Eine Bank in Pink wandert bis zur Bundestagswahl kreuz und quer durch Waiblingen. Das Bündnis für Demokratie lädt ein, sich darauf zu setzen und zum Thema zu äußern. Was hat eine Ziegenherde damit zu tun?
Moritz, der stattliche Bock, bleibt ganz entspannt. Auch seine Ziegendamen haben die Ruhe weg. Dabei ereignen sich an diesem Samstagmorgen auf ihrer Weide, auf der sie eben noch ungestört gegrast haben, gar seltsame Dinge. Mehrere fremde Zweibeiner kreuzen plötzlich auf, steigen über den Zaun und platzieren ein unbekanntes Objekt auf der grünen Wiese.
Ein kurzer Check seitens der Ziegen ergibt: nicht essbar. Gleich darauf macht es sich Heiner Negele, der Besitzer der Herde, auf der pinkfarbenen Bank bequem und lockt mit der Lieblingsspeise, trockenem Brot, seine Burenziegen zu sich heran. Moritz schart sich mit seiner kleinen Familie – alle haben einen weißen Körper, braune Schlappohren und ein freundliches Gesicht – ums Sitzmöbel. Dann beginnt auch schon das Freiluft-Fotoshooting, zu dem einige Mitglieder des Waiblinger Bündnisses für Demokratie an diesem Vormittag gekommen sind.
Erste Bilder sind bei der Nacht der Demokratie zu sehen
Bis zur Bundestagswahl in fast exakt einem Jahr wolle das Bündnis mit dem knallig-farbenen Bänkle kreuz und quer durch das Stadtgebiet wandern, erläutert Andrea Ertz. Wer mag, darf sich darauf setzen und ein Statement dazu abgeben, was Demokratie und die Menschenrechte für ihn bedeuten. „Wir haben vorab schon einige Leute in Waiblingen angeschrieben und gefragt, ob sie sich auf die Bank setzen wollen. Es sind aber grundsätzlich alle Bürgerinnen und Bürger dazu eingeladen“, betont Renate Rack-Weber, die für ihre Anfrage bislang viel Zuspruch erhalten hat. Die Gäste, die im Laufe der kommenden Monate auf der Bank Platz nehmen, werden fotografiert und die Bilder mit ihrer Aussage zusammen veröffentlicht.
Die ersten bei der Aktion entstandenen Fotos sind an diesem Mittwoch im Rahmen der ersten Langen Nacht der Demokratie in der Stadtbücherei Waiblingen zu sehen. Außerdem werden die Bilder künftig auf der Internetseite des Bündnisses, auf Facebook und Instagram veröffentlicht. Der Waiblinger Oberbürgermeister Sebastian Wolf und der Erste Bürgermeister Peter Schäfer hätten sich beispielsweise bereits ablichten lassen, erzählt Andrea Ertz.
Fototermin im Freibad fällt ins Wasser
Das Bündnis habe auch weitere städtische Angestellte angesprochen, erzählen die Mitglieder der Gruppe – doch viele von ihnen seien leider etwas zögerlich und besorgt, sich angreifbar zu machen. Auch aus dem Plan, die pinkfarbene Bank im Freibad Waiblingen aufzustellen, wird zum Bedauern des Bündnisses für Demokratie voraussichtlich nichts werden: Die Stadtwerke Waiblingen hätten mit dem Verweis, man wolle politisch neutral sein, das Ansinnen eines Fototermins im Schwimmbad abgelehnt.
Mit Fragen wie „Wo erleben Sie Demokratie im Alltag?“ oder „Welche Mitteilung haben Sie an Menschen, die sich von der Demokratie abwenden?“ will das Bündnis die Waiblinger Stadtgesellschaft zum Nachdenken anregen. Bei der Aktion gehe es nicht darum, ausschließlich Lob zu äußern, betont Renate Rack-Weber: „Auch Vorschläge, was man an der Demokratie verbessern könnte und Hinweise darauf, was nicht so gut läuft, sind willkommen.“ Dass auch dazu dem einen oder der anderen etwas einfallen wird, ist ihr bewusst: „Man merkt ja, dass manche Leute unzufrieden sind.“ Andererseits sei vielen auch gar nicht so klar, welche Rechte sie genießen. „Unser Anliegen ist es, da drüber ins Gespräch zu kommen.“
500 Unterzeichner als Ziel
Gleichzeitig will das Waiblinger Bündnis für Demokratie sich und seine Ziele mit der Fotoaktion noch bekannter machen. Im Februar dieses Jahres hatte sich das Bündnis gegründet, um sich „klar der Bedrohung der Demokratie entgegenzustellen“. Mittlerweile sind rund 160 Einzelpersonen, Organisationen, Vereine, Firmen, Kirchengemeinden sowie Sport- und Kulturvereine in der Stadt dem Bündnis beigetreten. Ziel sei es, die Zahl auf 500 Unterzeichner zu erhöhen, sagt Renate Rack-Weber. Mit der Demokratiebank möchte das Bündnis sein Anliegen noch bekannter machen.
Was den Ziegenbock Moritz betrifft, so verhält sich dieser nach den Schilderungen seines Besitzers zumindest beim Thema Essen eher wie ein Diktator als wie ein Demokrat: Er will den Vortritt. Andererseits arbeite die kleine Herde eng zusammen, wenn es etwa darum gehe, ein wucherndes Brombeergestrüpp im wahrste Sinne des Wortes platt zu machen, sagt Heiner Negele: „Da arbeiten sie alle zusammen. Solch ein Miteinander sollten wir eigentlich auch haben.“
Mehr zur Aktion und zum Bündnis unter www.waiblinger-buendnis.de
Veranstaltungen rund ums Thema
Waiblingen
In der Stadtbücherei Waiblingen im Marktdreieck, Kurze Straße 24, zeigt eine kleine Ausstellung am Mittwoch, 2. Oktober, die ersten Fotos mit Menschen auf der Demokratiebank. Von 15 Uhr bis 18.30 Uhr ist dort Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen – auch mit den Mitgliedern der bürgerschaftlichen Gremien. ins Gespräch zu kommen.
Aktionen
In der Bibliothek Waiblingen steht eine Fotobox, in der sich Besucher ablichten lassen können. Die Bilder und Statements sollen später ausgestellt werden.
Winnenden
In der Alten Kelter in Winnenden, Paulinenstraße 32, ist am 2. Oktober im Rahmen der langen Nacht der Demokratie von 19 Uhr an die Fernseh-Korrespondentin Nicola Albrecht zu Gast. Sie erzählt bei der Lesung von ihrer Reise entlang der libanesischen Grenze bis ans Rote Meer und von den Begegnungen mit verschiedensten Menschen. Der Eintritt kostet acht Euro.