutzgebiet Enztal bei Mühlhausen, Strohgäu und unteres Enztal. Zum Schutz der Tier- und Pflanzenwelt führten die Behörde im Jahr 2006 ein Regelwerk ein. Dieses beinhaltet unter anderem das geregelte Kanufahren, die Sperrung des sensiblen Bereichs bei Roßwag vom 1. Mai bis zum 30. September sowie ausgeschilderte Ein- und Ausstiegsstellen. Diese Vorgaben fruchten jedoch laut Landratsamt nicht und müssen verschärft werden.

Neue Regelung
Vom 30. August an gilt: Wer in der Zeit vom 1. März bis zum 30.  September in der Enz auf ein SUP steigen will, darf das nur noch in den dafür ausgewiesenen Zonen in Bietigheim-Bissingen und Vaihingen. „Mit Kanus und anderen Booten darf auf der Enz, wie bisher auch, weitergefahren werden.“