Franchise-System Eine neue Chance für die Leichtathletik?

Wird von der Athletics-Gemeinschaft in Düsseldorf unterstützt: Stabhochspringer Bo Kanda Lita Baehre Foto: imago

Ein Unternehmer will der Sportart mit Startgemeinschaften unter die Arme greifen. Die Idee wird schon in einigen Metropolen umgesetzt – bald auch in Stuttgart?

Claus Dethloff hat ein hehres Ziel: Der Unternehmer aus Köln möchte die Leichtathletik wieder zu einer starken Marke machen. „Denke groß“, lautet das Motto des ehemaligen Hammerwerfers. Deshalb hat er eine revolutionäre Idee entwickelt. In mehreren deutschen Städten hat er Leichtathletik-Startgemeinschaften nach dem Franchise-System gegründet. Von Januar 2026 an soll es auch eine Gemeinschaft in Stuttgart geben. Der neue Verein soll Stuttgart Athletics heißen. „Stuttgart Athletics ist ein reiner Leichtathletik-Club und stärkt die Verbindung dieser Olympischen Sportart mit der Metropolregion Stuttgart“, heißt es in einer Vorankündigung.

 

„Wir wollen den leistungsorientierten Athletinnen und Athleten bessere Rahmenbedingungen schaffen, damit wir auch zukünftig Topathleten haben“, erklärt Dethloff seinen Ansatz. Nach seiner Beobachtung werde in den Sportvereinen nicht leistungssportmäßig gedacht, zudem beginne der eigentliche Wettbewerb erst außerhalb der Stadtgrenze. „Warum“, fragt Dethloff, „die Kräfte nicht bündeln und gemeinsam nach außen auftreten?“ Seine Vereine sollen deshalb wie ein übergeordneter, lebendiger Kreisverband sein.

Wie häufig bei radikalen Gedanken wie denen von Claus Dethloff sind diese nicht auf große Begeisterung gestoßen. 2021 hat er in Köln Cologne Athletics gegründet. „Anfangs hielt sich der Zuspruch in Grenzen“, berichtet der Unternehmer, „deshalb haben wir die zweite Gemeinschaft in Düsseldorf initiiert.“ Danach habe das Interesse langsam zugenommen. Mittlerweile gibt es solche Startgemeinschaften in neun Städten, darunter auch in Berlin, Leipzig und München. Das Trikot von Cologne Athletics streifen sich die Hochspringer Imke Onnen und Tobias Potye über, das Düsseldorfer Leibchen Stabhochspringer Bo Kanda Lita Baehre. Das Trio war auch bei den Weltmeisterschaften in Tokio am Start.

Geködert werden die Athleten mit einem Prämiensystem. Für den Sieg bei Deutschen Meisterschaften gibt es 1500 Euro, für einen WM-Titel 3000 Euro. Bei U-23- oder U-20-Titelkämpfen werden 1000 beziehungsweise 2000 Euro überwiesen. Was Sven Rees, Geschäftsführer von Leichtathletik Baden-Württemberg, von Dethloffs Idee hält, hat er den Landestrainern unmissverständlich klar in einer Mail mitgeteilt: „Ich habe alle Trainerinnen und Trainer in Baden-Württemberg, die zu 90 Prozent über Landesmittel finanziert werden, darüber informiert, dass sich Athletinnen und Athleten, die sich einem Germany-Athletics-Club anschließen, einen neuen Trainer suchen müssen.“

Das Feedback, das er darauf von den Coaches erhalten habe, sei einmütig positiv gewesen. Genauso restriktiv ist Rees, wenn es um Trainingsmöglichkeiten geht: „Germany Athletics nutzt die Infrastruktur, die von den Kommunen unterhalten wird und aus Bundes- und Landesmitteln finanziert wurde.“ Um aus diesem Dilemma zu kommen, hat Dethloff beim Württembergischen Landessportbund (WLSB) Antrag auf Mitgliedschaft für Stuttgart Athletics gestellt. Das WLSB-Präsidium wird darüber nicht vor Wechselfrist-Ende am 30. November befinden.

Dabei sind Dethloff und Rees in einigen Punkten durchaus auf einer Linie. „Der Athlet ist der zentrale Kunde, der Trainer hält ihm den Rücken frei und der Verband sollte als Dienstleister agieren“, beschreibt Dethloff, wie die Situation sein sollte, damit sich die Athleten optimal entwickeln und damit Leistung bringen können.“ Doch nicht immer handelt der Deutsche Leichtathletik-Verband im Sinne der Athleten. Beispiele gefällig? Die Gewinner einer Medaille bei den Olympischen Spielen im vergangenen Jahr profitieren nur bedingt vom Verbandsangebot. Kugelstoß-Olympiasiegerin Yemisi Ogunleye (MTG Mannheim) hat in Iris Manke-Reimers eine Trainerin, die diesen Job ehrenamtlich ausübt. Zehnkämpfer Leo Neugebauer (VfB Stuttgart) hat als Student in Texas vom US-System profitiert. Lediglich Malaika Mihambo hat in Ulrich Knapp einen Bundestrainer als Coach. Andere Athleten werden von ihren Ausrüstern unterstützt, sodass sie unabhängig arbeiten können. Deshalb lautet Dethloffs Fazit: „Wir haben mehrheitlich ein perfides Modell von Abhängigkeiten. Das erzeugt Frust bei Athleten und Trainern.“

Ob Claus Dethloff mit seiner Germany-Athletics-Offensive erfolgreich sein wird? Die Zukunft wird’s zeigen. Auf alle Fälle hat er einige Funktionäre mit seiner revolutionären Idee aufgeschreckt.

Weitere Themen

Weitere Artikel zu Leichtathletik Olympia 2018