Eine neue Initiative, der neben Ratsfraktion und Parteien auch Organisationen und Einzelpersonen angehören, macht sich für den Umzug der Bücherei ins Kögel-Haus stark.
Sie nennen sich „Neustart Stadtbücherei Esslingen“, und sie wollen mit ihrer Initiative den vom Gemeinderat beschlossenen Umzug der Bibliothek ins frühere Modehaus Kögel unterstützen. Vertreter von Ratsfraktionen, Parteien, Organisationen und Gremien sowie Einzelpersonen haben sich zusammengefunden, um im Vorfeld des geplanten Bürgerentscheids zum künftigen Standort der Bibliothek ihre Argumente publik zu machen. „Wir wollen eine gute Lösung für die Stadtbücherei“, sagt Annette Silberhorn-Hemminger, Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Gemeinderat. „Beide Standorte haben Vor- und Nachteile. Wir wollen eine Bibliothek, die einer Stadt wie Esslingen gerecht wird. Das sehen wir am besten bei Kögel.“
Ende Juni hatte der Gemeinderat mit knappstmöglicher Mehrheit den Umzug der Bücherei ins Kögel-Haus beschlossen – mit den Stimmen der Grünen, der SPD und der Freien Wähler, die mit ihren Ratsfraktionen, ihren Ortsverbänden und Jugendorganisationen nun auch mit der Initiative „Neustart Stadtbücherei Esslingen“ den bislang gültigen Ratsbeschluss unterstützen wollen.
„Im guten demokratischen Miteinander“
„Der Fokus liegt aber nicht auf den Parteien“, betont Veit Schmid, der sich mit dem Planungsbeirat der Esslinger Architekten schon vor dem Gemeinderatsbeschluss für den Bücherei-Umzug zu Kögel stark gemacht hatte. Und er verweist darauf, dass unter anderem der Jugendgemeinderat, der Inklusionsbeirat sowie Einzelpersonen in der Initiative mitwirken. Wichtig sei es, „im guten demokratischen Miteinander“ die beste Lösung für die Stadtbücherei zu finden.
„Wir haben weniger die jeweiligen Gebäude als vielmehr die Stadtbücherei als solche im Blick“, sagt SPD-Stadträtin Christa Müller. „Die Bücherei braucht den bestmöglichen Platz, und das ist aus unserer Sicht Kögel. Der Pfleghof ist schön, aber nach unserer Ansicht nur die zweitbeste Möglichkeit.“ Veit Schmid will „die Bibliothek an einem Ort weiterentwickeln, der städtebaulich sehr wichtig ist“. Und er ist überzeugt: „Ein Gebäude wie Kögel dürfte die Stadt nie loslassen.“ Tine Bradley, Geschäftsfrau, Mitglied im Vorstand der City-Initiative und für die Grünen beratendes Mitglied im Kulturausschuss, erhofft sich ebenfalls einiges von einem Bücherei-Umzug ins Kögel-Haus: „Das wäre ein Frequenzbringer für diesen Teil der Innenstadt. Manchmal können 50 oder 100 Meter Entfernung darüber entscheiden, ob aus einer B-Lage eine A-Lage wird.“ Sie kenne viele Geschäftsleute und Gastronomen, die einen Umzug der Bücherei ins Kögel-Haus begrüßen würden.
