Esslinger Jazzfestival 2024 Jazzer wollen solide Basis für die Zukunft

Beim ersten Jazzfestival 2015 war Anouar Brahem mit seinem Quartett in Esslingen zu Gast – nun gibt es ein Wiederhören. Foto: Horst Rudel

Jazz hat in Esslingen eine lange Tradition. Dieselstraße und Jazzkeller bieten übers Jahr ein profiliertes Programm – seit 2015 bringt Maximilian Merkle jeden Herbst internationale Größen nach Esslingen. Im Interview gibt er einen Ausblick auf das Festival 2024.

Maximilian Merkle ist ein Jazz-Enthusiast. Weil er seine Leidenschaft gerne mit anderen teilt, hat er 2015 das Esslinger Jazzfestival auf den Weg gebracht, das demnächst zum zehnten Mal über die Bühne geht. Vom 9. Oktober bis 6. November präsentieren Merkle und sein Team hochkarätige Musikerinnen und Musiker – viele von ihnen sind auf internationalen Bühnen zuhause. Merkles Festival strahlt weit über die Grenzen der Stadt hinaus. Damit das hohe Niveau auch in Zukunft zu halten ist, braucht es auf Dauer deutlich mehr Unterstützung. Im Gespräch mit unserer Zeitung gibt Maximilian Merkle Einblick in die Festivalplanung und in die Zukunftsperspektiven.

 

Herr Merkle, das Esslinger Jazzfestival geht in sein zehntes Jahr. Nehmen Sie uns mit in die Entstehungsgeschichte?

Ich bin selbst ein bekennender Jazz-Fan und habe früher bei ECM, einem Plattenlabel für Jazz und Klassik, Konzerte veranstaltet. Das wollte ich häufiger machen, weil ich es bereichernd finde, anderen Menschen damit Freude zu bereiten. Ein Festival braucht das passende Umfeld, und da hat sich meine Heimatstadt angeboten – zumal ich Bedarf für eine Leuchtturmveranstaltung gespürt habe, die sichtbarer macht, was Jazzkeller und Dieselstraße übers Jahr bieten. Esslingen hat die richtige Größe, tolle Veranstaltungsorte und eine lange Jazztradition. Weil ich dieses Potenzial gesehen habe, habe ich 2015 mit naivem Enthusiasmus losgelegt.

Braucht es „naiven Enthusiasmus“, um ein ehrenamtlich getragenes Festival dieser Größe auf den Weg zu bringen?

Ich glaube schon. Es ist klar, dass solch ein Festival kommerziell nicht durch die Decke geht, sofern man nicht die Genregrenzen verlässt. Mein Fokus liegt auf Jazz, das soll so bleiben. Wir hatten das Glück, dass wir neben der Stadt Sponsoren gefunden haben, die diesen Weg mit uns gehen, und dass es hochkarätige Musiker gab, die von Anfang an dabei waren. Trotzdem war das anfangs ein Zuschussgeschäft, in das ich relativ viel privates Geld investiert habe. Für mich war das kein Thema, weil es sich ideell gelohnt hat. Mittlerweile geht die Rechnung zum Glück auf.

Bedeutet das, dass alles in Butter ist?

Unser Konzept funktioniert, die Musikerinnen und Musiker kommen gern, das Publikum honoriert unser Engagement, und ich muss inzwischen kein privates Geld mehr zuschießen. Aber es ist ein sehr fragiles Konstrukt. Ich bin dankbar für die Unterstützung, aber das Geld, das wir momentan bekommen, reicht mit den Eintrittsgeldern gerade für Gagen, Produktion und etwas Werbung. Alles, was darüber hinausgeht, müssen wir anderweitig stemmen – vor allem durch persönlichen Einsatz. Bei uns fließt alles in die Musik und in die Möglichkeit, diese besondere Qualität auch in Esslingen zu präsentieren.

Was müsste sich ändern, um eine solide Basis für die Zukunft zu schaffen?

Wir sind 2015 mit viel Enthusiasmus gestartet, und unsere Leidenschaft ist bis heute ungebrochen. Trotzdem wäre es fahrlässig, nicht zu überlegen, wie wir unser Festival in eine gute Zukunft führen können. Bei aller Begeisterung ist klar, dass sich ein Festival dieser Größe und Qualität nicht ewig auf ehrenamtlicher Basis veranstalten lässt. Ich lebe in Berlin, mein Beruf fordert mich, und ich kann auf Dauer auch nicht jedes Jahr meine Familie und all meine Freunde einspannen. Das ging bisher, geht auch diesmal, weil wir es gerne tun, wird aber nicht ewig so weitergehen. Wir werden nicht umhin kommen, jemanden zu holen, der unser Konzept professionell umsetzt und uns einen Teil der Arbeit abnimmt.

