Nach einem EU-Beschluss sollen Fleischersatzprodukte nicht mehr wie Fleischprodukte genannt werden. Stuttgarter Veggie-Institutionen sind empört.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Die EU bekommt viel Gegenwind für einen Beschluss, wonach Fleischersatzprodukte nicht mehr nach ihren fleischlichen Vorbildern benannt werden dürften; also vegane Wurst nicht mehr als Wurst zu bezeichnen, dasselbe gilt für Burger, Schnitzel und so weiter. Am Mittwoch hatten die Rechtsaußen-Fraktionen und Teile der Konservativen Fraktion im EU-Parlament in Straßburg für die Gesetzesänderung gestimmt, die aber mit den 27 Mitgliedsländern verhandelt werden muss.

 

Der Beschluss sorgt auch in Stuttgart für Ungemach in der veganen Szene. Timo Hildebrand, der ehemalige Nationaltorhüter und Inhaber des veganen Restaurants Vhy! an der Reinsburgstraße nennt den EU-Beschluss „vorsichtig ausgedrückt lächerlich“. Der Argumentation der französischen konservativen Politikerin Céline Imart, die den Antrag eingebracht hatte, wonach es um „Transparenz und Klarheit für den Verbraucher“ gehe, kann Hildebrand nicht folgen.

„Es kippt sich ja auch niemand Sonnenmilch in den Kaffee“

„Es gibt tausend andere Begriffe, die verwirrender sind“, sagt er. Er hält den Verbraucher für mündig genug, eine klare Vorstellung von einem veganen Burger zu haben und kein Fleischgericht zu erwarten. „Es kippt sich ja auch niemand Sonnenmilch in den Kaffee“, so Hildebrandt, „und bei Produkten wie WC-Enten und Fleischtomaten ist doch auch niemand verwirrt.“

Er selbst hofft, sich keine Gedanken machen zu müssen, die Speisen in seinem Restaurant künftig mit ungelenken Formulierungen zu umschreiben. Er sei grundsätzlich mit Spekulationen zurückhaltend, dennoch deute für ihn hier „einiges darauf hin, dass Lobbyismus betrieben“ werde. Vor allem was klimafreundliche Ernährung angehe, werde hier „ein falsches Signal“ gesendet. „Der Wahrheit nicht ins Auge zu sehen, dass es da Zusammenhänge gibt, ist ein Problem“, sagt Hildebrand. Er wolle dennoch bei seiner Linie bleiben, die Menschen nicht dogmatisch zu Veganern zu erziehen, „sondern durch Ausprobieren zu inspirieren.“

Vegane Produkte seien klar gekennzeichnet

Leonard Schwalenberg, Betriebsleiter im Vegi – ehemals Veggie Voodoo King – an der Steinstraße in der Stuttgarter Stadtmitte hält den Beschluss ebenfalls für Augenwischerei. „Diesen Kulturkampf wollen wir nicht mitkämpfen“, sagt er. Er hält es für absurd, dass Konsumenten von veganen Produkten in die Irre geführt werden könnten. „Vegane Produkte sind ja in Supermärkten meistens separat aufgestellt und außerdem durch die meistens grüne Farbgebung klar gekennzeichnet.“ Niemand kaufe aus Versehen ein Veggie-Produkt, ist er überzeugt.

Kritik an dem Beschluss übte auch Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne). Ihm missfielen vor allem die Doppelstandards der Konservativen in der EU, die sich seiner Auffassung nach in dem Beschluss offenbarten. „In Sonntagsreden darüber sinnieren, dass Brüssel sich weniger ins Alltagsleben der Bürger einmischen soll. Am Mittwoch dann so abstimmen. Bürokratieabbau à la carte!“, schreibt Bayaz auf der Plattform X.

Der ehemalige Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (ebenfalls Grüne) sieht es ähnlich. „Den Konservativen geht’s um die Wurst. Leider nicht im übertragenen Sinne“, schrieb er auf X. Statt Sprachpolizei zu spielen und mit unnötigen Verboten Verbraucher und Wirtschaft zu gängeln“ brauche es „Politik mit Augenmaß und Vernunft“, urteilte er.

Im Internet wird die Debatte mit spitzer Feder weitergedreht. So schrieb ein Nutzer etwa: „Wer davon überfordert ist, sollte keine politische Verantwortung für ein ganzes Land oder die EU haben!“ zu einem Foto, das ein Supermarktregal zeigt, worüber sich ungefähr ein Meter große Buchstaben befinden, welche die Worte „Vegan/Vegetarisch“ bilden.

Gleichzeitig fragen sich einige, wie die Produkte denn künftig heißen sollen, falls das Gesetz tatsächlich in Deutschland umgesetzt würde. An humorvollen Vorschlägen mangelt es im Netz jedenfalls nicht.

Auch in der Lebensmittelindustrie kam der Vorstoß nicht durchweg gut an. Viele deutsche Unternehmen haben sich in einem Brief an die deutschen EU-Abgeordneten gegen den Beschluss gewandt. Zu den Unterstützern gehören Aldi Süd, Burger King und Rügenwalder Mühle.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) unterstützt die Pläne dagegen. Eine Wurst ist eine Wurst. Wurst ist nicht vegan“, sagte er im Talk bei Maischberger.