Wenn das klappt, was in einem Quartier in Stuttgart-Botnang geplant ist, haben die Bewohner dort künftig ein eigenes Wärmenetz. Voraussetzung ist: Eine bestimmte Zahl an Eigentümern muss mitmachen wollen.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Als Andreas Koranda von der Idee gehört hat, war er vor allem erleichtert. „Das kam mir gerade recht“, sagt er. Die Heizung in dem Mehrparteienhaus, in dem er wohnt, ist jetzt dann 20 Jahre alt. Er zeigt auf einen der roten Balkone ganz oben. Ewig lässt sich die Frage, welche Heizung als Nächstes eingebaut werden soll, nicht mehr aufschieben. „Ich habe da keine Expertise“, sagt der Eigentümer. Dass da plötzlich Leute auftauchten, die sich just ums Heizen in seinem Wohngebiet Gedanken machen, war für ihn daher ein Glücksfall, sagt er.

 

Diese Leute sind organisiert in der neuen Energiegenossenschaft Botnang rund um Robert Hoening. Hoening hat sich in der jüngeren Vergangenheit vor allem mit seiner Nachbarschaftshilfe bei Solaranlagen einen Namen gemacht; mit seiner ehrenamtlichen Solaroffensive hatte er es geschafft, dass sich der Zubau an Photovoltaik in seinem Bezirk Botnang binnen eines Jahres verdoppelt hat.

Wärmepumpen oder Wärmenetze

Seit ein paar Monaten ist er mit anderen dabei, auch bei Heizungsfragen der Nachbarn in Botnang zu unterstützen. Das kann über gemeinsam beschaffte Wärmepumpen sein oder über ein privates Wärmenetz. Noch steht die Energiegenossenschaft am Anfang.

Die Installation eines Wärmenetzes in einem Quartier ist zudem ein paar Nummern anspruchsvoller, als Nachbarn beim Kauf einer Solaranlage zu helfen. Auch deshalb haben sie die Genossenschaft gegründet. Und seit ein paar Wochen haben sie ein konkretes Gebiet in Botnang im Blick, in dem sich ein kleines Wärmenetz anbieten würde: rund um den Vivaldiweg und die Furtwänglerstraße. Dort befinden sich 220 Wohneinheiten in 70 Häusern.

Eine Idee ist: Den Speicher auf dem Kreisel unterbringen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Warum dort? Zufall, sagt Robert Hoening. Am selben Tag seien zwei Anfragen aus dem Gebiet bei ihm gelandet, bei beiden stellte sich die Heizungsfrage. Er wusste noch von einem dritten Fall, „die Häuser sind alle etwa gleich alt, die Heizungen fangen jetzt langsam an durchzurosten“, sagt er. „Das lag alles an dem Tag vor mir auf dem Tisch, da war klar: Das schreit nach einem Netz.“

Es ist die Gegend, in der auch Andreas Koranda mit der 20 Jahre alten Gasheizung in einer Eigentümergemeinschaft wohnt. Von oben betrachtet sind die meisten Gebäude symmetrisch angeordnet, immer wieder sind auch größere Häuser dazwischen. Es ist recht eng. Und verkehrsberuhigt, eine Katze streicht umher, sonst ist nichts los. „Das sind Nebenstraßen“, sagt Michael Jantzer, der bisher für die SPD im Gemeinderat saß, selbst in Botnang wohnt und bei der Energiegenossenschaft mitmacht. „Die Verkehrsumleitungskosten fallen weg.“

Andreas Koranda ist inzwischen einer von vier Beiräten des Projekts mit dem klangvollen Namen „Vivaldi“. Und einer seiner wichtigsten Jobs momentan ist: bei seinen Nachbarn für das gemeinschaftliche Wärmenetz zu werben. Nach ersten Infoveranstaltungen für die Bewohner des Gebiets gehe es jetzt darum, dass Eigentümer mitmachen wollen, erklärt Hoening. Sie haben zwar in jeden Briefkasten Post eingeworfen, „aber wir haben den Eindruck, dass es nicht bei allen ankam“, sagt er. Sie haben ein externes Büro beauftragt, im März einen Förderantrag für den Bau des Wärmenetzes einzureichen. Sobald da grünes Licht kommt, müssen sich die Leute entscheiden. Geplant ist, Mitte des Jahres zu einem Beschluss zu kommen.

Das Ziel sind mindestens 50 Eigentümer, die einsteigen. Sie werden nicht nur Mitglied in der Genossenschaft, sondern auch in der Projektgruppe Vivaldi, eine Art Eigentümergemeinschaft für die Heizung und das Wärmenetz. Zudem werden sie sich mit 500 Euro an den Planungskosten beteiligen. „Sie gehen mit uns ins Risiko“, sagt Hoening. Am Ende gilt: „Der Preis muss stimmen, sonst machen wir es nicht“, sagt Michael Jantzer. Das bedeutet, dass ihr Angebot unter dem Invest in eine Einzelversorgung liegen soll. Da es hier weder Erdwärme noch Abwärme gibt, ist die „gute Botnanger Luft“, wie Hoening sagt, zentral. Entweder als Großwärmepumpe, eingehaust am Rande des Gebiets, oder aber dezentral, also mit mehreren kleineren Wärmepumpen beispielsweise auf den Flachdächern. Pluspunkt: Direkt neben dem Vivaldi-Gebiet befinden sich Mittelspannungsleitungen, sagt Hoening, „das ist wichtig für die Wärmepumpe“.

Wird die Genossenschaft hier, nahe dem Vivaldiweg, einmal ihr Büro haben? Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Angenommen, es klappt alles, könnte vermutlich 2027 gebaut werden. Sie haben sogar schon nahe dem Vivaldiweg eine Ladenfläche gesichtet, wo sie ihr Baubüro und die Genossenschaft unterbringen könnten. Aber jetzt heißt es erst einmal abwarten, ob das Projekt, das sie sich hier ausgedacht haben, bei ihren Nachbarn auf Interesse trifft.