Karin Radström vor einem elektrischen Actros: Das Unternehmen der künftigen Daimler-Truck-Chefin hat nun für ein wichtiges Technologieprojekt die Zusage über mehr als 200 Millionen Euro erhalten. Foto: picture alliance/dpa/Uli Deck
Der Lkw-Hersteller aus der Region Stuttgart forscht an wichtigen Technologien, an deren Entwicklung auch der Staat ein Interesse hat. Er stellt dafür Hunderte Millionen Euro bereit und zahlt für ein Großprojekt doppelt so viel wie Daimler Truck selbst.
Zwei Wochen, bevor Karin Radström ihr neues Amt als Chefin des Nutzfahrzeug-Konzern Daimler Truck antreten wird, gibt es für das Unternehmen gute Nachrichten. Daimler Truck arbeitet an umweltfreundlichen Technologien für Fahrzeugantriebe, die die Politik nun verstärkt fördern wird.
Daimler Truck erhält nach Informationen unserer Zeitung eine staatliche Förderung von 226 Millionen Euro für ein Entwicklungsprojekt zur Wasserstofftechnologie in Baden-Württemberg. Die Gelder fließen in das Projekt Pegasus, das den Rahmen für die Entwicklung und Erprobung emissionsfreier Brennstoffzellen-Lkw bildet, die schwere Lasten über lange Strecken transportieren. Bei der Brennstoffzelle wird mit Sauerstoff aus der Luft und mit Wasserstoff Strom erzeugt, der einen Elektromotor antreibt.
Die Brennstoffzelle, die mit Wasserstoff betankt wird, gilt gerade im Nutzfahrzeugbereich als wichtige Antriebstechnologie. Foto: Daimler Truck AG
Vor einem Jahr hatte der Nutzfahrzeughersteller mit Sitz in Leinfelden-Echterdingen, der aus der einstigen Daimler AG hervorgegangen war, mit einer Rekordfahrt von sich reden gemacht. Der Prototyp eines Lkw hatte zwischen dem Werk Wörth am Rhein (Rheinland-Pfalz) und Berlin eine Strecke von 1047 Kilometern zurückgelegt und dafür lediglich eine Tankfüllung flüssigen Wasserstoff benötigt. Der Lastwagen war voll beladen und hatte somit ein Gesamtgewicht von 40 Tonnen.
Das nun geförderte Projekt soll die Technologie, die hohe Reichweiten mit flüssigem Wasserstoff ermöglicht, weiterentwickeln und in die Produktion überführen. Außerdem sollen die Laster im realen Kundenbetrieb getestet werden. Geplant ist, die Fahrzeuge über einen Zeitraum von vier Jahren zu betreiben und zu analysieren, um die technische Machbarkeit und Praxistauglichkeit von Flüssigwasserstoff-Lkw und der zugehörigen Betankungstechnik zu demonstrieren.
Schulden-Urteil brachte Verzögerung der Finanzierung
Für das Projekt fallen Kosten von 336 Millionen Euro an, die vom Bund und den Ländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zu mehr als zwei Dritteln getragen werden. Von den Fördermitteln tragen der Bund 158 Millionen Euro, Baden-Württemberg bis zu 50 Millionen und Rheinland-Pfalz bis zu 27 Millionen Euro. Bei den Länderanteilen handelt es sich jeweils um Obergrenzen, die je nach Aufteilung der Kosten noch etwas sinken.
Die Zusage des Bundesverkehrsministeriums über den Löwenanteil der Förderung ließ bisher auf sich warten. Denn mitten in den Abschluss des Projekts fiel das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das dem Bund eine strengere Anwendung der Schuldenbremse auferlegte und zunächst zum Einfrieren vieler Projekte führte, zu denen auch Pegasus gehörte.
In einem Brandbrief drängten Landesumweltministerin Thekla Walker (Grüne) Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und Landeswirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) im Januar Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) darauf, die Mittel bereitzustellen und versicherten, dass Baden-Württemberg weiter hinter dem Projekt stehe. Diese Zusage ist nach Informationen unserer Zeitung nun erfolgt.
Bei der Förderung werden sogenannte IPCEI-Mittel vergeben – also Subventionen, die nach den EU-Beihilferegeln im Grunde unzulässig sind, im Interesse der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU aber genehmigt werden. Die Gelder in Deutschland stammen zu jeweils 70 Prozent vom Bund und zu 30 Prozent vom jeweiligen Bundesland. Im Wasserstoffbereich werden über diese Regelung Projekte von Unternehmen aus 23 europäischen Ländern gefördert.
Mit der Zusage der Fördermittel eröffne das Projekt Pegasus „für den Schwerlastverkehr eine Perspektive, die einen echten Durchbruch bringen kann – für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg und für den klimaneutralen Verkehr“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann unserer Zeitung. Man werde „nun mit dem Bund schnellstmöglich die notwendigen Vereinbarungen treffen, damit Daimler Truck das Projekt Pegasus mit voller Kraft vorantreiben kann“.
Umweltministerin Thekla Walter erklärte, damit der Standort Baden-Württemberg weiter vorn bleibe, „brauchen wir vor Ort Forschung und Produktion von innovativen Technologien, die Wasserstoff nutzen“. Das Projekt sei dabei ein wichtiger Baustein.
Große Verzögerungen des Projekts gab es durch die Finanzierungsstruktur offenbar nicht. Bereits 2022 erhielt Daimler Truck die Genehmigung, mit Pegasus zu beginnen, ohne dass dadurch die spätere Förderung aufs Spiel gesetzt wird.