Bis zum 7. März arbeiten Frauen in Deutschland im Schnitt „umsonst“, deshalb ist er der Equal Pay Day. In Baden-Württemberg dauert das noch ein paar Tage länger. Woran liegt das – und wie lässt es sich ändern?

Frauen verdienen im Schnitt weniger als Männer – das ist auch 2025 noch so. Um daran zu erinnern, findet jedes Jahr der Equal Pay Day statt. Das symbolische Datum soll ausdrücken, wie viele Tage im Jahr Frauen „umsonst“ arbeiten. Hätten sie den gleichen Stundenlohn wie Männer, würden sie erst vom Equal Pay Day an bezahlt. So groß sind die realen Lohnunterschiede.

 

In Deutschland fällt der Equal Pay Day diesmal auf den 7. März – in Baden-Württemberg dagegen auf den 21. März. Im Südwesten klafft die Gehaltsschere zwischen den Geschlechtern so weit auseinander wie in keinem anderen Bundesland: Frauen verdienten 2024 im Schnitt 22,80 Euro brutto pro Stunde, Männer 28,20 Euro. Die Lohnlücke ist mit 19 Prozent nirgends höher. Immerhin ist sie etwas kleiner als im Vorjahr (22 Prozent). Bundesweit ging der Gender Pay Gap laut Statistischem Bundesamt von 18 auf 16 Prozent zurück.

Die Autobranche ist ein Grund – aber nicht der einzige

Warum verdienen Frauen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen im Südwesten so schlecht? Gabriele Wydra-Somaggio sieht den Grund in der Wirtschaftsstruktur des Bundeslandes. „Baden-Württemberg ist das Land der Automobilbauer“, sagt die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Im Südwesten gebe es viele Beschäftigte im Maschinen- und Fahrzeugbau. „Das sind erstens Betriebe, die sehr gut bezahlen. Und zweitens arbeiten dort vor allem Männer.“

Allerdings gebe es innerhalb des Bundeslandes große Unterschiede, so die IAB-Forscherin. In den Kreisen Böblingen, Bodenseekreis und Freudenstadt sei der Gender Pay Gap besonders hoch – und männlich dominierte Branchen wie die Autobau- und Raumfahrtindustrie besonders stark. In Freiburg und Mannheim lägen die Gehälter deutlich näher beieinander. Dort seien einzelne Wirtschaftszweige nicht so dominant. Auch in Heidelberg, wo viele Beschäftigte im Gesundheitssektor arbeiten, seien die Gehaltsunterschiede weit weniger ausgeprägt.

Auf die Branche kommt es an

Ob Frauen und Männer gleich viel verdienen oder nicht, hat also auch damit zu tun, in welcher Branche sie arbeiten – auch und gerade in Baden-Württemberg. Das zeigt ganz deutlich eine Berechnung unserer Redaktion mit Daten des Statistischen Bundesamts. In der Logistikbranche war der Equal Pay Day demnach bereits am 11. Januar, in Ingenieurbüros oder Werbeagenturen ist er erst Anfang April. In keiner Branche fällt das Lohngefälle im Südwesten größer aus als bei den sogenannten wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen.

Auch die Finanz- und Automobilbranche sowie Industrie und IT schneiden im Vergleich schlecht ab. „Dahinter steckt dieses klassische Berufswahlverfahren“, sagt Gabriele Wydra-Somaggio. „Die Frauen sind in der Verwaltung und machen Bürotätigkeiten. Die Männer üben die Produktions- und die technischen Berufe aus. Außerdem sind Frauen beispielsweise innerhalb der Verwaltung weiterhin seltener in Führungspositionen vertreten.“ Beide Faktoren zusammen trieben gerade in der Industrie die Gehaltsunterschiede stark nach oben.

Kommen die Ergebnisse unserer Berechnung für die Fachfrau überraschend? „In der IT hätte ich sogar einen späteren Equal Pay Day erwartet“, sagt Wydra-Somaggio, „dort gibt es keinerlei Tarifbindung, es werden keine Stunden notiert, nichts“. Kollektiv verbindliche Regeln könnten die Lohnlücke verringern: „Betriebe, die tarifgebunden sind oder einen Betriebsrat haben, fördern teilweise schon die Gleichstellung und haben tatsächlich eine geringere Verdienstlücke.“

Lohnplus nur für Frauen?

Die Gewerkschaft Verdi sieht den erhöhten Mindestlohn „und eine positive Lohnentwicklung in einzelnen frauendominierten Bereichen“ als Grund für die auch im Südwesten kleiner werdende Lohnlücke: „Für beides haben Gewerkschaften engagiert gestritten.“ Man werde sich darauf aber nicht ausruhen.

Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erklärte vergangenes Jahr, eine Lohnlücke im zweistelligen Prozentbereich sei „als Aufreger nicht geeignet“. Rechne man die Berufs- und Arbeitgeberwahl, Erwerbspausen und anderes mit ein, betrage der Lohnunterschied – der sogenannten bereinigte Gender Pay Gap – nur noch sechs Prozent. Das sei „die Folge von privaten Lebensentscheidungen“, so Oliver Stettes vom IW – und ein Ausdruck unzureichender Kinderbetreuungsangebote. Eine Analyse der Arbeitsmarkt-Expertin Frauke Mischler für das Statistische Bundesamt von 2021 vermutet dagegen, dass auch die mit Daten erklärbaren Gehaltsunterschiede „möglicherweise selbst schon das Resultat gesellschaftlich benachteiligender Strukturen“ seien. Mischler schlägt unter anderem einen „einseitigen Verdienstaufschlag für Frauen“ vor.

Weil die Lohnlücke tendenziell immer kleiner wird, verschiebt sich das Datum des Equal Pay Day Jahr für Jahr nach vorn. Bundesweit wird er kommendes Jahr am 27. Februar gefeiert, in Baden-Württemberg dann immerhin am 10. März.