Esslinger Bücherei-Debatte „Fehl am Platz“ – Der Bürgerdialog zur Bücherei kommt nicht

Zieht die Bücherei in das Kögelhaus oder nicht? Klarheit soll ein Bürgerentscheid bringen. Foto:  

Eine Zufallsgruppe diskutiert über die Esslinger Bücherei? Die von der Stadt vorgeschlagene zusätzliche Bürgerbeteiligung vor dem Bürgerentscheid am 8. März wird es doch nicht geben.

Ein Termin, zwei Abstimmungen: Die Esslingerinnen und Esslinger dürfen am 8. März nicht nur ihr Kreuzchen für die Zusammensetzung des Landtags machen, sondern sie können auch ein Votum zum künftigen Standort ihrer Stadtbücherei abgeben. Im Verwaltungsausschuss fand der Rathaus-Vorschlag einhellige Zustimmung, den Bürgerentscheid auf den Landtagswahltermin zu legen, um so den Aufwand möglichst gering zu halten. 9470 Unterschriften hatte die Initiative um die Gemeinderatsmitglieder Hermann Beck, Rena Farquhar und Martin Auerbach in drei Monaten für ein Bürgerbegehren gesammelt – eine Leistung, der die Ausschussmitglieder aller Fraktionen ausdrücklich Respekt zollten. 8312 der Unterschriften wurden nach einer Prüfung anerkannt, teilte die Leiterin des Ordnungsamtes, Brigitte Länge, in der Sitzung mit. Nötig gewesen wären 4736.

 

„Auch Form und Frist wurden eingehalten, alle Voraussetzungen sind damit gegeben“, sagte Länge. Der Weg für den von der Bürgerinitiative angestrebten Bürgerentscheid zur Frage, ob die Stadtbücherei im Bebenhäuser Pfleghof bleibt oder in die Kögel-Immobilie umzieht, ist damit frei. Die endgültige Entscheidung des Gemeinderats über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens dürfte in der Sitzung am 10. November vermutlich reine Formsache sein.

Vor dem Bürgerentscheid im März erscheint eine Informationsbroschüre, die unter anderem Erläuterungen zur Abstimmung und zur Chronologie enthalten wird. In unterschiedlichem Umfang kommen die Bürgerinitiative, der Oberbürgermeister und Vertreter der Gemeinderatsfraktionen zu Wort.

Ausschussmehrheit ist gegen eine dialogische Bürgerbeteiligung

Nicht geben wird es eine zusätzliche Bürgerbeteiligung. Die Mehrheit des Verwaltungsausschusses hatte sich jetzt gegen die vom OB-Büro vorgeschlagene dialogische Bürgerbeteiligung ausgesprochen. Die baden-württembergische Servicestelle Bürgerbeteiligung hätte das Verfahren begleiten sollen. Ulrich Arndt, der Leiter der Servicestelle, warb in der Sitzung noch einmal mit Feuereifer für diesen mehrstufigen Prozess, bei dem am Ende ein Bürgerforum steht, für das die Teilnehmerinnen und Teilnehmer per Los bestimmt werden.

Diese „Zufallsbürger“ tauschen sich dann über Argumente aus, priorisieren und geben Empfehlungen ab. Der Dialog sei ein wichtiges Instrument, um die repräsentative Demokratie zu stärken, da auch die „stille Mitte“ Gehör finde und dies zu mehr Ausgewogenheit führe, sagte Arndt. „Es lohnt sich für alle Beteiligten, strukturiert mit den Menschen zu reden und zu erfahren, was sie wirklich bewegt. Dafür ist es nie zu spät“, appellierte er.

Das Bürgerbegehren von Martin Auerbach, Rena Farquhar und Herrmann Beck war erfolgreich. Foto: Roberto Bulgrin

Im konkreten Fall sah die Mehrheit der Stadträtinnen und Stadträte das anders, obwohl sie sich grundsätzlich offen für solche Beteiligungsprozesse zeigten. Die umstrittene Bebauung des VfL-Postgeländes wurde immer wieder als möglicher Anwendungsfall für einen Bürgerdialog genannt. Bei der Stadtbücherei überwog jedoch die Ablehnung. „Es ist an sich eine tolle Sache, aber zum verkehrten Projekt und zur falschen Zeit“, brachte Jörn Lingnau (FDP/Volt) es auf den Punkt.

