EnBW-Tochterfirma Harte Fronten im Streit um Stromnetze
Die EnBW-Tochter Naturenergie blockiert den Wechsel von zehn Gemeinden zum Konkurrenten Badenova. Nun eskaliert der Streit und erreicht sogar den Landtag.
Die EnBW-Tochter Naturenergie blockiert den Wechsel von zehn Gemeinden zum Konkurrenten Badenova. Nun eskaliert der Streit und erreicht sogar den Landtag.
Es war eine herbe Drohung, mit der die EnBW-Tochterfirma Naturenergie gegen zehn Gemeinden in Südbaden vorgehen wollte. Machten diese Ernst mit dem Wechsel des Stromnetzes zum Konkurrenten Badenova, sollte ein Ordnungsgeld von bis zu einer Viertelmillion Euro oder bis zu sechs Monate Ordnungshaft gegen sie verhängt werden. Zahlen oder Einsitzen müsse der jeweilige Bürgermeister.
Mit den Anträgen auf eine entsprechende Einstweilige Verfügung scheiterte die Netztochter der Naturenergie zwar in zwei Gerichtsinstanzen; erlassen wurden sie also nicht. Doch schon der Versuch zeigt, mit welch harten Bandagen um die Konzessionsvergabe fürs Stromnetz gefochten wird. Bei solchen Streitigkeiten ist die Drohgebärde ein rechtlich vorgesehenes Mittel, um zu verhindern, dass vorzeitig Fakten geschaffen werden. Versorger überlegen sich aber dreimal, ob sie einen Konflikt derart eskalieren – es geht schließlich um Kunden, einstige oder künftige. Da will man das Klima nicht ohne Not vergiften.
Selten sind die Fronten derart verhärtet wie derzeit im Kreis Lörrach. Bereits 2019 entschieden die zehn Kommunen, ihre Stromnetze statt von Naturenergie künftig von Badenova Netze betreiben zu lassen. Fünf Jahre lang wurde um die Vergabe prozessiert, vor dem Landgericht Mannheim und dem Oberlandesgericht Karlsruhe bekamen die Gemeinden auf ganzer Linie Recht. Dennoch will Naturenergie die Netze nicht an Badenova übergeben. Begründung: die Vergabe sei nicht rechtskonform erfolgt, bei den Angeboten seien Kriterien berücksichtigt worden, die nicht in der Ausschreibung verlangt waren. Die Folge: Badenova müsste gegen Naturenergie klagen – und aus rechtlichen Gründen auch gegen die Gemeinden. Das könnte sich erneut Jahre hinziehen.
Die zehn Kommunen unter Führung von Binzen sind seither stinksauer. Bei einer Pressekonferenz fielen böse Worte: Höchstrichterliche Urteile nicht zu akzeptieren sei ganz schlechter Stil, zumal für eine Tochter der staatlichen EnBW, von „Ignoranz“ war die Rede und zerstörtem Vertrauen. Badenova hatte einen Vertreter in die Runde gesandt, der Platz der ebenfalls eingeladenen Naturenergie blieb leer. Per Pressemitteilung bekundete die Netztochter, man habe „volles Verständnis“ für den Unmut der Gemeinden, warb aber auch für ihre Sicht der Dinge. Naturenergie sei weiter gesprächsbereit, man müsse nicht erneut jahrelang prozessieren.
Hinter den Kulissen gibt es seither Gespräche der Unternehmen, aber offenbar ohne Annäherung – und vor allem nicht mit den Gemeinden. Eine Einladung dazu habe Naturenergie entgegen dem öffentlichen Bekunden ausgeschlagen, sagt der Binzener Bürgermeister Andreas Schneucker auf Anfrage. Über die Androhung von Ordnungsgeld und -haft seien seine Kollegen seinerzeit „schockiert“ gewesen. Der Schlagabtausch geht derweil weiter: Naturenergie verweist auf andere OLG-Urteile, welche die eigene Position stützten, Badenova erklärt diese für nicht relevant. Die Freiburger seien bei Konzessionsvergaben auch nicht zimperlich und zögen schon mal vor Gericht, hieß es. Das komme vor, bestätigt Badenova, aber man habe noch nie ein rechtskräftiges Urteil ignoriert. Auch die Einladung eines Rathauschefs zu einem Fußballspiel wird plötzlich zum Thema. Man beachte alle Vorgaben für Amtsträger, betont der Versorger, ein Mehrbetrag sei „privat beglichen“ worden.
Nun wird der Konflikt auch Thema im Landtag. Die Freiburger SPD-Abgeordnete Gabi Rolland und ihre Fraktion erkundigen sich per Anfrage detailliert nach den näheren Umständen. Ihr Fokus liegt besonders auf der Rolle der EnBW und deren Verhältnis zu den Kommunen; eine Antwort wird im Januar erwartet. Die Schärfe des Streits wird in der Region auch damit erklärt, dass Naturenergie einen Dammbruch befürchte: Seit längerem prüfen die Städte Lörrach und Weil am Rhein, ihr Stromnetz in Eigenregie zu übernehmen – zusammen mit Badenova. Da solle im aktuellen Fall wohl frühzeitig ein Stoppsignal gesetzt werden.
Formal am Zug wäre jetzt die Badenova, die die verweigerte Herausgabe der Netze rechtlich angreifen müsste. Bisher hat man dort keine Signale für ein Umdenken bei Naturenergie. Signale für ein Einlenken fehlten völlig, heißt es dort, aber noch hoffe man auf „ein Weihnachtswunder“. Bleibe das aus, werde man nach der Weihnachtspause die nächsten Schritte einleiten.