Der Superblock verliert eine Institution: Die Erotik-Boutique Frau Blum zieht aus. Erst habe man die Miete erhöht, nun bringe der Umbau im Viertel das Fass zum Überlaufen, klagen die Chefinnen. Außer den Anwohnern verirre sich hier „niemand mehr“ hin.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Es schien, als gehe es wieder aufwärts. Als Mascha Hülsewig und Alexandra Steinmann, die Gründerinnen der Erotik-Boutique Frau Blum im Stuttgarter Westen, vor einem Jahr öffentlich machten, sie kämpften angesichts von steigenden Energiepreisen und explodierenden Kosten um das Überleben ihres Ladens, setzte eine Welle der Solidarität ein.

 

Als eine Art Institut für sexuelle Bildung verstehen die mittlerweile drei Betreiberinnen ihren Einsatz für ein mit viel Herzblut geführtes Geschäft, das gleichzeitig ein kultureller Treff mit regelmäßigen Abendveranstaltungen ist. Bei der Feier zum zehnten Geburtstag im Februar herrschte viel Optimismus, zumal der Run auf „sexpositive Partys“ in Stuttgart, bei denen man erotische Outfits trägt, die Umsätze beflügelt.

Doch kurz nach dem Jubiläum erhöhte erst der Hauseigentümer „drastisch“ die Miete, und dann verschlechterte der Start des Superblocks rund um die Augustenstraße die Lage für den Einzelhandel in diesem Viertel „deutlich“, wie Mascha Hülsewig klagt: „Die Straßen hier sind so dermaßen verkehrsberuhigt, dass sich außer ein paar Anwohnern niemand mehr hierher verirrt - weder zu Fuß, geschweige denn mit dem Auto.“ Die Folgen des Versuchs, für ein autoarmes Quartier zu sorgen, hätten „das Fass zum Überlaufen“ gebracht. Jetzt will Frau Blum weg vom angestammten Platz.

Auszug für Februar 2025 geplant

Die Kündigung des Ladengeschäfts, das weg vom Schmuddelimage von Sexshops führen will, ist auf Ende Februar 2025 terminiert. Gern würde das Trio weitermachen und sucht deshalb neue Räume. Denn die Frauen sind davon überzeugt, dass ihre Arbeit wichtig ist. „Sexualität ist die stärkste Energie, die wir haben“, sagt Alexandra Steinmann, „Sexualität macht uns glücklich und friedlich.“ Damit meint sie auch: Ohne den Ausgleich durch Erotik wäre die Welt noch böser und gewalttätiger.

Die Idee, Straßen den Menschen quasi „zurückzugeben“, findet Mascha Hülsewig prinzipiell gut. „Aber wir sind nicht Barcelona, wo man in der Verkehrsberuhigung gern von Laden zu Laden schlendert“, sagt sie. Seit dem Start des Superblocks zeige sich, dass die neuen Verkehrsinseln keine Menschen anlockten, die hier nicht schon wohnten. „Meine Kundinnen und Kunden kommen meist von außerhalb“, berichtet Hülsewig, „die bleiben nun fort, weil noch mehr Parkplätze wegfallen.“

Anwohner des Viertels hätten ausgerechnet, sagt sie weiter, dass es nach dem Umbau mit den Pollern und den Sperrungen nun insgesamt 100 Parkplätze in diesem Bereich weniger gebe. Die bunt bemalten Straßen und die Möblierung hätten so viel Geld verschlungen – mit dem Ergebnis, dass der ohnehin nur schwach in diesem Viertel vorhandene Einzelhandel nun noch mehr bluten müsse.

Auf der bunt bemalten Kreuzung vor ihrer Ladentür haben die drei Blums ein buntes Foto zum Abschied inszeniert. Dies wollen sie in ihrem Newsletter verschicken, um ihrem Publikum mitzuteilen, dass eine Veränderung anstehe und man neue Ladenräume suche. „Als wir das Foto machten, kamen sehr viele Nachbarn auf uns zu“, erzählt Mascha Hüleswig, „die unseren Auszug sehr bedauern.“

Frau Blum sei doch eine Institution im Quartier, hörte sie, von der auch die Gastronomie profitiere – dann nämlich, wenn die Besucherinnen und Besucher nach einer Veranstaltung rund ums Thema Sexualität noch was trinken und essen gehen. Viel Positives zum Superblock war da jedenfalls nicht zu hören.