Die 30-Prozent-Vorgabe für sozialen Wohnraum wird ausgesetzt. Stattdessen setzt Fellbach bei Neubauprojekten auf flexible und individuelle Lösungen.

Kaum hatte Gabriele Zull vor bald neuen Jahren ihr Amt an der Spitze der Stadt am Fuße des Kappelbergs angetreten, da forcierte sie als eine der ersten Zielvorgaben die Fellbacher Wohnbauoffensive. Die Bilanz ist durchwachsen. Etliche vormalige Brachen wurden durch Neubaugebiete ersetzt. Doch wie in fast allen anderen Orten im Land, so stagniert auch Fellbach derzeit in diesem Segment.

 

Wenig Wohnbau auch in Fellbach

Es wird entweder „gar nicht mehr“ oder jedenfalls nicht so viel gebaut wie erhofft, konstatierte Zull jüngst im Gemeinderat. „Wir haben momentan nur sehr wenig Wohnbau“, ergänzte Baudezernentin Beatrice Soltys. Die Lage im Wohnungsbau sei angespannt, die Branche verzeichne einen dramatischen Umsatzrückgang, die Zahlen für Baugenehmigungen in diesem Bereich seien drastisch eingebrochen.

Kaum noch bezahlbarer Wohnraum

Die Folge: Viele Bauprojekte seien „nicht mehr wirtschaftlich umsetzbar“. Das Angebot an bezahlbarem Wohnraum sinke, während die Nachfrage aber gerade in Städten Baden-Württembergs weiterhin hoch bleibe. Auf Landesebene komme man bei der Bekämpfung der Wohnungsnot nicht wirklich voran. Daher gehe es nun darum, was in Fellbach unternommen werden könne, um den Wohnungsbau aufrechtzuerhalten. In dieser Krise seien flexible Lösungen entscheidend.

Als eine Ursache für dieses Dilemma ausgemacht hat man im Rathaus die zu strikten Regelungen. Bisher galt nach einem Grundsatzbeschluss von 2017, dass bei einem Wohnprojekt in Fellbach ein Flächenanteil von 30 Prozent als bezahlbarer Wohnraum vorgeschrieben ist.

Diese bisherige Regelung zur Schaffung von kostengünstigem Wohnraum wird dahingehend geändert, dass man flexibler auf Bauträger, Investoren und private Bauwillige eingehen will. Die bislang angestrebte 30-Prozent-Quote für kostengünstigen Wohnraum in einzelnen Bauprojekten wird somit bis zum ersten Quartal 2027 ausgesetzt. Zu Beginn der Wohnbauoffensive 2017 seien die Rahmenbedingungen eben andere gewesen, so Soltys im Gremium.

Vor Ablauf der neuen Regelung wird der Gemeinderat erneut über deren Fortführung oder Anpassung beraten. Ein zentrales Element des neuen Beschlusses ist, dass bei Bauvorhaben mit einer Bruttogeschossfläche ab 1000 Quadratmetern die Bauwilligen auf ihre soziale Verantwortung hingewiesen und konkrete Vorschläge für sozialen Wohnraum eingefordert werden.

Beispielsweise könnte je nach Umfang und Größe des Bauvorhabens ein bestimmter Wohnungs- oder Flächenanteil für junge Familien, Senioren oder preiswertes Wohnen ausgewiesen werden. Der Gemeinderat wird jedes dieser Vorhaben rechtzeitig beraten. Vergeblich wehrte sich die SPD-Fraktion gegen die „völlige Aufgabe der bisher gültigen Sozialquote“, so Fraktionschef Andreas Möhlmann. Ihr Antrag, doch zumindest eine 20-Prozent-Vorgabe beizubehalten, kam auf eine respektable, aber eben nicht ausreichende Stimmenzahl im Gremium.

Fortschritt an der Eppingerstraße

Doch es gibt nicht nur Stagnation im Fellbacher Wohnbau, wie Soltys zu Beginn der Sitzung kundtat. Es geht um ein Projekt in Bahnhofsnähe, das auch ein Baustein des Fellbacher Beitrags zur Internationalen Bauausstellung 2027 (IBA’27) ist, nämlich die Bebauung an der Eppingerstraße. Dort stand einst die Kofferfabrik Hertter, 2018 wurde der Gebäudekomplex abgerissen. Als Investor für die Neubebauung agiert das Siedlungswerk Stuttgart. „Das Projekt hat eine sehr lange Genese“, räumte die Baudezernentin die lange Wartezeit ein – und versprach zugleich: „Die Eppingerstraße steht kurz vor dem Baubeginn.“