„Der Zeitpunkt ist völlig falsch“: Kritik an dialogischer Bürgerbeteiligung

Ähnlich sah das auch Annette Silberhorn-Hemminger (Freie Wähler). Ein solches Format könne zur Versachlichung beitragen, was aber nur funktioniere, wenn es dafür ein breites Einvernehmen unter den Fraktionen gebe. Schwierig sei nicht zuletzt der knappe Fahrplan. „Das Verfahren ist zu wichtig, als dass wir es wegen der kurzen Zeit an die Wand fahren“, warnte sie. „Der Zeitpunkt ist völlig falsch. Das hätten wir vor dem Gemeinderatsbeschluss machen sollen“, sagte Tim Hauser (CDU), aus seiner Sicht hätte das Verfahren ohnehin wenig neue Erkenntnisse gebracht. „Die Argumente sind seit Jahren ausgetauscht“, sagte er. „Der Dialog kommt zu spät und wird nicht mehr benötigt“, meinte Stephan Köthe (AfD).

Kritik an den Kosten für Bürgerdialog zur Esslinger Bücherei

Die Verwaltung hatte die Kosten für die dialogische Bürgerbeteiligung auf rund 45 000 Euro geschätzt. „Das passt nicht zu einer Haushaltssperre und ist fehl am Platz“, wies Hermann Beck (Wir/Sportplätze erhalten) die Idee zurück. Zumal das Prozedere aus seiner Sicht keinen Mehrwert habe. In der Infobroschüre könnten schließlich ebenfalls unterschiedliche Positionen dargestellt werden. Auch Michael Zöllner (Linke/Für) hält es nicht für angemessen, eine solche Summe auszugeben.

Esslinger Bücherei: Grüne und SPD stimmen für Bürgerdialog

Sowohl die Grünen als auch die Sozialdemokraten stimmten für das vorgeschlagene Format. „Je mehr Bürgerbeteiligung, desto besser“, begrüßte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Carmen Tittel, den Vorschlag. Damit könne ein fairer Austausch gefördert werden. Aus Sicht des SPD-Fraktionsvorsitzenden Nicolas Fink könne der Bürgerdialog zu einer Versachlichung beitragen. „Wir haben kein Erkenntnisproblem, vielmehr ist die Bücherei-Debatte emotional überladen“, sagte er. Der Dialog sei eine Chance, aber kein Allheilmittel.

Abstimmung

Bürgerentscheid
Bei dem Bürgerentscheid am 8. März entscheiden die Stimmberechtigten mit Ja oder Nein über folgende Frage: „Sind Sie dafür, dass die Esslinger Stadtbücherei im Bebenhäuser Pfleghof bleibt und der Gemeinderatsbeschluss für die Verlagerung der Stadtbücherei in die Objekte Zehentgasse 1 und Rathausplatz 14 (Umzug ins ehemalige Modehaus Kögel) aufgehoben wird?“. Nach langen Diskussionen hatte der Gemeinderat im Juni 2025 den Umzug beschlossen. 2019 setzte ein erster Bürgerentscheid eine Erweiterung und Sanierung am alten Standort durch. Die Entscheidung wurde wegen gestiegener Kosten abgespeckt. 2023 schlug der Oberbürgermeister Kögel als Standort vor.

Ergebnis
Bei einem Bürgerentscheid ist die gestellte Frage in dem Sinne entschieden, in dem sie von der Mehrheit der gültigen Stimmen beantwortet wurde – sofern diese Mehrheit mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten beträgt. Bei Stimmengleichheit gilt die Frage als mit Nein beantwortet. Ist die erforderliche Mehrheit nicht erreicht worden, entscheidet der Gemeinderat die Angelegenheit.

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