Von wem würden Sie sich mehr Unterstützung für Ihre Arbeit wünschen?

Zusätzliche Unterstützung könnte von der Stadt, vom Land und von weiteren Sponsoren kommen. Das könnte ein großer Hauptsponsor sein, das könnten aber genauso gerne auch weitere kleinere Sponsoren sein, die mit uns die Überzeugung teilen, dass dieses Festival eine gewisse Bedeutung für Esslingen und für die Region insgesamt hat. Ich werde weiter alles in die Waagschale werfen, aber die ganze Stadtgesellschaft ist gefragt, um diese Veranstaltung auf gewohntem Niveau halten zu können.

Eine Möglichkeit wäre, die Eintrittspreise zu erhöhen ...

Das ist immer ein Spagat. Natürlich könnten wir höhere Eintrittspreise verlangen, aber es war von Anfang an unser Anspruch, die Preise so moderat zu halten, dass sich diejenigen, die diese Musik genau wie wir lieben, ein Ticket auch leisten können. Wenn weniger Zuhörer kommen, weil die Tickets nicht mehr für alle erschwinglich sind, hilft das keinem.

Die ersten beiden Konzerte finden in der Dieselstraße und im Jazzkeller statt. Ist das Zufall oder ganz bewusst gesetzt?

Jazz hat an beiden Orten eine große Tradition. Unser Festival möchte auch auf all das aufmerksam machen, was in Esslingen in Sachen Jazz geboten wird. Deshalb war die enge Zusammenarbeit mit der Dieselstraße und dem Jazzkeller von Anfang ein fester Baustein in unserem Festivalkonzept.

Esslingen hat tolle Veranstaltungsorte. Viele erinnern sich aber auch gern an die Open-Air-Konzerte auf dem Hafenmarkt. Ist daran wieder mal gedacht?

Open-Air hat unglaubliches Potenzial, weil es eine viel größere Sichtbarkeit bietet, die der Stadt insgesamt guttut. Aber das ist eine Frage der Machbarkeit, die man sich mit beschränktem Budget ständig stellen muss. Open-Air bedeutet mehr logistischen Aufwand und ein höheres Risiko wegen des Wetters. Das muss man sich gut überlegen. Wir können uns viel vorstellen, aber unsere finanziellen Möglichkeiten setzen Grenzen.

Das zehnte internationale Jazzfestival im Überblick

Heimspiele
 Das Kulturzentrum Dieselstraße bestreitet am 9. Oktober den Festivalauftakt mit einem Konzert des US-Trompeters Peter Evans und seines Trios. Und am 11. Oktober präsentiert der Jazzkeller den Schlagzeuger Florian Arbenz, den Bassisten François Moutin sowie Jorge Vistel (Trompete) und Maikel Vistel (Tenorsaxofon) im Quartett.

Höhepunkte
 Die koreanische Sängerin Youn Sun Nah und der Pianist Eric Legnini präsentieren am 25. Oktober in der Stadtkirche Kompositionen und Lieder von Frauen. Der aus New Orleans stammende Trompeter Christian Scott, der sich als Zeichen der Rückbesinnung auf seine ostafrikanischen Wurzeln Chief Adjuah nennt, ist am 26. Oktober im Schauspielhaus der WLB zu Gast. Bill Frisell (E-Gitarre), Greg Tardy (Tenorsaxofon und Klarinette), Gerald Clayton (Piano) und Jonathan Blake (Schlagzeug) spielen am 27. Oktober in der WLB. Die Tobias Becker Bigband hat sich am 28. Oktober in der Dieselstraße angesagt. Und am 29. Oktober gibt es in der Stadtkirche ein Wiederhören mit dem tunesischen Oud-Spieler Anouar Brahem, der 2015 beim ersten Esslinger Jazzfestival als Wanderer zwischen Orient und Okzident viel Beifall erhalten hatte – nun ist er einmal mehr mit seinem Quartett zu hören.

Auswärtsspiel
Als Extra präsentiert das Jazzfestival Esslingen am 6. November in Stuttgart in Kooperation mit dem Theaterhaus Cross Currents, eines der faszinierendsten Trios des modernen Jazz.

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