Die Pläne zur Neuen Mitte Fellbach wecken Erinnerungen an den einstigen Verlauf der Straßenbahn. Unterdessen üben vor allem Senioren Kritik an der Verlegung der Stadtbahn-Endhaltestelle.
Von wohlwollender Zustimmung bis geharnischter Ablehnung reichen die Reaktionen auf die Entscheidung des Gemeinderats zur Verlagerung der Stadtbahn-Endhaltestelle in Fellbach (Rems-Murr-Kreis). Künftig enden die Züge 100 Meter früher als bisher auf Höhe des alten Friedhofs. Mit dem Beschluss ist auch der Weg frei für die Gestaltung der Neuen Mitte Fellbach – ein Generationenprojekt, wie es oft bezeichnet wird.
Diese „Weichenstellung“, für die zunächst eine neue Weiche installiert werden muss, bringt derzeit insbesondere Senioren in Wallung – vor allem wegen des künftig längeren Wegs zwischen Stadtbahn und Anschlussbus oder umgekehrt.
„Dieses große Plus wird aufgegeben“
Darüber beklagen sich beispielsweise die beiden Vorsitzenden des Stadtseniorenrats Fellbach, Thomas Kleine und Alfred Wegmann. So biete die Haltestelle Lutherkirche die kürzeste und dabei noch barrierefreie Umstiegsmöglichkeit, wenigstens in der Nord-Süd-Verbindung. „Dieses große Plus für alle Menschen mit Mobilitätseinschränkung soll nun aufgegeben werden, weil der Stadtplanung keine bessere Lösung einfällt, als den Zufußgehenden und Rollstuhlfahrenden längere Strecken zuzumuten mit dem einzigen Zugeständnis, auf einen guten Bodenbelag zu achten, was eigentlich selbstverständlich sein sollte.“
Dabei bietet nach Auffassung des Stadtseniorenrats doch gerade die Verlängerung der Stadtbahnhaltestelle die Chance, den gesamten Platz zukunftsfähig und nachhaltig zu gestalten. „Spätere Korrekturen von Umbaumaßnahmen, die jetzt schon den Makel einer Fehlplanung haben und mit denen zu recht niemand zufrieden ist, sind teurer, als jetzt nach einer guten Lösung zu suchen, die den kurzen Umstieg Bus-Stadtbahn erhält.“
Zu Wort gemeldet hat sich in einem persönlichen Beitrag auch die frühere Vorsitzende des Stadtseniorenrats Fellbach, Roswitha Morlok-Harrer. Unter der Überschrift „Allmählich sieht man ,Rot’ in Fellbach“ bezieht sie sich ebenfalls auf den Artikel „Nur wenige Umsteiger an der Endstation“ wie auch den Folgetext „Endhaltestelle der Stadtbahn ohne Dach?“ und sieht dies als „nächste Hiobsbotschaft zum Thema Neue Mitte Fellbach“.
Mobilitätseingeschränkten Menschen in Fellbach sowie Familien mit Kinderwagen könne man einen 100 Meter langen Umstiegsweg zumuten – meinen offenkundig die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung und im Gemeinderat. „Und jetzt soll gerade dieser Personenkreis an der Haltestelle auch noch im Regen stehen? Wie weit ist es in Fellbach gekommen?“
Wenn kein Geld vorhanden sei, müsse man eben „zurückrudern und die Stuttgarter Straßenbahnen ihre Haltestelle gestalten lassen. Dann gibt es eben keine Neue Mitte Fellbach als Aushängeschild“. Morlok-Harrers geharnischtes Fazit: „Was gerade zu diesem Thema in Fellbach läuft, ist für den Bürger eine Zumutung!“
Zu einem Ausflug in die Historie der Stadtbahn sieht sich Jürgen Ranger aus der Cannstatter Straße in Fellbach angesichts der jüngsten Berichte und Entwicklungen veranlasst. „Was waren die Fellbacher stolz, als am 4. Mai 1929 die festlich geschmückte Straßenbahn das erste Mal durch ihre Straßen fuhr. Nun war sichtbar, dass man sich nicht mehr als Dorf, sondern als Stadt sah, was dann ja auch ein paar Jahre später wahr wurde. Und dass sich so ein Verkehrsmittel positiv auf den heimischen Handel auswirkte, war sowieso allen klar.“
1977 wurden ein Verkehrskonzept und der Wettbewerb für das neue Rathaus gemeinsam vorangetrieben. Die Umstellung der alten „Strambe“ auf die Stadtbahn mit neuer Linienführung erfolgte am 19. April 1986. Das neue Rathaus wurde nur wenige Monate später, am 4. Oktober 1986, festlich eingeweiht. Ranger: „Man sprach nun stolz von der ,neuen Stadtmitte’ und sah das Erreichte als Bestätigung der Stadtwerdung.“
Schaue man sich nun die heutige Situation an, so ergebe sich der Eindruck, „dass Bauernschläue und weit blickendes Handeln verloren gegangen sind“. Die seit Jahren absehbare Verlängerung der Stadtbahnzüge sei wie andere Entwicklungen auch – zum Beispiel das Radschnellwegnetz – nicht erkannt worden. „Auch weit schauende Pläne für eine Weiterentwicklung finden sich anscheinend nicht mehr in den Schubladen.“
Punktuelle Großprojekte wie eine modernere Bahnhofsstraße oder eine neue Feuerwache, so Ranger, „kochen hoch und verschwinden dann wieder. Andere, wie so mancher Radweg, zeigen den Mangel am Blick auf das Große und Ganze.“
Stadtbahn endet am Rande der Stadt
Und nun ist also nach seiner Ansicht Fellbach auch beim Thema Stadtbahn in Zugzwang geraten und habe den Kürzeren gezogen: „Mangels vorausschauender Planung wird diese über viele Jahre am Rand der Stadt enden – voraussichtlich mit entsprechenden Folgen für den Einzelhandel und die Lebensqualität. Einen Stadtbahn-Weiterbau muss Fellbach nun selbst finanzieren – so es eines Tages die Stadtkasse hergeben mag.“
Rangers spitzzüngiges Fazit, mit Blick auf die amtierende OB Gabriele Zull und ihren Vorgänger Christoph Palm und dessen einstige Unterstützung für den unvollendeten Schwabenlandtower: „Ergänzend zum ,langen Christoph’ am Stadtrand bekommen wir nun also die ‚Wüste Gabi’ in der Stadtmitte.“