„Platz für viele Bedürfnisse“
Linda Kreissle, die sich als Einzelperson in der Initiative engagiert, sieht im Bebenhäuser Pfleghof „viel zu wenig Platz für die Bedürfnisse aller Nutzergruppen“. Der dort vorhandene Platz genüge nicht, um allen Anforderungen an die Bücherei gerecht zu werden. Außerdem biete das Kögel-Gebäude drei barrierefreie Zugänge und die Möglichkeit, dringend benötigte Arbeitsplätze zu schaffen. Letzteres ist auch für Gianpaolo Schnabel vom Jugendgemeinderat ein wesentliches Anliegen: „Die Bücherei ist für junge Menschen ein wichtiger Lern- und Aufenthaltsort. Gerade in Prüfungszeiten gibt es dort viel zu wenig Platz. Wir brauchen eine Bücherei, die auch von der Größe her ihren Anforderungen gerecht wird.“
Das sieht auch Freie-Wähler-Fraktionschefin Annette Silberhorn-Hemminger so: „Seit Jahren heißt es, dass die Bücherei mehr Platz braucht. Bei Kögel könnte sie mehr Fläche bekommen. Das ist für die Stadtgesellschaft wichtig – nicht nur für jüngere Menschen, sondern auch für viele Ältere.“ Grünen-Stadtrat Ben Baecker sieht in einer größeren Bibliothek Spielräume für neue Angebote: „Das muss eine Bibliothek für alle sein. Auch deshalb ist Barrierefreiheit so wichtig.“
„Das Thema wird in Esslingen emotional diskutiert“
Die Initiative betont, dass der Bebenhäuser Pfleghof auch bei einem Umzug der Bücherei in städtischer Hand bleiben müsse. „Das Thema wird in Esslingen so emotional diskutiert – da würde es sich die Stadt nicht leisten können, über einen Verkauf nachzudenken“, sagt Ben Baecker. Dass bislang nicht viel mehr als der Arbeitstitel „Kulturquartier“ und der Gedanke, dort die städtischen Museen zu vereinen, vorhanden ist, sieht Baecker nicht als Problem: „Wir werden eine gute Lösung finden und dabei die Bürger einbeziehen.“ Annette Silberhorn-Hemminger bekennt sich ebenfalls zum Erhalt des Pfleghofs in städtischer Hand und mit öffentlicher Nutzung, verhehlt aber nicht: „Man braucht ein gewisses Vertrauen, dass es im Pfleghof gut weitergehen wird, auch wenn wir noch nicht genau wissen, was dort wann realisiert werden kann.“
Die Zeit bis zum Bürgerentscheid (vermutlich am 8. März) will die Initiative „Neustart Stadtbücherei Esslingen“ nutzen, um „transparent zu informieren, die Bedeutung der Bücherei für unsere Stadt hervorzuheben und gemeinsam für den Umzug in den neuen Standort zu werben“. Dazu will sie „auf verschiedenen Kanälen mit Informationen und Veranstaltungen für ihren Standpunkt werben“. Nähere Informationen gibt es unter info@neustartbuecherei.de
Entscheidungen zur Stadtbücherei
Bürgerentscheid 1.0
Seit Anfang der 90er-Jahre wird eine Erweiterung der Esslinger Stadtbücherei diskutiert. 2018 hat der Gemeinderat einen Neubau an der Küferstraße beschlossen. Dagegen regte sich jedoch Widerstand – eine Initiative um die SPD-Stadträte Wolfgang Drexler und Klaus Hummel sowie Ulrike Gräter setzte einen Bürgerentscheid durch, der im Februar 2019 eine klare Mehrheit für die Modernisierung und Erweiterung des bisherigen Standorts im Bebenhäuser Pfleghof brachte. Die wurde vom Gemeinderat beschlossen, im Dezember 2022 jedoch wegen gestiegener Kosten verworfen – nur eine kleine Sanierung sollte es sein.
Bürgerentscheid 2.0
Im Herbst 2023 schlug OB Matthias Klopfer vor, anstelle der Pfleghof-Sanierung die Bücherei ins frühere Modehaus Kögel zu verlegen. Das hat der Gemeinderat nach langen Diskussionen im Juni 2025 mit einer Stimme Mehrheit beschlossen. Die Stadträte Hermann Beck, Rena Farquhar und Martin Auerbach brachten erneut ein Bürgerbegehren auf den Weg, das erfolgreich war. Voraussichtlich am 8. März soll es nun erneut einen Bürgerentscheid über den Bücherei-Standort geben.