Der Regisseur Hannes Stöhr ist in Hechingen aufgewachsen, lebt seit zwanzig Jahren in Berlin und ist für eine Überraschung gut: Nach seinem DJ-Film „Berlin Calling“ kommt jetzt „Global Player“ mit Walter Schultheiß.

Stuttgart - Wenn Walter Schultheiß einen Termin in Stuttgart hat, muss er viel Zeit einplanen. Ständig werde er auf der Straße angesprochen. „Da erfahren wir sehr viele Sympathien“, sagt der Volksschauspieler, der mit seiner Frau und Kollegin Trudel Wulle im Schwarzwald lebt. Selbst in Venedig wurden die beiden oft angesprochen. „Wir haben uns gewundert warum die Leute ,Ciao dottore‘ gerufen und uns gewunken haben“, erzählt Walter Schultheiß. „Dann haben wir im Hotel gefragt, ob die eine Erklärung dafür haben.“ Die gab es: mit großem Erfolg lief im italienischen Fernsehen die Serie „Hallo, Onkel Doc“ mit Walter Schultheiß.

 

Wer weiß: womöglich kennt man ihn bald in China. Der Kinofilm „Global Player – wo wir sind isch vorne“, der am 3. Oktober anläuft und in dem Walter Schultheiß einen sturen Seniorchef spielt, handelt teilweise in Schanghai. Und wenn es nach dem Regisseur Hannes Stöhr geht, soll der Film auch auf dem Internationalen Filmfestival in Schanghai zu sehen sein.

Ja, richtig gelesen: Walter Schultheiß kommt ins Kino. Mit 89 Jahren. Dass er noch immer sehr professionell und humorvoll ist, hat er bei einer Pressevorführung im Atelier am Bollwerk bewiesen. „Ich spiele einen 90-Jährigen und war bei den Dreharbeiten 88. Man musste mich also älter schminken.“ Der Regisseur Hannes Stöhr war beeindruckt: „Bereits bei den Schauspielproben vor dem Dreh konnte Walter den gesamten Text seiner Rolle, sowie die Dialoge aller anderen Schauspieler auswendig. Alte Schule im besten Sinne.“

Inka Friedrich und Ulrike Folkerts spielen mit

In dem Film spielt Schultheiß Paul Bogenschütz, den Seniorchef des Familienunternehmens Bogenschütz & Söhne. Die mittelständische Firma in Hechingen baut seit Generationen Textilmaschinen. Seit einiger Zeit bleiben die Aufträge aus, die asiatische Konkurrenz ist billiger. Der Juniorchef und Sohn von Paul Bogenschütz, Michael (gespielt von Christoph Bach) verhandelt hinter dem Rücken seines Vaters mit einer chinesischen Firma über einen Verkauf. Der Seniorchef bekommt das mit und kämpft um sein Lebenswerk.

In diese Zeit fällt auch sein 90. Geburtstag, nach feiern ist ihm nicht zu Mute. Das bekommen auch die weiteren Kinder des Jubilars zu spüren, die zum Geburtstag anreisen und nicht wissen, wie schlecht es um die Firma steht: die flippige Marlies (Inka Friedrich) und die besonnene Marianne (Ulrike Folkerts). Nur der älteste Sohn Matthias (gespielt von Stefan Hallmayer vom Lindenhof-Theater), der als Aussteiger in Thailand lebt, stößt später dazu.

In dem komischen Familienporträt prallen Weltsichten zweier Generationen aufeinander. Walter Schultheiß kann sich gut in die Rolle reindenken. Sehr nah sind ihm die Momente, in denen sich Bogenschütz an den Krieg und die Zeit danach erinnert. Im Film werden Sequenzen mit Originalaufnahmen aus dem Krieg gezeigt. „Ich habe diese Zeit auch erlebt und kann verstehen, wie sich Paul Bogenschütz fühlt. Da kommen Erinnerungen hoch, die man sein ganzes Leben vergessen will.“

Erst „Berlin Calling“, dann Hechingen

Abgesehen von den schwachen Momenten, tritt Schultheiß so auf, wie man ihn kennt: als Bruddler und Querdenker. „Lass mich in Ruhe mit deinem Shareholder-Value-Gschwätz“, herrscht er seinen Sohn an.

So tyrannisch wie im Film sei er im wirklichen Leben zwar nicht, aber stur schon, sagt Trudel Wulle. „Ich sage immer: Es gibt zwei Meinungen, meine und die falsche“, sagt Walter Schultheiß und lacht. Ein Charakterkopf, das ist Walter Schultheiß in „Global Player“ und in der Realität: „Den Liebhaber wollte ich nie spielen. Jetzt bin ich endlich in einem Alter, in dem mir nur Charakterrollen angeboten werden.“

Es ist besonders die Mischung aus komischen und ernsten Momenten, die dem Regisseur Hannes Stöhr am Herzen liegt. Dass ausgerechnet er – nach seinem Kultfilm „Berlin Calling“ mit dem DJ Paul Kalkbrenner – einen Film am Rand der Schwäbischen Alb dreht, dürfte einige Kinogänger überraschen. „Ich wollte die Provinz zeigen ohne Blaskapelle“, sagt Hannes Stöhr, der sich bestens in Hechingen auskennt. 1970 in Stuttgart geboren, ist er in der Stadt unterm Hohenzollern aufgewachsen. Seit 20 Jahren lebt er in Berlin, aber noch immer hat er Freunde in Hechingen. Auch sie haben ihn zu dem Film inspiriert. „Einer meiner Tenniskumpel ist Geschäftsführer einer Textilfirma und fliegt zwei Mal im Jahr nach China.“

Der Regisseur orientiert sich an der Realität

Hannes Stöhr legt Wert darauf, dass er sich bei seinen Filmen von der Realität beeinflussen lässt. Man denke nur an die Firma Putzmeister, die von dem chinesischen Unternehmen Sany gekauft wurde. „Als wir den Film in Hamburg gezeigt haben, dachten die meisten, das alles sei komplett erfunden. Dass niemals eine Firma in Hechingen mit Schanghai mithalten kann.“ Hannes Stöhr geht sogar soweit und sagt: „Wenn es bei den Mittelstand hier im Süden mal richtig schlecht laufen sollte, gehen in Berlin die Lichter aus.“

Die Idee, diesen Film zu machen, kam ihm als er sich 2008 mit der Wirtschaftskrise auseinandersetzte. Und wer, wenn nicht Walter Schultheiß, den Hannes Stöhr als Kind in der Reihe „Der Eugen“ gesehen hat, sollte die wichtige Rolle übernehmen?